24 - Auf den Kopf gefallen

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Phils Sicht

Fines Blick schweift neugierig durch den Raum, während Paula die Übergabe macht. Als würde sie das alles hier zum ersten Mal sehen. „Okay, danke. Sehen werden wir sie heute zu Hause jedenfalls nicht mehr. Kommst du nach der Arbeit wieder?", frage ich noch kurz an Paula gewandt. Immerhin sind nur Birgit und Linda als Schwestern mit im Raum und Fine ist gerade nicht vital bedroht, da kann ich auch mal kurz ins Private gehen. „Wir sehen uns." Sie schenkt mir noch ihr besonderes Lächeln, welches ich so an ihr liebe, dann ist sie weg.

Erst jetzt werde ich von Fine richtig begrüßt. Mit einer netten Ladung Erbrochenem neben der Liege. „Lass alles raus, alles gut", rede ich beruhigend auf sie ein. Keiner mag es, wenn er sich übergibt, aber ich weiß, wie schrecklich Fine das findet. Sie hat regelrecht eine Phobie davor, würde ich fast behaupten.

„So Madame, weißt du, was passiert ist?", wende ich mich nun an Fine, nachdem anscheinend vorerst alles raus ist. „Oh, hey Phil. Was machst du denn hier?" „Ich bin dein behandelnder Arzt, ich arbeite hier. Kannst du dich an den Unfall erinnern?" „Ich hatte einen Unfall? Wo bin ich denn?" „In der Klinik am Südring." „Gut, ich dachte schon, ich wäre in einem fremden Krankenhaus", äußert sie erleichtert. „Aber nein, ich weiß nicht, was passiert ist. Was ist denn passiert?" „Wir werden nachher sehen, ob du dich erinnern kannst. Linda, kannst du bitte ein CCT anmelden?" „Ja, mache ich." „Gut Fine, ich würde gern nochmal deine Pupillen kontrollieren. Guck mir mal bitte auf die Nase." Zum Glück ist hier noch immer alles in Ordnung. Als nächstes frage ich sie ein paar routinemäßige Fragen, ehe ich sie mit Linda zum CCT schicken will. „Phil?" „Ich arbeite hier, ich bin dein behandelnder Arzt", kommt es schon automatisch von mir, habe ich die Frage doch nicht erst einmal beantwortet. „Mann Phil, ich weiß das doch, ich bin doch nicht blöd. Aber weißt du, wo ich bin?" Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, ist ja nicht so, dass sie mich vor zwei Minuten erst gefragt hat, was ich hier mache. Deswegen weiß sie das noch. Die Betonung liegt auf noch. „Du bist bei uns in der Klinik am Südring." „Puh, ich dachte schon, ich wäre in einem fremden Krankenhaus."

Die Untersuchungen ergeben alle keine Aufschlüsse auf innere Verletzungen. Also heißt es nun abwarten, bis Fines Bewusstsein wieder normal ist und sie sich vielleicht sogar wieder erinnern kann.

Josefines Sicht

Mein Kopf dröhnt. Was zum Geier ist passiert? Allein am Zimmer erkenne ich, dass ich in der Klinik am Südring liege. Aber wie ich hierher gekommen bin und weshalb überhaupt? Das ist eine äußerst gute Frage. In der Hoffnung, etwas gegen die Schmerzen bekommen zu können, drücke ich den Rufknopf. Neben den Schmerzen hängt mir auch eine ekelhafte Übelkeit im Körper. Ich muss nicht lange warten, bis die Tür aufgeht und Schwester Amelie im Zimmer steht. „Was ist passiert?" „Mein Kopf platzt gleich und mir ist extrem übel." „Ich hole mal Tabea. Und nimm die hier." Sie drückt mir eine Nierenschale in die Hand und verschwindet wieder. Doch kurz darauf kommt nicht nur Tabea zu mir, nein, auch Phil steht neben ihr.

„Phil, was machst du denn hier?", frage ich verwirrt. „Ich arbeite hier, ich bin dein behandelnder Arzt", kommt von ihm so heruntergeleiert, als hätte er diesen Satz schon etliche Male gesagt. „Ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen, ich weiß das. Aber was machst du hier auf der Kinderstation?" Phil fängt an zu lachen. „Weißt du nicht, was passiert ist?" „Nein? Aber.... Okay, vielleicht bin ich doch auf den Kopf gefallen, meinen Schmerzen zu urteilen." Tabea spritzt mir etwas in meinen Zugang und es dauert nicht lange, bis ich von diesen Schmerzen erlöst bin. Die Übelkeit ebbt auch allmählich ab, sodass ich die sauber gebliebene Nierenschale neben mich stellen kann. „Aber was ist jetzt passiert?" „Das sagen wir noch nicht, wir wollen erst noch gucken, ob du dich vielleicht von allein daran erinnern kannst. Was ist denn das Letzte, woran du dich erinnern kannst?", fragt Tabea. „Ähm, ich saß im Matheunterricht." „Gut, fehlt ein ganz schönes Stück. Aber egal, ich werde jetzt mal Franco Bescheid geben, dass er kommen kann", sagt sie noch zu Phil und verlässt dann wieder das Zimmer. „Du kannst dich auch nicht daran erinnern, dass du uns alle fünf Minuten die selben Fragen gestellt hast, oder?" Ich gucke Phil wie ein Auto an. „Nein, habe ich das etwa?" Er nickt und lacht leise. „In der Tat. Du warst heute so oft erleichtert, dass Franco nicht bei dir in der Schule war und du hier in der Klinik bist. Außerdem hast du ständig gefragt, was ich hier mache." „Habe ich niemals, das sagst du nur so." Er schüttelt den Kopf. „Nee, das hast du. Können dir mehrere Leute sagen."

„Weiß Papa schon von allem?" „Ja, weiß er. Mach dich auf eine gehörige Standpauke gefasst. Wir haben eigentlich alle ein Hühnchen mit dir zu rupfen." „Wieso das denn?", hinterfrage ich verwirrt. „Stimmt, du kannst dich ja nicht mehr erinnern. Na schön, auch wenn wir damit eigentlich warten wollten, sage ich dir jetzt einen Teil. Du hast am Sportunterricht teilgenommen, auch wenn du das eigentlich erst in vier Wochen wieder darfst." „Oh." Mehr kommt von mir nicht. Da werde ich mir wirklich gleich ordentlich etwas anhören dürfen, juhu.

Jetzt schlafen, das wäre schön. Noch einmal drehen, in die Decke kuscheln und - „Wie geht es dir?" Wow. Ich schrecke hoch und muss mich kurz orientieren. Papa steht neben meinem Bett, völlig durch den Wind. „Mh?" „Wie es dir geht." „Ach so, ja, den Umständen entsprechend ganz gut, schätze ich?" Nur extrem müde, könntest du mich bitte schlafen lassen? Aber das sage ich lieber nicht. „Gut, da bin ich froh." Versöhnlich und so gar nicht wütend lächelt er mich an. Ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, er ist doch nicht sauer auf mich. Pah, wie konnte ich nur. „Was fällt dir eigentlich ein? Josefine, du wusstest, dass du erst in vier Wochen wieder Sport machen darfst. Allein, dass du Sport gemacht hast, ist leichtsinnig. Aber dann mit einer Platzwunde am Kopf und extremem Schwindel auch noch zu verschwinden, damit es nicht auffliegt, dass du Sport gemacht hast? Wirklich, gerade du musst doch wissen, welche Folgen solche Unfälle mit sich ziehen können. Das war ja mal eine so schwachsinnige Idee von dir. Du hättest eine Hirnblutung oder sonst was haben können." Josefine, so nennt er mich nur, wenn er wirklich sauer auf mich ist. Ich weiß echt nicht, was ich da jetzt antworten soll. Mich entschuldigen? Schließlich entscheide ich mich für ein einfaches Kopfnicken. „Zum Glück ist deine Nase jetzt nicht komplett hin. Mann, wir haben uns alle doch einfach Sorgen gemacht." Er fährt sich einmal durchs Gesicht, setzt sich dann aufs Bett und zieht mich in eine feste Umarmung. Doch ich merke an seiner Art, wie er mich umarmt, dass er mit sich ringt. „Ich wollte dich jetzt eigentlich nicht so anfahren, aber...." „Schon gut, Papa. Ich habe es ja verdient." „Ja, das hast du in der Tat schon", erwidert er leicht lachend. „Mit dir hat man es echt nicht immer leicht, vor allem nicht in letzter Zeit. Und wenn wir Alex' Prognose mal Glauben schenken wollen, geht das noch ein paar Jährchen so." Na super, jetzt fängt er auch noch mit dem Spiegel an.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)



7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt