120 - Mysteriöser Schrecken der HNO

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Birgit und ich wechseln einen Blick.
„Ist irgendwas auf der HNO vorgefallen?", tastet sich Birgit an eine Antwort auf Alex' äußerst merkwürdige Reaktion.
„Nein... Aber..." Er sucht nach den richtigen Worten. Doch dann seufzt er, anscheinend fällt ihm keine plausible Ausrede ein.
„Komm, wir gehen dann mal." Alex wendet sich ab und geht Richtung Aufzug.
Ich gucke ihm kurz verdattert hinterher. Was ein komischer Typ.

Auf Station werde ich gleich in ein Behandlungszimmer geschickt, worüber Alex irgendwie erleichtert scheint.
„Hast du hier mit irgendwelchen Leuten Stress? Du bist so angespannt und hast ja eine regelrechte Abneigung gegen diese Station", spreche ich das Thema an.
Er zieht seine Augenbrauen zusammen. „Nee. Ich arbeite hier ja kaum in der Klinik, schon gar nicht auf der HNO."
„Aha. Was ist dann los?", forsche ich weiter, doch Alex macht dicht und lenkt ab.
„Wie sieht es mit deinen Schmerzen aus?"
„Sie kommen immer mehr zurück", muss ich leider zugeben.
"Okay, bekommst gleich nochmal was dagegen. Und dann wahrscheinlich Antibiotika für eine Woche."

Wir beide hängen schweigend in unseren Gedanken, bis die Tür aufgeht. Sofort spannt sich Alex an, doch als er den Arzt und Schwester Anna sieht, entspannt er sich wieder.
Was um alles in der Welt?
„Guten Tag, Doktor Peters mein Name." Der ältere Doktor, den ich noch nie zuvor gesehen habe, schüttelt zuerst Alex, dann mir die Hand. „Was führt dich denn zu uns?"
Anna nickt uns nur lächelnd zu.
Ich erkläre kurz und knapp meine Beschwerden, dann guckt Doktor Peters mir schnell ins Ohr und kann sofort seine Diagnose stellen.
„Eine äußerst schmerzhafte Mittelohrentzündung. Es kann sein, dass das Trommelfell reißen wird und dann Eiter abläuft, aber das ist... Nun ja, normal. Passiert."
Ich verziehe mein Gesicht. Das will ich nun nicht unbedingt. Und überhaupt - irgendwie ist mir die Ausdrucksweise des Arztes sehr befremdlich.
Alex verzieht keine Miene - er guckt nur nervös in der Gegend herum. Diesen Typen muss ich wohl noch etwas mehr bearbeiten.
Herr Peters kritzelt mir schnell ein Rezept, welches er Alex in die Hand drückt.
Und eben dieser ergreift sofort die Flucht. „Komm Fine, das gehen wir jetzt holen", sagt er unnötigerweise und hat schon die Türklinke in der Hand.
Verwirrt springe ich von der Liege, Alex hat schon einen Schritt aus dem Raum gemacht. Doch kaum stehe ich auf dem Boden, macht Alex einen großen Schritt zurück und lässt die Tür praktisch zuknallen. Sein Gesicht nimmt eine komische Farbe an.
„Hast du einen Geist gesehen?" Ich lache auf.
Er ignoriert mich eiskalt. „Mittelohrentzündung haben Sie gesagt? Da hätte ich doch noch ein paar Fragen. Wie nimmt man denn das Antibiotikum ein? Und wann kann man mit Besserung rechnen?"
Wow. Das sind die unnötigsten Fragen, die ich jemals von ihm gehört habe. Ich meine - er ist selbst Arzt.
Auch Herr Peters guckt ihn etwas überrumpelt an. „Das können Sie eigentlich in der Packungsbeilage alles lesen. Und es wird sich schnell bessern."
„Sie sind doch Arzt, da müssen Sie ja auf die Fragen der Patienten ordentlich eingehen", hackt Alex weiter darauf herum.
Bitte was?
Auch Schwester Anna, die uns ja nicht unbekannt ist, meldet sich nun zu Wort. „Du, Alex, geht es dir gut? Du bist doch der Letzte, der das fragen muss. Oder sollte man jetzt Angst haben, dich auf Patienten loszulassen? Hast du alles vergessen?"
„Ich will doch nur meine Fragen beantwortet haben", meckert er gereizt.
Ich stöhne genervt auf und gehe nun selbst zur Tür. „Einen schönen Tag noch", werfe ich in den Raum, drücke die Klinke runter und trete auf den leergefegten Gang.
Alex ruft noch ein erschrockenes „Nein!", aber das ignoriere ich. Stattdessen drehe ich mich um und gucke ihn mit schiefem Kopf an. „Hast du es dann bald und kommst? Wäre ziemlich toll, mir geht es nämlich sehr bescheiden."
Schon fast ängstlich guckt sich Alex auf dem Gang um, kann jedoch, oh Wunder, keinen entdecken. „Na dann, auf zum Auto", sagt er überschwänglich und läuft los.
Ähm... Okay?

Vorher wusste ich nicht, dass Alex so hartnäckig einem Thema ausweichen kann. Irgendwann kommt er sogar auf das Wetter zu sprechen. Jedoch habe ich darauf keine Lust mehr, verarschen kann ich mich wirklich selber.

Zu Hause verziehe ich mich in mein Zimmer und denke angestrengt darüber nach, was Alex haben könnte. Wobei vielleicht nicht nur Alex ein Problem hat, immerhin haben die anderen auch mehr als komisch auf meine Nachfrage neulich reagiert.
Irgendwie rechne ich jedoch nicht damit, dass ich ganz bald die Erklärung dazu bekomme.
Diese Grübelei wird sehr bald von dem quälenden Gedanken abgelöst, dass ich heute nicht dabei sein kann, wenn Papa aufwacht. Das Ansteckungsrisiko ist zu hoch für ihn. Da muss ich wohl oder übel warten.

******

Meine Mittelohrentzündung verbessert sich durch das Antibiotikum sehr schnell. Auch meine Erkältung klingt zügig ab, sodass ich Papa wieder besuchen kann.
Vor dem ersten Besuch bin ich irgendwie ziemlich aufgeregt, immerhin habe ich ihn das letzte Mal an etlichen Geräten auf der Intensivstation gesehen. Jetzt wurde er schon auf die Normalstation verlegt und es geht ihm wieder ganz gut, dennoch muss er noch eine Weile in der Klinik bleiben.

An einem Samstagmorgen fahre ich mit Phil das erste Mal nach meiner Erkältung zur Klinik.
Und was ich erschreckend feststellen muss: auch er verhält sich ziemlich angespannt, sobald wir das Gebäude betreten.
„Habt ihr alle irgendwo 'ne Schraube locker? Wieso wird erst Alex und jetzt auch noch du so komisch, wenn ihr mit mir in der Klinik seid? Wollen wir zufällig auf der HNO vorbeischauen?"
„Nein", entfährt es Phil, bevor er überhaupt merken kann, wie er gerade reagiert hat. „Also ich meine wieso sollten wir?", schiebt er schnell hinterher.
„HNO - eine Station des Schreckens oder was?", schnaube ich genervt.
„Franco freut sich schon, dich zu sehen", lenkt er auf andere Dinge.
Schön, wenn er nicht will. „Wäre ja auch irgendwie komisch, wenn es nicht so ist, oder?", bemerke ich und drücke den Knopf zur richtigen Station. Quietschend schließt sich die Tür, ehe sich der Fahrstuhl ruckelnd in Bewegung setzt.
Vielleicht sollte ich einfach mal auf eigene Faust zur HNO gehen - kann ja sein, dass ich dann auf den Schrecken treffe, dem die anderen dort anscheinend begegnet sind.

Ich fühle mich augenblicklich so leicht ums Herz, als ich Papa grinsend im Bett liegen sehe.
„Dir geht's wieder gut?" Mit dieser Frage begrüßt er mich.
Und dann soll er noch einmal sagen, dass er als Vater versagt hat. Der, dem seine Gesundheit völlig egal ist, solange eines seiner Kinder eine banale Erkältung hat.
„Wenn es dir besser geht, dann geht es mir auch wieder gut", kontere ich und umarme ihn vorsichtig.
„Ich könnte schon längst wieder draußen sein, wenn es nach mir ginge", lacht er und winkt ab.
„Könntest du nicht, dem bist du dir bewusst", brummt der Arzt in Phil.
„Sorry Herr Doktor, natürlich nicht. Das wäre pure Unvernunft."
Ja, Papa geht es besser, eindeutig.

Am Abend hat es einiges an Überzeugungsarbeit gebraucht, Alex, Paula und Phil für die Teilnahme am Wettkampf zu überreden.
Laut ihnen muss ich mich noch etwas zurückhalten, was sportliche Betätigung angeht. Dabei fühle ich mich super und nicht eingeschränkt, es spricht eigentlich nichts dagegen. Zumal ich noch eine knappe Woche habe. In der ich jedoch nochmal ordentlich trainieren muss. Wahrscheinlich sehen sie vor allem darin das Problem.

Klar, es gibt vielleicht vorteilhaftere Dinge, aber was soll schon groß passieren? Vielleicht habe ich weniger Kraft und Ausdauer, dann schalte ich eben einen Gang zurück. Es kommt mir ja nicht auf die Platzierung an.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)

7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Where stories live. Discover now