115 - Auffälliges Verhalten

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Die nächsten vier Wochen werden anstrengend, das weiß ich jetzt schon. Neben der Schule, in der die Lehrer nun alle auf einmal mit den ersten Tests beginnen müssen, haben Anni und ich in etwa vier Wochen einen Wettkampf. Und dafür nun noch mehr Training in der Woche.
Gerade ich muss durch meine vielen Pausen in letzter Zeit ziemlich anziehen, da ich ganz schön hinterherhänge. Klar, ich muss nicht am Wettkampf teilnehmen, doch ich möchte Anni nicht 'allein' lassen. Wir haben jedes Mal so viel Spaß dabei. Zumal mir total egal ist, welche Punktzahlen ich erreiche - mir geht es hauptsächlich um den Spaß.

In der Schule gebe ich den Zettel ab, der bestätigt, dass Alex mit zur Klassenfahrt kommt. Ich werde ziemlich schräg von den anderen angeguckt, weil ich mich darüber so freue.
Anni eilt mir nach vorn hinterher. „Mein Vater würde auch mitkommen, das hätte ich jetzt fast vergessen", sagt sie und überreicht Frau Gerlach ebenfalls den Zettel.
Überrascht gucke ich sie an. „Da wird sich Alex aber freuen", grinse ich.
Mit Annis Vater haben sich alle schon immer gut verstanden, weshalb es für Alex wahrscheinlich auch schön ist, einen Kumpel bei sich zu haben.

„So, heute steht mal Konzentration auf den Boden an, würde ich sagen", verkündet Larissa, unsere Trainerin.
„Und ich gehe mit der anderen Hälfte auf den Balken", ergänzt Marc, unser Trainer.
Hilfesuchend gucke ich zu Anni. Auf Balken habe ich heute nicht gerade Lust, jedoch habe ich da momentan wohl am meisten Bedarf. Balken ist nicht so mein Lieblingsgerät.
„Wir zwei würden am Boden bleiben", sagt Anni schnell, was so auch zur Kenntnis genommen wird.
Nachdem sich auch die restlichen gleichmäßig aufgeteilt haben, geht es los.

Wir wärmen uns mit einem Spiel als gesamte Gruppe auf, dehnen uns und fangen an.
Zu Beginn klappt alles auch ziemlich gut, bis sich wie aus dem Nichts eine Blockade in meinem Kopf festzusetzen scheint.
„Josefine, du hast heute nicht so den nötigen Druck in deinen Armen und Schultern, wenn du in den Flick Flack springst. Drück dich mehr raus, sonst fehlt dir gleich der Schwung für die Schraube."
Völlig außer Atem nicke ich. Der wenige Sport in letzter Zeit macht sich bemerkbar.
„Deine Verletzungen haben dich ziemlich lange ausgesetzt, was?", bemerkt Larissa schmunzelnd.
„Geht schon", winke ich ab und mache mich für die nächste Kombination bereit.
Rondat, Flick Flack, Salto rückwärts. Ganz leicht. Eigentlich.
Mein Rondat klappt, der Flick Flack ist verbesserungswürdig, doch bei dem Salto streikt mein Kopf. Ich will nach oben springen, meine Beine anziehen, mich drehen. Statt nach oben zu springen, springe ich eher nach hinten. Lande jedoch auf meinen Armen, ehe mein Rücken hart aufprallt und ich von den Federn unter dem Boden nochmals abgefedert werde. Hui, was war das denn? Mein Herz hämmert vor Schreck heftig gegen meine Brust.
„Alles gut bei dir?", ruft Anni mir von der anderen Seite zu.
Langsam rappele ich mich auf und mache eine kurze Bestandsaufnahme. „Ja, scheint alles gut zu sein."
Ich schüttele kurz meinen Kopf. Das kann ja noch heiter werden heute.

Das komplette Training ist ernüchternd. Nichts will wirklich klappen, ständig sagt mein Kopf nein, wenn ich nach hinten springen will. Auf Dauer nicht gut, gar nicht gut.

„Nächstes Mal wird es wieder besser", ermutigt Anni mich, als wir aus der Halle treten.
Die Luft hat sich bereits abgekühlt, die Sonne steht tief am Himmel. Wir hatten heute aber auch lange trainiert, irgendwie war bei allen der Wurm drin.
Ein frischer Wind weht uns in die erhitzten Gesichter und lässt mich kurz frösteln. Ganz schön kalt für den Sommer. Wobei der sich ja auch dem Ende zuneigt.
„Stell dir vor, du hast beim Wettkampf eine Blockade, gegen die du nichts machen kannst."
Anni schüttelt den Kopf. „Denk nicht daran. Du warst lange nicht mehr in der Halle, es ist normal, dass es zu Beginn etwas dauert, ehe du wieder richtig dabei bist. Außerdem ist uns das noch nie passiert."
„Die Betonung liegt auf noch. Einmal ist immer das erste Mal."
Anni stöhnt genervt auf. „Du brauchst eine ordentliche Dusche und Schlaf. Sonst wird das mit dir gar nichts mehr."

Wir verzichten auf den Bus, um noch mehr quatschen zu können. Unsere Wege trennen sich erst später, doch die kurze Strecke, die ich allein laufen muss, rase ich wieder wie verrückt nach Hause.
Ich höre Schritte hinter mir, drehe mich panisch um, doch da ist nichts. Meine Psyche geht mit mir durch.
Auch wenn meine Beine müde sind, einfach nur entlastet werden wollen, tragen sie mich immer schneller.

Völlig erschöpft komme ich am Haus an und schließe auf. Kurz nach neun, also müssten alle schon lange von der Arbeit sein.
Der Geruch nach angebranntem Essen steigt mir sofort in die Nase. Da hat es einer mit Röstaromen gut gemeint.
„Bin wieder da!", rufe ich ins Haus, um zu erfahren, wo die anderen stecken. Doch es kommen keine Antworten.
Heute scheint echt nicht mein Tag zu sein. Ein komisches Gefühl beschleicht mich, kriecht mir in alle Glieder. Als würde ich jeden Moment meine Familie bewusstlos auf dem Boden finden.
Ich schüttele mich kurz, um mir zu zeigen, wie absurd dieser Gedanke ist.
Zuerst gehe ich in die Küche - wohlgemerkt habe ich im Wohnzimmer keinen entdeckt.
Vor lauter Qualm kann ich gar nicht erkennen, um welches Essen es sich im Ofen handelt. Handeln sollte. Die ersten Wolken quetschen sich an die Freiheit.
„Was zur Hölle", murmele ich und stelle den Ofen aus.
Danach gehe ich zurück in den Flur. Schon im Wohnzimmer war Getrampel auf der Treppe zu hören.
Irritiert bleibe ich zwischen Wohnzimmer und Flur stehen. Paula und Phil ziehen sich in Windeseile ihre Schuhe an, schnappen sich Haus- und Autoschlüssel und verlassen hinter knallender Tür das Haus. Sie scheinen mich nicht mal wahrgenommen zu haben.
Was auch immer da vor sich geht, es kann nicht gut sein. Hat es was mit ihrem gestrigen Gespräch zu tun, worüber sie mir nichts sagen wollten?

Alex' Sicht

Franco haut wütend aufs Lenkrad. „Nee, wirklich nicht. Kein Bedarf", mault er, was mich grinsen lässt.
„Kumpel, du hast dir die Arbeit ausgesucht. Beschwer dich nicht."
„Komm. Wir hätten schon lange Schluss."
Ich seufze. „So ist das, wenn Kollegen ausfallen."
„Aber noch 'ne Rea? Ich bitte dich!" Franco drückt auf die Bremse, um sicher eine Kreuzung zu überqueren.
„So ist das. Dinge passieren, die wir irgendwie wieder ausbaden wollen."
„Da kann ich mich gleich vor 'ne Kugel schmeißen", brummt er.
„Franco! Was soll das? Du bist müde, wir hatten schon eine stressige Schicht, ja, aber es ist dein Job! Hör auf mit diesen Gedanken, du fährst uns sonst beide noch ins Verderben!"
Ich schüttele den Kopf. Warum wird er auch immer so ungemütlich, wenn er müde wird? Wie ein kleines Kind.
Plötzlich werde ich in den Sitz gedrückt, mein Gurt schneidet sich schmerzhaft in meinen Oberkörper. Was eine starke Leistung.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)

7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Where stories live. Discover now