track 11

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Disc 1
Track 11 - Same Mistakes
» maybe if we face up to this we can make it through this «
HARRY
im ersten Jahr nach der Trennung von One Direction

Kraftlos stocherte in dem Bohengemisch herum. Meine Lider waren schwer, meine Nase war verstopft. Vermutlich hatte ich mir eine Erklärung eingefangen oder eine Allergie gegen Pollen entwickelt. Ich nahm mir vor, später zu einem Arzt zu gehen. Oder zumindest zu einer Apotheke. Am wahrscheinlichsten jedoch war es, dass ich am Ende des Tages krank in meinem Bett liegen und nach Hausmitteln googeln würde.

„Hier, bittesehr." Estelle stellte den Tee neben meinem Teller ab. Lächelnd sah ich zu ihr auf und ließ meine Gabel sinken. Vorsichtig berührte ich die Tasse mit den Fingerspitzen, zog meine Hand allerdings sofort wieder zurück, denn der Tee war noch glühend heiß. Ich versuchte, mir so wenig wie möglich von den Schmerzen anmerken zu lassen. „Du bist wirklich der einzige Mensch, den ich kenne, der zu so einem Frühstück freiwillig Früchtetee trinkt", lachte Estelle währenddessen, schob den mir gegenüberliegenden Stuhl zurück und setzte sich.

Wir beide waren die Einzigen im Speisesaal. Die offizielle Frühstückszeit war schon längst vorbei, doch ich hatte irgendeinen Vorwand gebraucht, um mit Estelle ins Gespräch zu kommen. Also hatte ich sie danach gefragt, ob in der Küche nicht zufällig Reste übrig waren.

„Was hat dich eigentlich ausgerechnet hierher geführt? Neben den ganzen Cafés und Bäckereien", fragte sie. Ich zögerte. Zum einen war ich zwar wahnsinnig erleichtert, dass sie sich noch an mich erinnern konnte, zum anderen fiel mir spontan keine glaubhafte Ausrede ein. Die Bilder von ihr und ihrem Freund rotierten dafür zu stark in meinem Kopf. Das taten sie schon seit sechs Wochen. „Was für eine nette Begrüßung", lachte ich daher und schob indessen die Tasse ein paar Zentimeter von mir weg. Ich sah auf in Estelles Augen, die mit blauen Ringen unterlaufen waren und auf ihre Haare, die ihr heute noch tiefer ins Gesicht hingen als damals, als sie in exakt diesem Raum mit den Sternen um die Wette getanzt hatte. „Ich habe ein Geschäftstreffen in der Gegend und wollte nicht mit leerem Magen kommen. Ich habe dir ja erzählt, dass ich in der Nähe arbeite."

Ich konnte nicht sagen, woran es lag, dass Estelle heute ganz anders wirkte wie damals im im Taxi. Sie hatte diese unglaublich positive Energie gehabt, gelacht und mich in ihrer Wolke aus Charme eingelullt, ohne es überhaupt beabsichtigt zu haben. Nun hingegen wirkte sie lasch, ein klein wenig abwesend und von zahlreichen schlaflosen Nächten gequält. Sie sah noch kaputter aus als ich mich fühlte.

Kopfschüttelnd rieb sie sich mit einer Hand über ihre Schläfe. „Du willst mir also erzählen, dass du einfach mal so in einem Hotel frühstücken wolltest - um elf Uhr morgens und das, obwohl dein Tag angeblich komplett durchgeplant ist?" Ihre Stimme klang sanft, aber wir schienen wohl beide nicht sonderlich an Zufälle zu glauben. „Na gut, ich geb's ja zu - vielleicht habe ich auf einen kleinen Freundschaftspreis spekuliert", versuchte ich mich herauszureden. Doch direkt, nachdem ich diesen Satz gesagt hatte, wurde mir klar, was für einen Quatsch ich da eben von mir gegeben hatte.

Estelle seufzte und wandte sich kurz von mir ab. „Wow. Dir geht es also um das Taxigeld? Hör zu, ich hab' dir damals gesagt, dass ich gerne für mich selber zahlen kann, aber du hast ja darauf bestanden, mich einzuladen. Und dass du jetzt Monate später hier auftauchst, um dich bei mir durchzuschnorren, finde ich mehr als frech. Vielleicht solltest du damit aufhören, dein Geld für Frauen auszugeben und damit beginnen, dich ein bisschen mehr auf dein eigenes Leben zu konzentrieren", beschuldigte sie mich und sah mich verständnislos an. Ich beugte mich über die Tischplatte zu ihr, wobei ich beinahe meinen Tee umstieß. „Nein, so war das nicht gemeint." Schweigend nickte sie vor sich hin. „Wie soll es denn bitte sonst gemeint sein?"

Ich nahm einen tiefen Atemzug. „Du hast recht, Estelle. Ich bin nicht einfach mal wegen einem Frühstück hier. Und noch weniger wegen irgendeinem Freundschaftspreis." Die Anspannung glitt ihr allmählich aus dem Gesicht, dennoch schien sie immer noch nicht ganz zu wissen, was sie von der Situation halten sollte. Es folgten Sekunden der Stille. „Woher weißt du, wie ich heiße?", hakte sie schließlich skeptisch nach. So wie es aussah, war sie noch nicht oft bei Starbucks gewesen.

Verunsichert entwich ich ihrem Blickkontakt, denn mit jedem Wort entwickelte sich unser Gespräch in eine noch unangenehmere Richtung. Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, welchen Eindruck Estelle von mir haben musste. Wahrscheinlich hielt sie mich für einen Stalker, einen Aufschneider oder bestenfalls für eine Mischung aus beidem. „Ich war schon einmal hier und habe nach dir gefragt. Im Februar."

„Das wird ja immer besser", flüsterte Estelle ungläubig vor sich hin. Ich griff nach dem Tee und nippte ein wenig vom Tassenrand. Nicht weil ich etwa Durst hatte, sondern um meine Finger einfach nur mit irgendetwas zu beschäftigen. „Ich kann es wirklich verstehen, wenn du möchtest, dass ich jetzt gehe", seufzte ich, währenddessen ich langsam wieder in die Ärmel meines Mantels schlüpfte. Ich hatte von Anfang an kein gutes Gefühl bei der Sache gehabt.

„Charlie hat mir damals erzählt, dass jemand zu ihm gekommen ist und nach mir gefragt haben soll, aber ich wäre nie im Leben darauf gekommen, dass du das warst ... warum hast du mich nicht angesprochen?", sie schob mir mit dem Zeigefinger den Frühstücksteller entgegen, „iss ruhig weiter, es wäre schade darum."

„Ich wollte dich ansprechen, aber du hattest mit deinem Freund Dienst. Da wollte ich nicht länger stören." Ich spießte einen der größten Champignons auf meine Gabel und kaute lustlos darauf herum. Eigentlich schmeckten mir Champignons nicht einmal. „Oh. Du meinst vermutlich Jace", Estelle verdrehte die Augen, „ja, wir waren zusammen. Bis dann die Neue eingestellt wurde. Südländerin, temperamentvoll und unfassbar hübsch. Da war ich wohl nicht mehr interessant genug." Gedankenversunken starrte sie an mir vorbei. „Das tut mir wirklich leid", meinte ich und ließ von der Gabel ab.

„Danke, das ist lieb von dir. Er hat es nicht ernst gemeint und ich hab's zu spät bemerkt, weißt du", sie sah zu mir zurück, „ich bin nicht sauer auf dich, falls du das jetzt vielleicht denkst. Ich bin es einfach nicht gewohnt, dass ... wie gesagt, dass sich Männer großartig für mich interessieren." Ich nahm einen letzten Schluck von meinem Tee. „Nicht?" - „Überhaupt nicht. In meinem Heimatort kennt jeder jeden und hier in London gehe ich in der Masse völlig unter." Ich seufzte, ließ meinen Kopf sinken und zog meine Unterlippe zwischen die Zähne.

„Schwachsinn."

Verwundert schaute sie zu mir hoch. „Meinst du das gerade ernst?" Mit einem Mal schlug unser Gespräch in eine unerwartete Richtung ein. Ich sog scharf Luft ein und erwiderte den Blickkontakt. „Ansonsten wäre ich nicht hier", meinte ich, woraufhin Estelle zu lächeln begann und meinen gesamten Körper mit Endorphin füllte.

Sie schrak leicht auf, als eine Benachrichtigung auf ihrem Handy einging und entschuldigte sich danach für einen Moment. „Ah, verdammt", fluchte sie und steckte energisch das Smartphone zurück in ihre Hosentasche. Ich warf Estelle einen verwirrten Blick zu. „Es tut mir echt leid, aber ich muss Charlie bei der Rezeption ablösen", sprach sie hastig, stand auf und langte nach dem Teller und der Tasse. „Kann ich?", fragte sie und ich nickte, währenddessen ich einen Geldschein aus meiner Hosentasche hervorkramte. Sie bedankte sich mehrfach und schlichtete ihn in ihr Portemonnaie.

„Nochmals Entschuldigung, dass ich dich hier so überfallen habe. Das ist eigentlich nicht meine Art", meinte ich und schob meine Hände in die Manteltaschen. Estelle zuckte mit ihren Schultern, „wie gesagt, ich nehme es dir nicht übel. Gib das nächste Mal einfach Bescheid." Verlegen fasste ich mir an den Nacken. „Es gibt also ein nächstes Mal, ja?", fragte ich sie. So ein ähnliches Gespräch hatten wir schon einmal geführt.

Lachend schüttelte sie den Kopf. „Ich habe gehört, wenn man hier regelmäßig vorbeikommt, gibt's vielleicht irgendwann Freundschaftsrabatt." Meine Wangen röteten sich und ich schaute ertappt auf den Boden, „klingt nicht schlecht. Ich werd's mir überlegen" Ich beobachtete Estelle dabei, wie sie das Geschirr auf ihren Händen balancierte und versuchte, mit dem Ellenbogen die Türklinke herabzudrücken. „Warte, ich helfe dir", meinte ich, lief zu ihr und hielt die Tür auf. Sie schaute dankend zu mir auf. „Wie heißt du eigentlich?", fragte sie noch und wir beide begannen abermals zu lachen. „Harry." - „Na dann, bis nächsten Mittwoch, Harry."

half blue skies | 𝐨𝐧𝐞 𝐝𝐢𝐫𝐞𝐜𝐭𝐢𝐨𝐧Nơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ