track 15

34 6 0
                                    


Disc 4
Track 15 - Once In A Lifetime
» not even the landslide or riptide could take it all the way «
LIAM
im vierten Jahr nach der Trennung von One Direction

Ich ließ meine Fingerspitzen über die Ecken des Plastiks fahren. Konzentrierte mich auf jede Berührung, inhalierte das Gefühl, das Albumes in meinen Händen zu halten. All die Last, die mich die letzten Jahre über erdrückt hatte, fiel mit jedem Atemzug etwas mehr von meiner Brust. Ich hatte es geschafft. Ich hatte es verdammt noch mal geschafft.

Zunächst bekam ich gar nicht erst mit, wie Alanis um Mitternacht neben mir von der Couch aufsprang. Ich bemerkte noch nicht einmal, wie dabei das Red Bull aus ihrer Dose über den Verschluss auf das neu verlegte Holzpflaster schwappte. Dafür waren meine Augen noch immer viel zu sehr auf die Scheibe fixiert und mein Herzschlag viel zu laut.

"Oh nein, es tut mir so leid", entschuldigte sie sich umgehend, "hast du hier irgendwo ein paar Handtücher?" Gedankenverloren schaute ich von der Hülle zu Alanis und ließ mich weiter gegen das weiche Leder der Couch fallen. Sie stand keinen Meter von mir entfernt und hatte ihre Lippen schuldbewusst zusammengepresst. Kurzerhand legte ich die CD neben mir ab und fuhr mir mit einer Hand über das Gesicht. "Nein, noch nicht. Aber wir dürften noch ein paar Servietten übrig haben, oder? Bleib du hier, ich gehe mal eben nachschauen", erwiderte ich.

Ich stemmte mich mit den Handflächen mich hoch und ging direkt an Alanis vorbei, die sich natürlich nicht einfach wieder hinsetzte und darauf wartete, dass ich das Red Bull vor ihrer Nase schon wegwischte. Nebeneinander liefen an den noch ungefärbten Ziegelwänden im Flur vorbei zum Eingangsbereich des Apartments, wo wir uns zwischen unzähligen Umzugskartons aus Paletten uns kurzerhand einen provisorischen Tisch und aufgebaut hatten. Es sah unglaublich miserabel aus, aber es war definitiv mehr als genug für uns beide. Die zwei Plastikboxen und Essstäbchen vom Fast-Food-Asiaten waren lediglich die Kirsche auf dem Sahnehäubchen.

Meine Finger zogen unter den Schachteln ein paar dünne Papierservietten hervor. "Das ist wahrscheinlich die lahmste Album-Release-Party überhaupt, oder?", sagte ich dabei lachend zu ihr zurück. Sie stand an die kalte Wand gelehnt und hatte beide Hände um das kalte Aluminium ihrer Red-Bull-Dose geklammert. "Nun, weißt du, ich bin noch nie zuvor zu einer eingeladen worden. Aber ich finde es eigentlich ganz cool. Ich meine ... ein unmöbliertes Studio, Lieferservice und eine Couch aus 'nem Secondhandladen. Was will man mehr?" Grinsend kniff ich die Augen zusammen und schritt auf sie zu. Währenddessen ich an ihr vorbeiging, nahm ich ihre rechte Hand von der Dose und drückte ihr stattdessen ein paar der Servietten in die Handfläche. "Wir sind viel zu alt geworden, was?"

"Jetzt sprich es nicht so laut aus, du machst mich noch ganz rot", erwiderte Alanis ironisch, wobei ich das Lächeln auf ihren Lippen deutlich heraushören konnte. Freundschaftlich stupste ich ihr mit dem Ellbogen gegen die Rippen und sie verzog gespielt verletzt das Gesicht. "Glaub mir, wenn ich dich nicht derart respektieren würde, würde ich dich am Handgelenk packen, dich mit mir in diesen Botanischen Garten schleifen, Gigis Ring verschwinden lassen und ihn stattdessen dir an den Finger stecken", neckte ich sie. Ich mochte Alanis noch immer unheimlich gerne und das wusste sie. Aber was sie auch wusste, war, dass ich meine Gefühle gut genug unter Kontrolle hatte, um uns beide nicht wieder in eine unangenehme Lage wie damals im Restaurant zu bringen.

Sie ging an meiner Seite mit mir zurück in den Studioraum. Der Boden schimmerte dort noch immer vom ausgelaufenen Red Bull und ich war mir sicher, dass sie inzwischen schon zwischen die Ritzen geflossen war. Alanis rutschte auf ihren Strumpfhosen über den Boden und ihre ungebundenen Haare fielen ihr ins Gesicht, als sie den Kopf zu mir drehte: "Frag mich das lieber nicht zweimal. Ich liebe Blumen und ich liebe Hochzeiten und ich liebe ..." sie stockte, "darf ich dir etwas Kitschiges sagen? Also etwas ohne Absichten, aber das ich trotzdem einfach mal loswerden muss?"

Ein wenig irritiert schaute ich auf sie herab. "Klar. Was ist los?", fragte ich sie. Sie kämmte sich mit den Fingerspitzen mehrmals die Haare hinter die Ohren, bevor sie die Arme vor dem Bauch verschränkte und mir in die Augen sah. "Du bist mein bester Freund, Liam. Und immer wenn ich von dir rede, bezeichne ich dich immer als meinen besten Freund. Ich weiß, dass das wahrscheinlich nicht auf Gegenseitigkeit beruht, aber ich finde, du hast es verdient, das zu wissen. Und dass jetzt der beste Moment ist, um das zu tun."

Ihre Worte ließen mein Herz sofort schneller schlagen. Eine Weile stand ich einfach nur da und überlegte, was ich am besten antworten sollte. "Wow, das bedeutet mir wirklich viel. Vor allem, wenn man das ganze Hin und Her bedenkt, das zwischen uns passiert ist", erwiderte ich schließlich hilflos und war daraufhin wieder einmal kurz davor, mein Gesicht in den Händen zu vergraben. Vermutlich sollte mich wohl tatsächlich besser darauf konzentrieren, Songs zu schreiben, als zu versuchen, mit Frauen zu reden.

Sie zog ihre Mundwinkel zu einem vorsichtigen Lächeln, ließ sich auf den Boden fallen und stellte die Dose neben sich ab. Ich tat dasselbe. Danach legte ich meine Servietten über die ihren und sah dabei zu, wie dich das Red Bull langsam in die Fasern saugte. Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie Alanis über ihre Schulter zu mir schaute. "Und übrigens, ich hab' es ernst gemeint - ich finde diese Album-Release Party wirklich gut. Ich glaube, ich habe dich noch so glücklich gesehen wie heute", meinte sie. Belanglos zuckte ich mit den Schultern. Im Gegensatz zu Alanis war ich mir nicht ganz so sicher, ob ich mich tatsächlich auch so glücklich war, wie ich mich gerade fühlte. Womöglich war es schlichtweg die Aufregung über das Album, die sich wie eine weiche, schützende Decke über mein Herz legte und all die negativen Gedanken zumindest für diese eine Nacht zu kaschieren schien. "Ich wünschte, ich könnte das Gleiche behaupten."

"Was meinst du?"

Ich fuhr die vollgesogenen Servietten zu mir zurück und fühlte, wie sich die Decke mit ihren Stricken und Knoten in mein Herz schnürte. Es fühlte sich an wie Liebeskummer, nur schlimmer. "Ich meine, natürlich bin ich glücklich. Immerhin habe endlich das alles erreicht, wofür ich die letzten Jahre über so sehr gekämpft habe. Und weil ich diese Wohnung in wenigen Monaten mein eigenes Musiklabel nennen kann. Es ist ein weiterer Traum, der wahr geworden ist, und es ist wahnsinnig. Aber mit jedem wahr gewordenen Traum kommt auch ... Verlust", hob ich und verlor sowohl meinen Blick als auch meine Worte immer mehr in den Rillen der Backsteinmauer. Und im zuckersüßen Geruch von Red Bull.

Passiv spürte ich, wie Alanis ihre Hand auf meine Schulter legte und mit den Fingerspitzen hin und her strich. "Es gibt nichts zu verlieren, Liam. Das hier ist erst der Anfang von etwas Neuem und etwas wahnsinnig Großem. Und egal was kommt, du hast mich und Niall und ..." - "Aber das ist genau es, was ich meine. Niall wird nicht zurückkommen. Und obwohl ich weiß, dass es mal das Beste für ihn ist und ich es mir so sehr für ihn wünsche, weiß ich verdammt nochmal nicht, wie ich damit umgehen soll."

"Er wird dich nicht verlassen. Das würde er niemals tun", flüsterte Alanis mir verständnisvoll zu, doch ich schüttelte den Kopf. Sie konnte nicht wissen, worauf ich hinauswollte, denn ich nie mit jemand anderem als Niall über Emma gesprochen. "Du kennst ihn fast so lange wie ich. Und wir beide wissen, dass sein Herz Irland gehört", ich zog die Servietten zwischen meinen fester zwischen meine Finger, "das hat es immer schon." Allmählich ließ Alanis von mir ab. "Aber das bedeutet trotzdem nicht, dass du ihn verlierst, Liam. Du und er, ihr seid der Jackpot. Ich habe noch nie eine Freundschaft wie eure erlebt." Eure Bindung ist so stark, dass es praktisch nichts gibt, was sich jemals zwischen euch zwei stellen könnte. Vertrau mir da, okay?"

"Okay."

half blue skies | 𝐨𝐧𝐞 𝐝𝐢𝐫𝐞𝐜𝐭𝐢𝐨𝐧Where stories live. Discover now