track 8

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Disc 2
Track 8 - Change My Mind
» 'cause I don't wanna know i'm walking away if you'll be mine «
HARRY
im zweiten Jahr nach der Trennung von One Direction


Seufzend lehnte ich mich etwas weiter über das Dach meines Sportwagens. Die Hände hatte ich unter meinem Kinn angewinkelt, wo ich meine Haut immer und immer wieder durch meine Fingerspitzen zog. Einen Moment lang starrte ich durch den schmalen Spalt zwischen den Vorhängen in das Badezimmer meiner Wohnung. Selbst von hier unten war der knallrote Plastikbecher unverkennbar. Nur, dass heute anstelle von zwei nur mehr eine Zahnbürste schief über den Rand schaute.

Ich ließ von meinem Kinn ab und griff stattdessen nach dem kleinen Reisekoffer, der neben mir auf dem Asphalt stand und balancierte ihn mit einem Schwung auf meine Arme. Bei jedem Schritt rutschte das Gepäck gegen die Hartschale.

Nachdem ich gut eine halbe Runde um mein Auto gedreht hatte, zog ich vorsichtig den einen Arm unter dem anderen hervor. Ganz langsam drückte ich daraufhin den Kofferraum mit einer Hand hoch und verfrachtete das Gepäck darin. Letztendlich rastete die Heckklappe mit einem dumpfen Schlag in das Schloss ein.

„Hast du es dir noch einmal überlegt?", fragte ich Estelle ein weiteres Mal, ließ mich auf den Fahrersitz fallen und drehte den Kopf in ihre Richtung. Ohne von ihr wegzusehen, schnallte ich den Gurt fest um meinen Oberkörper, „nichts muss so sein, wie es jetzt gerade ist. Wir können das schaffen. Und das weißt du." Ich verfolgte jede einzelne ihrer Bewegungen - wie sie ihre Haare öffnete, nur um sie danach erneut zu demselben Zopf wie vorhin zusammenzubinden und wie sie mir dabei einen gereizten Blick über die Schulter zuwarf. Doch sie war gar nicht sauer. Sie war genauso verletzt wie ich es war.

„Es ist für uns beide ist besser so. Zumindest vorerst", meinte sie und schaute von mir weg auf ihre Turnschuhe. Ihre Stimme war mindestens so brüchig wie der seidene Faden, an dem unsere angehende Beziehung bereits seit Wochen hing. Nicht mehr als eine Faser davon entfernt, entzweizureißen und auf unterschiedlichen Windböen in entgegengesetzte Richtungen zu treiben.

Aus Verzweiflung schlug ich mit einer Handfläche auf das Lenkrad und mein Blick driftete von Estelle ab durch die Windschutzscheibe. Aus den Augenwinkeln konnte ich jedoch erkennen, wie sie erschrocken zu mir aufsah. Eine Weile lang schwiegen wir einander an. So lange, bis ich ihre Hand auf meiner Schulter spürte. Sie strich mir mit dem Daumen sanft meinen Hals entlang. „Hey, es ist doch alles okay", flüsterte sie mir zu, aber ich zog die Augenbrauen zusammen und schüttelte den Kopf.

Also ließ sie wieder von mir los. Von der Sekunde an, in der ich ihre Finger nicht mehr auf meiner Haut fühlte, vermisste ich sie unglaublich und bereute es noch mehr, sie von mir weggestoßen zu haben. Ich hörte, wie sie nach Luft rang und sich anschließend räusperte. „Vielleicht sollten wir langsam mal losfahren", murmelte sie und griff nach vor, um an meiner Stelle den Zündschlüssel umzudrehen. Ich spürte, wie der Wagen nachgab und wie ich es nicht länger schaffe, die Tränen in meinen Augen zurückzuhalten. „Ich kann nicht!", platzte es aus mir heraus, „verdammt nochmal, ich kann nicht losfahren, dich irgendwo absetzen und mir jeden Morgen, an dem ich nicht neben dir aufwache, den Kopf darüber zerbrechen, ob ich dich jemals wiedersehen werde. Nicht, wenn du verdammt nochmal die Liebe meines Lebens sein könntest."

Ich lehnte meinen Kopf gegen die Fensterscheibe. Estelle schloss schützend ihre Arme um ihren Oberkörper. „Harry, ich liebe dich ja auch. Und ich hab mich so wie du viel zu schnell in alles hineingestürzt und nie auch nur einmal daran gedacht, dass wir beide ein bisschen anders sind als alle anderen. Es ... ", hob sie an, aber ich schnitt ihr das Wort. „Weil ich nie richtig nachgedacht habe. Weil ich mal wieder mit dem Kopf durch die Wand gelaufen bin und zu sehr in der Gegenwart gelebt habe als in der Zukunft." Estelle schien von meiner Argumentation nicht sonderlich überzeugt zu sein. „Aber das ist das Leben, Harry. Und es ist doch schön, im Moment zu leben. Schließlich machen wir das viel zu selten. Nur manchmal ... manchmal ... ", weiter kam sie nicht. Dafür hatte sie sich zu sehr in ihren Gedanken verloren.

Gegen meinen Willen löste ich den Fuß vom Bremspedal und fuhr, sobald der Schwarm an Autos an mir vorbeigerauscht war, aus der Parklücke auf die Bundesstraße. Estelle hatte inzwischen wieder zu sich selbst gefunden. „Ich verstehe halt einfach nicht, warum die anderen ihre Beziehungen öffentlich ausleben können und wir nicht. Louis hat zum Beispiel auch vor ein paar Tagen bekanntgegeben, dass er eine Freundin hat. Hast du das eigentlich schon mitbekommen?" Ich nickte schwach. Natürlich hatte ich davon gehört, immerhin hatte Lou sie bei ihrem ersten gemeinsamen Auftritt an keinen anderen Ort als direkt auf den roten Teppich gezerrt. Und sofern ich mich nicht komplett falsch erinnerte, hatte ich Estelle sogar davon erzählt, aber offensichtlich schien sie Lou einmal wieder mit Liam zu verwechseln.

„Wegen den Stirnfransen. Entweder die haben sich denselben Stylisten gesucht oder sie haben sich das in all den Jahren voneinander abgeschaut. Und warum heißen die auch noch so ähnlich?"

Ein unbewusstes Lächeln stahl sich auf meine Lippen, weswegen Estelle verunsichert nachfragte, ob sie etwas Falsches gesagt hatte. Erneut schüttelte ich den Kopf. „Nein, alles in Ordnung. Ich habe mich nur eben an etwas erinnert." Kurzerhand fuhr ich mir mit beiden Handflächen über die Wangen, um die Tränen von vorhin aus meinem Gesicht zu wischen.

Langsam fuhren wir in eine Kreuzung ein und kamen dort zum Stehen. Eine Gruppe an Mädchen lief am Bürgersteig neben uns entlang und obwohl die Fensterscheiben getönt waren, legte ich aus Gewohnheit eine Hand vor meine Stirn. Auch Estelle versteckte sofort ihre untere Gesichtshälften hinter den Ärmeln ihres Pullovers, die sie über die Handflächen gespannt hatte und mit den Fingern festklammerte.

„Siehst du?", nuschelte sie durch den Stoff, „wir können nicht einmal gemeinsam in einem Auto sitzen, ohne uns wie Kleinkriminelle zu fühlen." Die Ampel schaltete nebenbei auf Grün und ich fühlte, wie sich mein schlechtes Gewissen wie Dornen in mein Herz hakten.

Nach einem raschen Blick in Rück- und Seitenspiegel bog ich ein paar Sekunden später in die Nebenstraße ein, die links und rechts von Plattenbauten geprägt war. Den Plattenbauten, in denen Estelle wohnte. „Nur noch zwei Monate, dann ist das Album draußen. Und die Klatschzeitungen haben ein neues Promipärchen, das sie auf die Titelblätter drucken können", seufzte ich. Indessen fuhr Estelle belustigt mit dem Zeigefinger das Armaturenbrett entlang. „Das wird schrecklich, so viel kann ich jetzt schon sagen", lachte sie. Mittlerweile klang sie deutlich entspannter als zuvor. Vermutlich war sie einfach froh darüber, dass ich mich ihr wieder anzuvertrauen begann. Wie früher eben. Sie lehnte sich gegen die Fensterscheibe und beobachtete passiv das Großstadtleben, „aber alles ist besser als diese Heimlichtuerei."

Ich drückte den Blinker nach unten, schlug das Lenkrad ein und bremste vorsichtig ab. Obwohl an dieser Ausfahrt ein Halteverbot angeschlagen war, ließ ich Estelle jedes Mal an exakt dieser Stelle aussteigen, da ich so keinen Umweg fahren musste und sie direkt vor dem Block stand, in dem sie auch ihre Wohnung nach wie vor unter Mietvertrag hatte.

Estelle legte ihre warme Hand an mein Kiefer und drehte meinen Kopf so zu ihr, dass ich nicht anders konnte, als ihr in die Augen zu sehen. „Die Entscheidung, was du wann und wo und wie öffentlich machen willst, liegt ganz allein bei dir. Und wie auch immer du dich entscheiden solltest, ich werde hinter dir stehen. Aber jetzt brauche ich erstmal ein bisschen Zeit für mich", versprach sie mir, „und ich werde mich natürlich jeden Tag bei dir melden. Selbst wenn es nur ein kitschige Gute-Nacht-SMS ist. Denn was wäre das Leben ohne die Liebe meines Lebens?" 

half blue skies | 𝐨𝐧𝐞 𝐝𝐢𝐫𝐞𝐜𝐭𝐢𝐨𝐧Where stories live. Discover now