track 7

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Disc 3
Track 7 - Strong
» my heart, your heart sit tight like book ends «
HARRY
im dritten Jahr nach der Trennung von One Direction


PARIS

Ich drehte das Informationsschreiben auf die Rückseite, ohne es überhaupt erst durchgelesen zu haben. Abgesehen davon, dass ich ohnehin keine Zeit für irgendwelche Touristenattraktionen hatte, fühlte ich mich auch gar nicht in der Fassung dazu. Ich war müde und meine Lider drohten, jeden Moment zuzufallen. Nicht einmal der Ausblick auf den Eiffelturm konnte daran etwas ändern.

Seufzend ließ ich mich auf das übergroße Bett hinter mir fallen. Ich machte mir nicht einmal die Mühe, mir den Pullover oder meine Schuhe auszuziehen. Alles, was ich wollte, war einfach nur dazuliegen, meine Füße runterbaumeln und meinen Kopf zwischen die weichen Laken sinken lassen.

Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Das taten sie immer, nur, dass sie sich dieses Mal um niemand anderen als mich drehten. Darum, wie mir mein Leben manchmal derart surreal erschien, dass ich bezweifelte, dass auch nur irgendetwas davon tatsächlich existierte. Dass all das womöglich nur eine Illusion war und ich, egal, was ich tat, in ihren Bann gezogen wurde. 

Allmählich spürte ich, wie meine Augenlider schwerer wurden. Ich kämpfte nicht dagegen an. Ich musste wirklich etwas Schlaf nachholen. Allein innerhalb dieser Woche würde ich in fünf verschiedenen Ländern auftreten. Und ganz vielleicht war Schlaf das Einzige, was mich von meinem Gedankenkarussell wegbringen konnte.

Als ich aufwachte, stand die Sonne hoch am Himmel und blendete mich von allen Seiten. Ich verzog das Gesicht und schirmte es mit einer Hand ab. Beiläufig kramte ich mein Telefon aus der Vordertasche meines Pullovers. Es war kurz nach Mittag und somit höchste Zeit, aufzustehen und in die Arena zu fahren.

Obwohl ich nicht viel geschlafen hatte, fühlte ich mich erstaunlich wach. Ich fischte ein paar frische Klamotten aus meinem Koffer und warf stattdessen meine verschwitzten hinein. Danach ging ich direkt ins Bad, drehte die Leitung auf und ließ das Wasser über mein Gesicht fließen. Nebenbei nahm ich eine der beiden Zahnbürsten aus dem Beistellkörbchen.

Nur wenige Minuten später fand ich mich vor dem Hinterausgang wieder. Ein paar Sicherheitsleute drückten mich grob vor sich hin und versuchten, die Paparazzis hinter dem Absperrgitter so gut wie möglich abzuwimmeln. Die Auslöser knipsten, das Blitzlicht leuchtete auf. Immer wieder riefen sie meinen Namen und streckten ihre Kameras in meine Richtung. Ich schenkte ihnen lediglich ein flüchtiges Lächeln.

Ich atmete tief aus, als wir uns schließlich bis zum Taxi durchgekämpft hatten. Es war schwarz und die Scheiben waren verdunkelt. Einer der Sicherheitsmänner legte seine kräftige Hand auf den Griff der Hintertür und schob diese mit einem Ruck auf. Kurzerhand drehte ich mich zu ihm um und wollte mich bei ihm bedanken, aber er schüttelte nur den Kopf und drängte, dass ich mich doch endlich in den Wagen setzen sollte.

Also tat ich das. Ich ließ mich auf die Rückbank fallen und senkte den Kopf in meine Halsbeuge. Obwohl die Fenster allesamt hochgekurbelt waren, konnte ich die Paparazzis noch immer nach mir rufen hören. Einige von ihnen schafften es sogar, sich durch das Sicherheitspersonal hindurchzukämpfen, woraufhin sie mit den Handflächen an mein Fenster zu schlagen begannen. Reflexartig rutschte ich ein wenig auf die andere Seite der Bank.

Das Taxi fuhr erst dann los, nachdem die Sicherheitskräfte sich daran gemacht hatten, die Paparazzis wieder von den Fensterscheiben wegzuzerren. Ihre Finger hinterließen dabei schmierige Fingerabdrücke. Ich drehte meinen Kopf auf die andere Seite, schließlich war dort das Fenster sauber.

Wir bewegten uns im Schrittempo durch die Innenstadt. Vorbei an hohen Altbauten und gestressten Franzosen, die den Boulevard entlanghetzten. Diese Stadt schien noch wirrer zu sein als London, weswegen es mich nur wenig verwunderte, als wir nach ein paar Minuten Fahrt in einen Stau gerieten. Der Taxilenker bremste sachte ab und ich sank dadurch etwas weiter in den Lederbezug.

Ich beobachtete, wie die Zeit an mir vorbeizog. Wie die Passanten von einem Geschäft zum nächsten eilten und die Fahrer um uns herum genervt die Handflächen auf ihre Lenkräder schlugen. Immer wieder zückte ich mein Handy, um nachzusehen, wie spät es war und begann letzten Endes, wie allzu oft die Nummer meines Managers zu wählen. Anders als sonst war es diesmal ich, der ihn aufgrund einer Verspätung anrief.

„Hey, Harry. Was gibt's?", begrüßte er mich, doch ich schnitt ihm das Wort. „Dreimal kannst du raten: Wir stecken im Stau. Wie immer halt", fuhr ich ihn geradewegs an, lehnte mich zum Fenster und ließ meinen Blick über das Verkehrschaos gleiten. Vor uns standen jedoch derart viele Autos, dass ich nicht einmal grob abschätzen konnte, wo der Stau denn begann. „Ach, verdammt nochmal", fluchte ich kaum hörbar und räusperte mich daraufhin in meine Faust. „Ich kann dir nicht sagen, wie lange wir noch brauchen werden. Der Verkehr ist der Wahnsinn. Es ist unmöglich, dass wir es rechtzeitig schaffen werden." Ich hörte ihn genervt aufseufzen. „Nun ja, gut ... Ich denke, es bleibt uns nicht viel anderes übrig, als die Show ein wenig hinauszuzögern. Schlussendlich wartet hier jeder nur noch auf dich", sagte er dann.

Bevor er auflegte, meinte er, ich solle mich in der Zwischenzeit zurücklehnen und etwas entspannen. Dass am Ende alles gut und die Show großartig sein würde. Aber so sehr ich auch versuchte, mich davon zu überzeugen, es gelang mir nicht. Das Adrenalin schoss durch meine Adern, meine Finger trommelten in meinen Hosentaschen. Ich hasste es, wenn ich die Fans enttäuschen musste, und ich hatte das Gefühl, dass ich genau das soeben machte. Der bloße Gedanke daran ließ mich übel werden.

Eine Weile später erreichten wir schließlich die Arena. Ich atmete erleichtert auf und rutschte in Richtung der Tür, die in diesem Augenblick von einem Sicherheitsmann aufgeschoben wurde. Ich drückte mich aus dem Wagen. Obwohl weder Fans noch Fotografen in der Nähe waren, legte der Sicherheitsmann eine Hand auf meine Schulter und die andere auf meinen Oberkörper, während er mich durch eine Schleuse in den Backstagebereich schob.

Die Sicherheitsvorkehrungen, das Jetlag und die langen Fahrten - allesamt waren sie einfach nur anstrengend. Das waren sie schon immer gewesen und sie würden es auch für immer sein. Aber für mich war es das Mindeste, das ich tun konnte - denn als sich die Türen hinter uns schlossen, hörte ich die Stimmen der Menge, die draußen bereits wartete, um später in die ersten Reihen des Konzerts stehen zu können. Ich hörte, wie sie meine Lieder sangen, wie sie lachten und einfach glücklich zu sein schienen. Die einen waren dabei lauter als die anderen und insgesamt erfüllten sie die Luft mit unglaublich viel Liebe. Und ich liebte das. Ich liebte sie. Ich liebte sie mit jedem Herzschlag, aber insbesondere in Momenten wie diesen, wenn ich ihnen so nahe kam. Obwohl ich wusste, dass ich sie nicht sehen konnte, schaute dennoch ich über meine Schulter zurück. Geradewegs durch den Spalt der Schleuse.

Nichts liebte ich an meinem Leben mehr.

half blue skies | 𝐨𝐧𝐞 𝐝𝐢𝐫𝐞𝐜𝐭𝐢𝐨𝐧Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt