103 - Was machst du in meinem Zimmer?

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„Schenk ich dir." Ich halte Phil eine Scheibe Brot mit Käse entgegen.
Er guckt mich vom Tisch aus komisch an. „Du musst selbst was essen."
„Ich habe aber noch keinen großartigen Hunger. Eine Scheibe habe ich ja schon gegessen. Komm, sonst schmeißen die das weg."
Er schiebt sich sein letztes eigenes Stück Brot zwischen die Zähne und nimmt mir meins dann ab. „Aber trink bitte noch was."
„Wird gemacht, Chef." Ich gieße mir leckeres Wasser ein und trinke Schluck für Schluck. Die Leute, die Wasser gern trinken, haben meinen Respekt.

„Na da hattest du aber schon großen Hunger", bemerkt Schwester Anna mit einem Blick auf mein leergefegtes Tablett, welches sie mit rausnimmt.
„Ja, hätte ich auch nicht gedacht", erwidere ich.
Phil sitzt noch immer am Tisch und schüttelt einfach nur den Kopf.
„Und du hast auch ordentlich gegessen, so muss das sein." Sie grinst Phil an und nimmt sein Tablett ebenfalls.
„Tja, wenn man schnell wieder nach Hause möchte, muss man ja essen." Phil blickt mich bedeutungsvoll an. Ja ja, mach ruhig.
„Sooo." Tabea desinfiziert sich ihre Hände und guckt sich kurz im Zimmer um. „Wie geht es denn meinen Patienten?"
Phil lacht. „Man fühlt sich wirklich wie ein Patient, wenn man auf dem Bett da schläft."
„Du kannst dich wenigstens an den Tisch setzen, also meckere mal nicht", gebe ich meinen Senf dazu.
„Ich habe mit keinem Wort gemeckert du kleine Zicke."
„Zicke? Ich habe doch gar nichts gesagt. Wie kommst du denn auf Zicke?"
„Wie ich sehe, geht es dir ja wieder gut", unterbricht Tabea uns und tritt an mein Bett. „Schmerzen?"
„Nö."
„Super. Dann gucke ich mir das mal an."
Sie schiebt mein Shirt hoch und löst das große Pflaster.

Alles schick. Und trotzdem muss ich noch für mindestens zwei Nächte bleiben. Die Freude muss mir ins Gesicht geschrieben sein.
„Du musst aber nicht durchgängig bei mir bleiben. Du kannst auch mal nach Hause gehen", stelle ich klar. Irgendwie habe ich ja schon ein schlechtes Gewissen, dass Phil wegen mir jetzt im Krankenhaus schläft.
Doch er zuckt nur mit den Schultern. „Und dann? Bin ich da allein."
Ist schöner als im Krankenhaus, aber ich sage jetzt mal nichts.

Phil und ich vertreiben uns den Vormittag mit einem Kartenspiel, bis Paula und Papa in Einsatzkleidung ins Zimmer kommen.
Phil begrüßt Paula freudig mit einem langen Kuss.
„Wie geht's dir?" Papa setzt sich auf die Bettkante.
Ich nicke. „Gut, eigentlich kann ich echt wieder nach Hause."
„Fine", sagt er warnend und zieht eine Augenbraue hoch.
„Was? Ich hätte ja euch und außerdem..."
„Nichts außerdem. Du kannst nicht immer mit uns verhandeln, vergiss es. Zwei Nächte noch mindestens, dann kann man reden."
„Pff, das kannst du so leicht sagen. Du musst ja nicht hier liegen."
Phil löst sich langsam mal von Paula und dreht sich zu uns. „Ist das mit mir hier wirklich so schrecklich?" Er macht einen leichten Schmollmund.
„Nee, ich bin ja wirklich froh, dich bei mir zu haben. Aber zu Hause ist einfach immer schöner."
„Ihr zwei meistert das schon irgendwie", kommt es zuversichtlich von Paula.

Auch Alex, Toni und Anni haben mir noch einen Besuch abgestattet. Von Langeweile kann man eigentlich nicht reden, aber diese Atmosphäre im Krankenhaus ist einfach nicht so meins.
Eine Sache die mich vielleicht daran stört, Phil durchgehend an meiner Seite zu haben? Er zwingt mich regelmäßig zum Trinken - und das nicht wenig.
Der Fakt, dass ich so oder so Probleme habe und haben werde, in einem Krankenhaus einzuschlafen - das Ereignis im Treppenhaus sei dank - reicht nicht. Dazu muss ja nun auch eine drückende Blase kommen, die mich jede Stunde aus dem Bett scheucht.
Nicht zu viel bewegen, um die Naht zu schonen? Ich kann ja schlecht zur Toilette schweben.

Zum dritten Mal werde ich in der Nacht wach, weil ich auf Toilette muss.
Mein automatischer Blick auf die Handyuhr zeigt mir viertel zwei an.
Phil schläft schon tief und fest, also habe ich nicht mal eine Unterhaltung.
Langsam kämpfe ich mich aus dem Bett, muss dennoch kurz durchatmen, als ich stehe, weil mein Kreislauf etwas überfordert ist. Diese Schmerzmittel machen mich fertig.
Bedacht torkele ich ins Bad, einerseits vor Müdigkeit, andererseits vom Schmerzmittel, wie erwähnt.

Auf dem Klo könnte ich glatt einschlafen.
Nur mit viel Disziplin schaffe ich es wieder zum Waschbecken. Im Spiegel schielt mir ein schlaftrunkenes Mädchen zurück, der eh schon unordentliche Dutt total zerzaust und die hälfte der Haare hängt in Strähnen aus dem Knoten.
Super hübsch. 
Das laufende Wasser scheint zu laut in meinen Ohren.
Doch dann vernehme ich neben dem Wasser noch ein anderes Geräusch. Es ist, als würden sich meine Sinne plötzlich schärfen, meine Müdigkeit ein Stückchen weichen.
Ich stelle das Wasser aus und lausche.
Also entweder spinne ich nun komplett, oder es ist wirklich die Tür aufgegangen.
Wollte eine Schwester nach mir gucken? Oder ist Phil aufgewacht? Aber der geht dann ja nicht raus.
Meine Knie werden weich, mein Herz beschleunigt sich. Das erinnert mich zu doll an diese eine Nacht.

Nahezu geräuschlos trockne ich meine Hände ab und stoße die Badezimmertür auf, die ich nicht ganz geschlossen hatte.
Mir rutscht mein Herz augenblicklich in die Hose. Ich erstarre.
„Was machst du in meinem Zimmer?" Ein noch recht junger Mann steht vor Phils Bett und hat sich zu mir umgedreht. Seine Stimme ist rau, vielleicht etwas verschlafen.
Mein Herz rast um sein Leben. Die Frage ist eher, was er in meinem Zimmer macht.
Wieso wird Phil davon nicht wach?
Ich erwidere nichts, gucke ihn nur voller Panik an. Nicht nur mein Herz rast, auch meine Gedanken purzeln zusammenhangslos umher.
Der Typ starrt zurück, ehe er langsam auf mich zukommt.

Bitte lass das ein Traum sein und mich gleich aufwachen.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)

7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Where stories live. Discover now