track 18

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Disc 2
Track 18 - Truly Madly Deeply
» may not mean that much to you, but to me it's everything «
HARRY
im zweiten Jahr nach der Trennung von One Direction


Ohne zu zögern, griff ich nach dem Joint, der auf der Nische vor mir lag. Ich hatte die letzten zehn Minuten damit verschwendet, das Gras in das Papier ein- und wieder auszudrehen, bis meine Hände es geschafft hätten, es tatsächlich einigermaßen geformt zusammenzurollen. So wie er dalag, schien er nur darauf zu warten, von einer einsamen Seele inhaliert zu werden. Von jemandem wie mir.

Vorsichtig hob ich den Joint zwischen meine Finger. Parallel dazu fuhr ich mit meiner anderen Hand meine Hose entlang, nur um festzustellen, dass sie keine Taschen hatte und ich dementsprechend auch kein Feuerzeug eingesteckt hatte. Genervt kniff ich die Augen zusammen und warf den Joint achtlos gegen die Wand, woraufhin das Gras quer verstreut auf dem Boden lag. Die ganze Arbeit war also umsonst gewesen.

Unter einem tiefen Seufzen lehnte ich mich ein bisschen weiter gegen den Spiegel. Mit den Schuhen kickte ich das Stück Papier vor mich hin. Ich stützte mich mit den Händen an der Kante des Waschbeckens ab, beugte mich nach vor und drehte mit einer groben Bewegung die Leitung auf. Das Wasser floss über meine Hände und mein Gesicht. Feine Spuren rannen meine Schläfe entlang, ein paar wenige Tropfen perlten auf meine Lippen.

Ich war gerade dabei, mir das Gesicht mit ein paar dieser harten Papiertücher vom Spender abzutrocknen, als es mehrfach an der Tür klopfte. Erschrocken sah ich zwischen den Tüchern auf. In diesem Moment pumpte das Blut so schnell durch meinen Körper, dass ich meine Halsschlagader pochen hören konnte.

„Harry, bist du da drin?"

Gemma. Erleichtert atmete ich aus, drückte die Tücher in den Mülleimer und beugte mich abermals über das Waschbecken, um das Wasser abzustellen. Kurzerhand räusperte ich mich in den Ellenbogen. „Ja ... ja, ich bin's. Du kannst ruhig reinkommen, wenn du möchtest", antwortete ich und schob die nass angelaufenen Ärmel meines Hemdes ein wenig zurück.

Aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, wie sich meine Schwester durch den Spalt der Tür zu mir in den Raum schob. Sie drückte sie behutsam hinter sich ins Schloss, ehe sie ein paar Schritte auf mich zumachte und ihre Hand nach meinem Arm ausstreckte. „Wo bleibst du denn? Alle warten nur noch auf dich. Wir sind schon..." Ihre Stimme stockte und ihre Hand fuhr von mir zu ihrer Nase. Ich drehte meinen Kopf schuldbewusst in ihre Richtung. Mit geweiteten Augen sah Gemma auf das Chaos unter unseren Füßen hinab.

Im Schock hielt Gemma nun auch die zweite Hand vor ihr Gesicht. „Oh Gott, bitte sag mir, dass das nicht das ist, was ich gerade denke", fragte sie mit immer noch großen Augen, „warst das du? Ist das deins?" „Der ist hier schon gelegen." Ich deutete mit dem Zeigefinger schwach auf die Nische, die zwischen Spiegel und Waschbecken eingemauert war. „Muss wohl jemand hier liegen lassen haben." Ungläubig schüttelte Gemma den Kopf. „Bitte sag mir einfach, dass du ihn nicht auch noch geraucht hast. Bitte, Harry."

Sie ging in die Knie und schob mit ihren Händen das Gras auf eine Stelle zusammen. Ich beugte mich zu ihr hinunter. „Nein, habe ich nicht. Ich wollte, aber...", ich half ihr ein wenig, „ich hatte kein Feuerzeug dabei. Ich wünschte, ich könnte dir etwas Anderes erzählen, aber das war das Einzige, das mich davon abgehalten hat." Gemma schloss ihre Hand um meine und brachte mich auch ohne Worte dazu, ihr tief in die Augen zu sehen. „Aber du kiffst doch schon seit Jahren nicht mehr. Seitdem du das Studium hinter dir hast." „Gelegentlich", sagte ich knapp, wohingegen Gemma seufzend den Kopf hängen ließ. „Ist es wegen Estelle?"

Langsam richtete ich mich auf, wobei ich mit einer Hand meine Hosenbeine glatt strich und mit der anderen meine Haare zurückfuhr, nur um danach genauso fertig auszusehen wie davor. Ich verschränke die Arme schützend vor meiner Brust. „Das ist gerade nicht das richtige Thema, Gem", sagte ich. Meine Stimme war nicht mehr als ein Raunen. Ich starrte auf den Boden und nahm nur beiläufig wahr, wie Gemma das Gras auf ihre Handfläche hob, es in den Mülleimer warf und sich vor mich stellte.

Ihre Finger fuhren meine Oberarme entlang. Eine Weile lag nichts Weiteres als angespanntes Schweigen in der Luft. „Es tut mir leid. Ich weiß doch eigentlich, dass das Thema schwierig ist." Sie schloss ihre Arme um meinen Bauch und legte ihren Kopf auf meine Brust. Etwas unbeholfen strich ich ihr über den Rücken, ihre Haare kitzelten an meiner Nasenspitze. „Ich will doch nur, dass es dir gut geht. Ich bin schließlich immer noch deine große Schwester ... auch wenn uns das nie jemand so wirklich glaubt." Wir beide lachten kurz auf und ich drückte sie ein wenig fester an mich. „Ich bin so froh, dass du mitgekommen bist. Ich könnte das hier nicht alleine schaffen", flüsterte ich ihr zu.

Gemma löste sich ein wenig aus meiner Umarmung. Sie streckte eine Hand zu mir nach oben und strich mir ein paar Haarsträhnen zurecht. „Ich auch, Harry", meinte sie, „aber wir sollten wirklich los. Die haben mir vorhin schon die Hölle heiß gemacht." Genervt verdrehte sie die Augen und fragte mich dann, ob es nicht doch etwas gab, von dem ich ihr erzählen wollte. Ich sagte Nein.

Ich hasste mich dafür, ihr ins Gesicht zu lügen. Es gab so vieles, von dem ich ihr erzählen wollte - von den schlaflosen Nächten in den zu großen Hotelzimmern, meinen negativen Gedanken und die Leere, die ich seit Wochen in mir trug. Seitdem Estelle weg war, hatte ich viel Zeit zum Nachdenken gehabt und es hatte mir sichtlich nicht gutgetan.

Sie nahm mich an die Hand und zog mich durch den Flur direkt in den Bereich hinter der Bühne, der mit Boxen und Geräten vollgeräumt war. Von hier aus konnte ich die Menge aufgeregt das Intro mitsingen hören. Ich bemerkte, wie ich unbewusst zu grinsen begann, verschränkte die Hände vor meiner Brust und spürte mein Herz immer schneller schlagen. Um uns herum überprüften Techniker noch einmal die Anschlüsse. Derweil drückte Gemma das In-Ear in meinem Ohr zurecht. Sie war vollkommen bei der Sache und ließ sich nicht einmal durch die Hektik der anderen aus der Ruhe bringen.

„So, ich denke, das müsste so passen", meinte sie und fuhr dabei mit dem Zeigefinger den Kunststoff entlang, „und was auch immer in dir vorgeht, pack es einfach in deine Musik. Zeig den Leuten, was du drauf hast. Zeig ihnen, wie verdammt großartig du bist und dass das hier nur die erste Bühne ist, die du rocken wirst." Ich wandte mich ihr zu, Gemmas Gesichtszüge wurden ganz weich. Sie zog die Ärmel ihres Pullovers über ihre Hände, ich legte einen Arm um sie und drückte sie erneut an mich. „Wir haben dich alle so lieb, Harry. Vergiss das niemals, okay?", flüsterte sie in den Stoff meines Hemdes. Ihr Herz schlug gegen meins. 

half blue skies | 𝐨𝐧𝐞 𝐝𝐢𝐫𝐞𝐜𝐭𝐢𝐨𝐧Where stories live. Discover now