38 - Winterschlaf

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„Fine? Aufwachen." Jemand rüttelt sanft an mir. Brummend drehe ich mich im Bett um. Und schreie auf. „Was ist los?", kommt es sofort besorgt von meiner Seite. „Ich habe mich auf die falsche Seite gerollt", sage ich verschlafen und setze mich hin. Alex hängt halb über mir und mustert mich sorgenvoll. Da bin ich doch tatsächlich hier eingepennt. „Ist klar, dass das wehtut. Das Schmerzmittel wirkt nicht mehr. Möchtest du nochmal was?" Ich schüttele den Kopf, doch das ändere ich ganz schnell in ein Nicken. Alex lacht auf. „Na komm mal mit. Freddy kann dir noch was geben." Ich folge ihm und muss mich kurz orientieren. Richtig, ich bin noch in der Klinik.

Alex ist schon umgezogen. Wir gehen durch die Notaufnahme einfach nach hinten in den Behandlungstrakt durch, wo Alex gleich im ersten Behandlungsraum auf Frederik trifft. „Hast du mal kurz eine Minute? Fine bräuchte nochmal was gegen die Schmerzen. Und eine Armschlinge wäre nicht schlecht." Frederik guckt vom PC auf und lächelt mich sofort an. „Ich frage mich, wie du das immer alles hinbekommst." Ich zucke nur mit den Schultern, verfluche diese Aktion jedoch sofort wieder.

Da mein Zugang noch lag, hatte Frederik ein leichtes Spiel und das Schmerzmittel wirkte schnell. Danach bekam ich noch die angesprochene Armschlinge und durfte dann mit Alex nach Hause, wo ich mich sofort auf die Couch verfrachtet habe. Und einschlief.

„Kein Wunder dass sie so viel schläft. Während ihrer Prüfungen hat sie echt wenig geschlafen", höre ich jemanden leise sagen. „Ja, das stimmt. Aber trotzdem etwas auffällig, wenn du sagst, sie hat vorhin schon bei dir so viel geschlafen." Eine andere Stimme. „Gut, aber ich weiß nicht, wie lang das war. Können vier Stunden oder eine halbe gewesen sein." „Jungs, Essen ist fertig!" Das war eindeutig Paula. Ich schlage die Augen auf und erblicke sofort Alex und Papa, wie sie mich nachdenklich mustern. Die zwei zucken kurz zusammen, anscheinend haben sie nicht damit gerechnet, dass ich wach bin. „Wie lang bist du schon wach?", hinterfragt Papa. „Wie lang sitzt ihr hier und beobachtet mich?", stelle ich eine Gegenfrage, antworte dann aber auch vorher auf seine. „Nicht lang. Und Alex, ich bin in der Klinik sehr schnell eingeschlafen. Jetzt weißt du, wie lange ich geschlafen habe." Ich setze mich langsam auf, mein Kreislauf wäre sonst überfordert.
Ein lautes Fluchen von der oberen Etage ist zu hören, darauf poltert jemand die Treppe runter. „Ist es nicht Fines Aufgabe, sich zu verletzen?", fragt Toni mit gerunzelter Stirn, während er sich sein Knie reibt. „Ha ha ha, sehr witzig. Habe ich für heute doch schon gemacht." Mein Bruder nickt. „Hab schon gehört. Anni hat mir in der Schule ein paar Sachen gegeben, die heute noch gemacht wurden." Ich seufze auf und rolle mit den Augen. „Tja, um Schule kommst du nicht herum, egal wie oft du dich verletzt", kommentiert Toni meine Reaktion. „Man könnte fast meinen, dass du das mit Absicht machst." „Oh ja, das ist mein Hobby, weißt du?" Ich strecke ihm die Zunge raus und gehe den anderen dann hinterher in die Küche. Ein Abendbrot, wo mal alle vertreten sind. Seltene Angelegenheit.

Meine Schulter macht schnell keine Probleme mehr. Dafür kommen ganz andere Probleme, die mir selbst schnell Sorgen bereiten. Zum einen ist es meine Regel, die stärker als sonst ist und irgendwie auch schon länger anhält, als es bei mir üblich ist. Geredet habe ich bis jetzt noch mit keinem darüber. Nicht, weil mir das peinlich ist. Im Gegenteil, erstens hätte ich Paula zum Reden, zweitens kann ich mit den Männern ohne Probleme über meine Tage sprechen. Wieso auch nicht, ist ja normal. Dennoch tue ich es nicht, noch nicht, sonst würden sie sich einfach viel zu große Sorgen machen.

Zum anderen ist da diese durchgängige Müdigkeit. Gut, anfangs kam sie wahrscheinlich wirklich durch den Schlafentzug während meiner Prüfungsphase, doch langsam müsste es mal genug sein. Kaum bin ich zu Hause, schlafe ich ein. Wegen meiner Schulter habe ich noch zwei Wochen eine Sportbefreiung, also fällt Training weg und ich bin nur zu Hause. Wobei ich bezweifle, dass ich das Training packen würde. Nicht mal mit Anni treffe ich mich, weil ich einfach so müde und kraftlos bin. In der Schule kämpfe ich immer öfter gegen das Einschlafen. Nicht immer von Erfolg gekrönt. Am liebsten würde ich Winterschlaf machen, vergleichen doch auch schon die anderen mein Schlafverhalten mit einem.

„Josefine!" Ich schrecke hoch. Schon wieder kurz vor dem Einschlafen gewesen. Müde schleppe ich mich aus dem Bett, in das ich mich gerade erst gelegt habe. Bin ich doch erst vor zwanzig Minuten aus der Schule gekommen. „Was ist?", frage ich Papa genervt und gähne. „Frau Gerlach hat gerade angerufen." Vorwurf schwingt in seiner Stimme, doch nicht nur das. Er klingt auch zutiefst besorgt. Ich stutze. Was möchte denn meine Klassenlehrerin von Papa. „Wieso denn?" „Weil du zum dritten Mal diese Woche im Unterricht eingeschlafen bist." Ich verziehe das Gesicht. „Bist du jetzt sauer?" Er schüttelt den Kopf. „Ich mache mir Sorgen. Ich weiß ja, dass du nicht die ganze Nacht wach bist und deinen Schlaf in der Schule nachholst. Du verschläfst ja auch beinahe den ganzen Tag zu Hause. Fine, das ist ja schon krankhaft. Ich habe mit Phil gesprochen. Er hat morgen in der Klinik Dienst und nimmt dich gleich mit, dann wirst du mal von oben bis unten durchgecheckt. Frau Gerlach habe ich auch schon gesagt, dass du morgen nicht zur Schule kommst." Ich nicke nur. „Okay." „Du siehst echt nicht gut aus. So blass." Ein Schulterzucken meinerseits. Papa seufzt, er hat seine bekannten Sorgenfalten auf der Stirn. „Möchtest du was essen?" Da stimme ich zu und gemeinsam kochen wir was. Auch wenn ich lieber schlafen würde.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)


7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Waar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu