track 8

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Disc 1
Track 8 - Taken
» now that I'm with somebody else you tell me you love me«
LOUIS
im ersten Jahr nach der Trennung von One Direction

An den Wochenenden übernachtete Ava bei mir. Immer, wenn sie da war, färbten sich meine weißen vier Wände bunt, Jurabücher stapelten sich in allen Ecken und es roch nach Pfannkuchen mit Himbeermarmelade. Auch wenn wir bereits seit mehreren Wochen zusammen waren, hatte ich es immer noch nicht ganz realisiert. Unsere Beziehung glich einem Sprung ins kalte Wasser, doch selten hatte sich eine Entscheidung so richtig angefühlt.

Ava lag mit angewinkelten Beinen auf der Couch und spielte auf meinem Nintendo 3DS Mario Kart. Nebenbei checkte sie gelegentlich ihr Handy oder tauchte eine Erdbeere in die Schale voller Kristallzucker. Ich mochte es, wie sie einfach so da lag, in meinen zu großen Klamotten und mit frisch abgeduschtem Haar.

Draußen war es mittlerweile dunkel geworden, die Lichter gingen der Reihe nach aus. Das Wetter ließ mich ausmalen, wie ich mit Ava durch den Schneeregen tanzen und wir uns in irgendeiner Seitengasse mit einer Tasse Glühwein die Bäuche wärmen würden. Alles könnte so einfach sein, hätte ich mich damals für einen anderen Job entschieden. Denn während andere Pärchen händchenhaltend durch die Stadt spazierten, trafen wir uns immer nur heimlich und nach Sonnenuntergang.

Ich nippte von meinem Schwarztee. Er schmeckte zwar nicht annähernd so gut wie Glühwein, erfüllte jedoch seinen Zweck. Grob rührte ich ihn mit dem Löffel um, ehe ich von der Küche ins Wohnzimmer ging und mich neben Ava auf die Couchlehne setzte. „Na, wie geht's?", fragte ich sie, woraufhin sie kurz zu mir aufsah, sich aber direkt wieder in ihr Spiel vertiefte. „Ich bin so schlecht", lachte sie. Ich schielte auf den Bildschirm. Sie lag chancenlos auf dem zwölften Platz und rutschte darüber hinaus gerade auf einer Bananenschale aus. „Komm, gib mal her", meinte ich und tauschte mit ihr meine Tasse Tee gegen die Konsole. Seufzend richtete sich Ava auf. Sie tunkte die nächste Erdbeere in den Kristallzucker, bei jedem Bissen tropfte etwas Wasser über ihre Labellolippen.

Während ich für Ava ein paar Plätze aufholte, aktualisierte sie ihre Timeline auf Instagram. Sofort schienen Bilder von mir auf und bei einigen hinterließ Ava auch Herzchen und Kommentare. Ich hatte kein Problem damit, dass sie auf ihrer Fanpage weiterhin aktiv war. Vielleicht kam uns gerade das auch zum Vorteil, denn solange sie ihre Abonnenten mit kitschig bearbeiteten Videos und belanglosen Stories fütterte, würde wohl niemand so schnell auf die Idee kommen, dass sie gerade neben mir lag.

Ich konnte die Ziellinie bereits sehen, als plötzlich mein Handy in meiner Hosentasche vibrierte. Augenblicklich sah Ava von ihrem Smartphone zu mir. Ich erwiderte ihren Blick, der auch noch dann auf mir lag, nachdem ich den Nintendo beiseitegelegt und stattdessen mein Handy hervorgeholt hatte. Obwohl ich den Absender der Nachricht nicht eingespeichert hatte, wusste ich sofort, wer sich hinter der Handynummer verbarg.

Hey, ich habe schon lange nichts mehr von dir gehört. Wie geht es dir? Alles okay?

Kopfschüttelnd verdrehte ich die Augen. „Was ist los, Lou?", kam es daraufhin von Ava. Sie rückte etwas näher an mich heran, beugte sich über meine Schulter und sah in meinen Chatverlauf. „Wer ist das?", fragte sie verunsichert weiter. Mir war klar, dass es keinen Sinn hatte, die Sache schönzureden oder zu tabuisieren. Ich rutschte von der Lehne. „Eleanor."

Gedankenverloren ging ich den Raum so lange auf und ab, bis ich schließlich vor dem großen Küchenfenster zum Stehen kam. In meinem Kopf umkreiste ein Gedanke den nächsten. Nach einer Weile stand auch Ava auf und folgte mir, hielt jedoch einige Meter Abstand. „Warum zur Hölle schreibt sie dir jetzt?" Sie verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust. Natürlich wusste sie, wer Eleanor war, auch wenn ich Ava noch nie wirklich von ihr erzählt hatte. „Wenn ich das selbst wusste", erwiderte ich, aber Ava gab sich mit meiner Antwort nicht zufrieden. Ich konnte es ihr nicht verübeln, an ihrer Stelle hätte ich das vermutlich auch nicht getan.

Ich drehte mich zu ihr um, „hast du irgendwo etwas über uns beide gepostet? Auf Instagram? Snapchat? Oder vielleicht irgendjemandem davon erzählt?" Mit geweiteten Augen deutete Ava auf sich selbst. „Ich?" Ich nickte, sie schüttelte den Kopf. „Nein, hab' ich nicht. Du hast mir doch von Anfang an klar gemacht, wie wichtig dir das ist, dass wir die Beziehung vorerst für uns behalten und ich habe mich daran gehalten. Du kannst gerne überall nachsehen, du wirst nirgendwo etwas finden, das auch nur annähernd auf dich und mich schließen lässt." Ihre Stimme brach gen Ende des Satzes ab. Ich ging ein wenig auf sie zu, um sie in den Arm zu nehmen und ihr zu versichern, dass alles gut war, aber sie wich mir aus. „Hast du dich jemals von irgendjemandem beobachtet gefühlt?", hakte ich weiter nach. Ava wollte gerade etwas antworten, da ging eine zweite Nachricht auf meinem Handy ein. Aufgebracht löste sie ihre Arme von ihrem Oberkörper und fuhr sich durch die Haare, wodurch ihr Haargummi lose wurde und zu Boden fiel.

Ich hob ihn auf und hielt ihn ihr hin, doch sie drehte sich einfach von mir weg.

„Komm schon, du denkst gerade einfach nur viel zu viel nach!", rief ich ihr hinterher, während sie zur Garderobe ging. Von ihr kam keinerlei Reaktion. „Entweder hat sie Wind von unserer Beziehung bekommen oder sie hat schlicht und ergreifend an mich gedacht und will nur ein wenig smalltalken. Schließlich waren wir auch über vier Jahre zusammen. Ich weiß nicht, was du für Scheiße über Eleanor gehört hast, aber sie hätte niemals irgendwelche bösen Absichten." Anstatt etwas zu sagen, langte Ava nach einem der Kleiderbügel, um ihre Bomberjacke herunterzuziehen. Reflexartig grub ich meine Finger in den Stoff.

„Sag mal, hörst du dir eigentlich selbst zu? Du verteidigst sie ja sogar schon", wetterte sie und riss die Jacke aus meinem Griff. Ihre braunen Augen glänzten und ihr Kiefer zitterte leicht. In meinen Gedanken ließ ich meine Worte noch einmal Revue passieren. „Ich verteidige sie nicht. Aber du kannst nicht über jemanden urteilen, den du gar nicht kennst, Ava", versuchte ich, es ihr etwas ruhiger zu erklären.

Sie schlüpfte durch die Ärmel. „Geh nicht", bat ich sie. Ich wusste, dass sie wiederkommen würde, doch der Gedanke daran, wie sie nachts und mit einem gebrochenen Herzen durch die Straßen zog, hinterließ einen bitteren Beigeschmack. „Ich muss jetzt erstmal meine Gedanken sammeln. Wenn ich zurück bin, bist du mir eine Erklärung schuldig, ja?" Man merkte ihr an, wie sehr sie sich bemühte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Ich gab schließlich nach, denn immerhin war die Lage schon angespannt genug. „Und du pass' bitte einfach auf dich auf, okay?", flüsterte ich ihr zu. Doch Ava hörte mich schon gar nicht mehr. Ihre Kopfhörer waren dafür viel zu laut.

half blue skies | 𝐨𝐧𝐞 𝐝𝐢𝐫𝐞𝐜𝐭𝐢𝐨𝐧Where stories live. Discover now