43 - Angezogen von Missgeschicken

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Wie schon die letzten Tage des öfteren wache ich erst kurz vor knapp auf. Ein Blick auf die Uhr lässt mich aus dem Bett springen, ins Bad rennen und eine Katzenwäsche machen. Dabei noch probieren, so leise wie möglich zu sein, um Phil und Paula nicht zu wecken, die heute ausschlafen können.
Mein Glück ist, dass einer der Männer mir morgens schon immer Essen für die Schule macht, also muss ich das nur noch einpacken und kann los zur Schule. Nichts lieber als das.

Erst, als ich mich auf den Stuhl im Klassenraum fallen lasse, fällt mir ein, dass ich doch eigentlich die erste Pille hätte nehmen müssen. Und mit diesem Gedanken geht auch eine Nachricht von Papa ein.
Hast du die zwei Tabletten genommen, die ich dir in die Küche gelegt habe?
Da lagen Tabletten? Bei meinem Stress habe ich die wohl übersehen. Ich stöhne leise auf.
Nee, habe ich nicht. Da waren welche?
Eigentlich offensichtlich. Die sind wirklich wichtig. Warte.
Warte? Worauf soll ich denn jetzt warten?
„Mit wem schreibst du denn da?", kommt es plötzlich von rechts. Anni hat sich auf ihren Stuhl fallen lassen und mich mit ihrer Ansprache so erschrocken, dass ich zusammengezuckt bin und mein Handy fast fallengelassen hätte. Gerade so konnte ich es noch auffangen.
„Mit Papa." Ich lehne mich zur Seite gegen die Fensterbank.
Mit großen Augen und einem dicken Grinsen guckt sie mich an. „Und?"
„Was und?"
„Na wie wars gestern?" Sie wackelt mit ihren Augenbrauen.
„Wirklich schön. Wir haben uns mega gut verstanden, aber da ist nichts." Etwas genervt drehe ich meinen Kopf zur Seite und gucke aus dem Fenster, welches mir den Blick auf die Hauptstraße vor der Schule gibt. Mir ist gerade einfach nicht nach reden. Und der Fakt, dass wir jetzt Englisch haben, macht es auch nicht besser.
Es klingelt, unsere Lehrerin begrüßt uns, ein halb verständliches Brummen der Klasse kommt zurück. Mein Blick ist noch immer auf die Straße gerichtet. Anni weiß, dass das bei mir heißt, ich möchte nicht angesprochen werden.
Doch mein Blick bleibt nicht lang so ruhig und entspannt. Ab und an fahren hier ein paar Autos lang, doch dann kommt ein nicht ganz so normales Auto. Ich denke, dass das NEF einfach hier vorbeifahren wird. Aber nein, es parkt vor der Schule, praktisch direkt vor meinen Augen. Und dann steigt da auch noch Papa von der Fahrerseite aus. Ob hier was passiert ist? Aber dann wäre der Notarzt direkt rausgesprungen. Und sie wären eher mit Blaulicht gekommen.
Papa läuft mit schnelleren Schritten auf den Eingang der Schule zu, sodass ich ihn schnell nicht mehr sehen kann. Ich für meine Person versinke langsam in meinem Stuhl. Meinte er das mit warten?
„Was ist denn bei dir los?", raunt mir Anni zu.
„Aus irgendeinem Grund ist Papa hier."
„Oh, mh." Sie zuckt ratlos mit ihren Schultern.
Es dauert erstaunlich lang, bis es an unserer Tür klopft. Ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, dass er doch aus einem anderen Grund hier ist. Aber zu früh gefreut.
„Herein", sagt meine Lehrerin laut und wie es immer so ist, meine ganze Klasse guckt leise und gespannt zur Tür. Wer wird jetzt wohl kommen? Die Tür geht auf und, Überraschung, Papa steht im Klassenraum. „Was machen Sie hier? Hier ist nichts passiert", kommt es verwirrt von meiner Lehrerin. Ich bin inzwischen schon fast komplett von meinem Stuhl gerutscht.
„Entschuldigen Sie die Störung, aber ich bräuchte mal ganz schnell Josefine. Sie hat ihre...." Nein Papa, sag das jetzt nicht. „Ihre Hormone vergessen." Mit einem Ruck sitze ich wieder ordentlich im Stuhl, um zu bemerken, dass nun alle Blicke auf mir liegen. Mir schießt die Röte nur so ins Gesicht.
„Oh Papa", murmele ich peinlich berührt und stehe auf. Doch da kommt plötzlich auch noch Alex in den Raum gestürmt. „Du hast das hier vergessen." Er hält Papa eine Tablettenschachtel entgegen. Da kommt er nicht ernsthaft extra hierher und vergisst sie dann auch noch? Alex' Augen suchen und finden mich schnell. „Komm kurz mit einer Flasche raus."
Schweigend komme ich seiner Anweisung nach, unter 24 interessierten Augenpaaren, die mich angucken.

„Das hätte nun wirklich nicht sein müssen", beschwere ich mich, kaum dass die Tür zu ist.
Ich bekomme zwei strenge blicke zurück. „Doch, es musste sein", sagt Alex, während er eine Tablette aus dem Blister drückt. Von Papa bekomme ich eine komische Kapsel. Beides mustere ich in meiner Hand etwas argwöhnisch.
„Runter damit, wir können jeden Moment einen Einsatz bekommen", drängelt Papa.
Augen zu und durch. Mir fielen Tabletten noch nie wirklich leicht.
„Schön viel trinken", befiehlt Alex.
Als ich meine Flasche absetze, habe ich gut die halbe getrunken.
„Hast du die auch wirklich geschluckt?", hinterfragt Alex skeptisch.
„Nee, weißt du? Habe sie unter meine Zunge gelegt und spucke sie gleich aus."
Abwehrend hebt Alex seine Hände. „Alles schon erlebt."
Ich verabschiede mich noch von den beiden und betrete den Klassenraum wieder. Erneut unter neugierigen Blicken.

Schon auf dem Weg nach Hause stolpere ich öfter mal über meine eigenen Füße, kann mich aber immer wieder fangen. Das kann doch nur noch besser werden.
Zu Hause sitzen Paula und Phil im Garten. Ich begrüße sie knapp und verziehe mich dann in mein Zimmer, um bloß nichts anzurichten. Ich spüre förmlich die schlechte Energie, die von mir ausgeht. Okay, nein, aber wir wollen ja kein Risiko eingehen.
Nicht mal den Weg in mein Bett schaffe ich heute unbeschadet. Mein kleiner Zeh wird es mir nicht danken. Fluchend hüpfe ich auf einem Bein durch mein Zimmer. Der ist locker gebrochen.
In meinem Bett fällt mir dann auch noch mein Handy ins Gesicht. Aua.

Zum Abendbrot traue ich mich kaum runter. Da muss ich erst mal die Treppe ungeschadet passieren.
Was auch klappt, wie ich erstaunt feststelle.
Doch beim Essen beiße ich mir auf die Wange. Einmal auf die Wange gebissen, beißt man sich ständig auf diese. Als ich mich dann noch verschlucke und Phil mich nach meinem Gefühl gerade noch so vor einem Erstickunstod bewahrt, ist der Tag offiziell für mich gelaufen. Da hilft nur noch schlafen und auf morgen, hoffentlich einen besseren Tag warten. Zum Glück ist morgen Samstag.

Papa und Alex haben heute frei. Den Tag will ich mit einer schönen Dusche beginnen. Doch das Duschgel rutscht mir aus der Hand und fällt mir auf meinen gestern angestoßenen Zeh. Das war.... durchaus sehr schmerzhaft. Beim Aufheben stoße ich mir meinen Kopf volle Kanne am Regler für warm und kalt. Allein der Fakt, dass es an der Stirn wehtut, reicht nicht. Das Wasser wird plötzlich auch noch heiß. Irgendeiner muss die Spülmaschine angemacht haben, denn verstellt habe ich den Regler durch meinen Stoß tatsächlich nicht. Was ein toller Start in den Tag, da kann es doch nur besser werden.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)


7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Where stories live. Discover now