track 2

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Disc 2
Track 2 – Kiss You

» and let me kiss you «

ZAYN
im zweiten Jahr nach der Trennung von One Direction


Die Sonne war schon längst hinter den Wolkenkratzern verschwunden, doch die schwache Flamme unter meinen Händen malte den Raum warm und hell. Ich nahm wahr, wie Gigi sich um meinen Oberarm klammerte und gebannt dabei zusah, wie ich den Löffel von der Kerze zum Glas führte. Es gab ein leichtes Zischen von sich, als ich das Blei in das Wasser kippte.

„Was soll das denn sein?", lachte Gigi, währenddessen sie mit den Fingerspitzen die Bleifigur aus dem Glas fischte. Auch ich musste bei dem Anblick etwas schmunzeln, denn wie ein Meisterwerk sah das mal so überhaupt nicht aus. Scharf sog ich den Duft der Räucherstäbchen auf, der sich mittlerweile unter den Geruch von abgestandenem Käsefondue gemischt hatte.

Die Figur verlief in einem unförmigen Halbkreis, welcher von etlichen Unebenheiten geprägt war und dessen Ende so dünn war, dass es vermutlich bald abbrechen würde. Im Kerzenschein schimmerte das Blei silber und golden. „Ein Anker", stellte ich ahnungslos in den Raum, lehnte mich mit verschränkten Armen zurück und schenkte Gigi ein siegesreiches Grinsen, „definitiv."

Mit zusammengezogenen Augenbrauen wand sie das Blei zwischen ihren Fingern hin und her. „Da braucht man aber auch viel Fantasie, um sich das einzureden", meinte sie und legte die Figur dann vorsichtig vor uns nieder. Das dünnere Ende brach ab. Gigi verzog verlegen den Mund, knabberte jedoch einen Moment später belustigt auf ihrer Unterlippe herum. „Spätestens jetzt ist es ganz offiziell kein Anker mehr. Allerhöchstens ein Hufeisen", neckte sie mich und drehte die Plastikverpackung des Gießsets auf die Rückseite.

Während sie mit dem Zeigefinger die Zeilen entlangfuhr, sah ich lediglich geradeaus durch das Panoramafenster. Meine Augen glitten von einem Feuerwerk zum nächsten, bis ich mich irgendwann zwischen ihnen verlor.

Eigentlich hatten wir vorgehabt, im Central Park eislaufen zu gehen, so wie alle verliebten Pärchen es taten. Zusammen hätten wir unter dem Sternenhimmel mit den Kufen den Frost aufgewirbelt und unzählige Funken wären auf uns herabgerieselt. Doch Gigis rot angelaufene Schnupfennase hatte uns da einen Strich durch die Rechnung gemacht.

„Beruflicher Erfolg und erträgliche Geschäfte ... oder Hilfe in der Not, falls du noch immer so von deinem Hufeisen überzeugt bist", riss mich Gigis Stimme wenig später aus meinen Gedanken, woraufhin ich den Kopf zur Seite drehte und sie liebevoll musterte. Diesen Pullover hatte sie die Feiertage über ziemlich oft getragen. Ich hatte ihn ihr vor zwei Wochen vom Weihnachtsmarkt mitgenommen, er war vollbedruckt mit Rentieren und viel zu groß für ihren schmalen Körper. Aber Gigi mochte das. Gigi mochte es, den Stoff der Ärmel zwischen die Finger zu ziehen und sich einmal ganz klein fühlen zu können, wenn sich die Welt einmal wieder zu groß für uns beide anfühlte.

Gleichgültig zuckte ich mit den Schultern. „Warum nicht beides?", meinte ich. Gigi ließ indessen von der Packung ab und rührte aus dem Handgelenk mit einem der Räucherstäbchen im Diffusor. „Das wäre ja fast schon schummeln." Unglaublich, wie hartnäckig sie manchmal sein konnte. Kurzerhand langte ich nach der Bleifigur, beugte mich über die Tischkante etwas weiter zu Gigi und fuhr mit dem Zeigefinger die Konturen nach.

„Nein, warum denn?" Nun lehnte sich auch Gigi über den Tisch und vergrub lachend ihr Gesicht in ihren Händen. „Du willst mit mir jetzt also wirklich über ein Stück Blei diskutieren?", nuschelte sie durch ihre Finger. Ich streckte meine Hand aus und strich ihr eine lose Haarsträhne hinters Ohr. „Soweit ich mich erinnere, hast du damit angefangen", flüsterte ich. Parallel strich ich ihr mit dem Daumen ihr Kiefer entlang bis zu ihrem Kinn und küsste anschließend ihre trockenen Lippen.

Ich lehnte meine Stirn gegen ihre, aber sie legte ihre Hände auf meine Brust und drückte mich ein wenig von ihr weg. „Glaub mir, du willst morgen nicht auch noch vollkommen erkältet aufwachen", meinte sie und fuhr mit ihren Fingerspitzen meine Bartstoppeln entlang. Abermals zuckte ich mit den Schultern. Wir waren die letzten beiden Tage unzertrennlich gewesen, mich würde es eher wundern, wenn ich mich noch nicht angesteckt hätte.

„Möchtest du etwas trinken?", wechselte ich daraufhin das Thema. Sie fragte mich, ob ich ihr ein Glas Champagner bringen könnte, schließlich wäre es in wenigen Minuten Mitternacht und unser erster gemeinsamer Silvesterabend. Ich lächelte ihr ein letztes Mal zu, dann rutschte ich von der Bank und half mir anhand der Lehne hoch. In der Küche waren alle Lichter ausgeschaltet, weswegen ich mein Handy aus der Hosentasche zog und die Taschenlampe einschaltete.

Die Champagnerflasche war derart kalt, dass meine Finger kurz zurückschreckten, als ich sie berührte. Blindlings durchstöberte ich die Schubladen nach einem Geschirrtuch und wischte damit über die Fläche und machte mich schlussendlich daran, das Drahtgestell vom Korken zu lösen. Während ich ihn allmählich aus der Flasche herausdrehte, streckte ich sie weitestgehend von meinem Oberkörper weg. Die Augen hatte ich dabei fast zusammengekniffen.

Letzten Endes holte ich zwischen den leergegessenen Tellern zwei saubere Weingläser hervor. Die Tage über hatte sich das Geschirr hier nur so gestapelt und Gigi und ich hatten uns mehr oder weniger ein Duell daraus gemacht, einander in unseren Ausreden immer wieder zu übertrumpfen. Vermutlich sollte ich mir später wieder ein paar neue ausdenken, denn ich verlor viel zu oft gegen sie.

Mein Handy hatte ich zwischenzeitlich an die Wand gelehnt. Nach etlichen Fehlversuchen war es dort auch tatsächlich stehen geblieben und spendete mir Licht. Ich füllte die beiden Weingläser bis zum Rand, langte nach einer Packung Pastillen für Gigi und schritt zu ihr zurück unter den Sternenhimmel.

half blue skies | 𝐨𝐧𝐞 𝐝𝐢𝐫𝐞𝐜𝐭𝐢𝐨𝐧Where stories live. Discover now