track 5

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Disc 2
Track 5 - Last First Kiss

» maybe this is a mistake «

LOUIS
im zweiten Jahr nach der Trennung von One Direction


„Milchbauer."

Mit zusammengezogenen Augenbrauen schaute ich von dem Blatt Papier auf, das ich mit beiden Händen vor meinem Gesicht hielt. Ava hatte sich inzwischen auf die Kante des Schminktisches gesetzt und sah mich herausfordernd an. „Milchbauer?", hakte ich mit ironischem Unterton nach, „Biobauer, Weinbauer, Milchbauer ... wenn du so weitermachst, kannst du bald 'ne eigene Farm aufmachen." Gleichgültig zuckte sie mit den Schultern. „Du hast den Hanfbauern vergessen", meinte sie und drehte grinsend den Kugelschreiber in ihrer linken Hand zwischen den Fingern umher.

„Wie auch immer, ich hab' hier nichts stehen. Zehn Punkte für dich", ergab ich mich und drückte den Zettel auf mein überschlagenes Bein, um das leere Tabellenfeld durchzustreichen. Ava hatte sich derweil über ihren eigenen Oberkörper gebeugt, um ihre Notizen auf dem Schminktisch glattzustreichen. Vereinzelte Strähnen fielen ihr dabei aus ihrem Fischgrätenzopf ins Gesicht.

„Okay, nächste Kategorie", meinte sie daraufhin, wobei sie mit ihrem Kugelschreiber ein Feld weiter entlangfuhr, „Trennungsgründe." Über die Schulter warf sie mir einen neugierigen Blick zu. Es war für mich nicht nötig nachzusehen, was ich aufgeschrieben hatte. Schließlich waren aus diesem Grund bereits mehrere meiner Beziehungen gescheitert, bevor sie überhaupt erst richtig begonnen hatten.

„Materialismus."

Verächtlich pustete ich mir meine Stirnfransen aus dem Gesicht und Avas Lächeln verfloss zu einem pfirsichfarbenen Strich. Ihre Augen schweiften von mir ab und glitten stattdessen den Boden entlang. Ein wenig irritiert folgte ich ihrem Blick. „Alles in Ordnung?", fragte ich sie und musterte wieder ihr Profil. Den Stift und das Papier ließ ich beiläufig in meiner Hosentasche verschwinden. Es war ein guter Zeitpunkt, das Spiel zu beenden.

Ava kam nicht dazu, mir zu antworten, denn keinen Augenblick später stand die Visagistin mit einer frischen Dose Haarspray neben mir. „Kannst du nicht einmal für zwei Minuten deine Finger aus den Haaren lassen?", wetterte sie mich an, woraufhin sie genervt nach Luft schnappte und mir mit ihren Acrylnägeln die Strähnen zurück in die Stirn strich.

In der Zwischenzeit hatte auch Ava ihre Notizen beiseitegelegt und verdrehte in Angesicht der Situation belustigt ihre Augen. Ihre Beine ließ sie rhythmisch vor sich hin baumeln, sodass ihre Fersen aus ihren Pumps rutschten. Anstelle eines engen Kleides trug sie heute einen hochgeschlossenen Einteiler, der durch seinen breiten Gürtel ihre Taille perfekt in Szene setzte. Allgemein ließ das Outfit sie heute um einiges älter wirken. Ich hätte mich stundenlang zurücklehnen und sie anschauen können, doch der Sprühnebel aus Haarspray legte sich wie eine undurchdringliche Wolke zwischen uns.

Als ich wieder etwas erkennen konnte, hatte die Visagistin mir den Rücken zugewandt. „Und jetzt zu dir, Felicité", sie hielt den Zeigefinger auf Ava gerichtet, „ein Schminktisch ist keine Fernsehcouch, auf der du es dir einfach mal so bequem machen kannst, wenn dir danach ist. Runter mit dir. Sofort." Sie hatte ihre Hand weiterhin ausgestreckt und legte darüber hinaus den Kopf leicht schief. Es dauerte eine Weile, bis Ava verstand, dass sie gemeint war. Offiziell hatte ich sie heute unter dem Namen meiner Schwester auf das Event geschmuggelt und bisher hatte auch niemand Fragen gestellt. Nervös fasste sie sich mit beiden Händen an den Kragen. „Wird nicht mehr vorkommen", sagte sie kleinlaut. Mit gesenktem Kopf rutschte sie danach von der Kante und stellte sich etwas abseits von uns in eine Ecke, wo sie ihr Handy aus ihrer Umhängetasche fischte.

Die Visagistin lockerte ihre Haltung und beugte sich über den Schminktisch, Avas Kleinkram fegte sie mit dem Unterarm lieblos in den Metallpapierkorb, der direkt an den Schminktisch schloss. „Wir beide wären soweit fertig", meinte sie, ohne sich zu mir umzudrehen. Ich blieb einen Moment sitzen, um sicherzugehen, dass sie doch noch etwas dazusagen wollte, aber demnach war es nicht.

Wortlos stütze ich mich mit beiden Händen an den Seitenlehnen hoch. Die Klappstühle um uns herum waren bereits größtenteils leer, ein paar wenige Models ließen sich noch den letzten Hauch an Puder auftragen. Ava schien mich gar nicht auf sie zukommen zu sehen, so vertieft war sie darin, mit ihren Daumen um die Wette zu tippen.

Sie schreckte ein wenig zurück, als ich meine Arme um ihre Hüften legte. „Oh, hey du", sie atmete in flatterhaften Strömen und drückte mit beiden Händen ihr Smartphone an ihren Brustkorb, „du hast mich erschreckt." Sie senkte ihren Kopf und starrte auf den Boden. „An deiner Stelle würde ich lieber die Finger von mir lassen. Ich glaube, es kommt nicht so gut, wenn du deine angebliche kleine Schwester hier so befummelst. Ich schiebe hier sowieso schon ständig Paranoia, dass mich irgendjemand erkannt hat." Für einen Atemzug verschwand das Dauergrinsen aus meinem Gesicht und ich trat einen großen Schritt zurück.

„Wieso sollte das denn passieren? Bisher habe ich dich ja kaum jemandem vorgestellt", zweifelte ich und verschränkte meine Arme herausfordernd vor der Brust. Zögernd sah Ava zu mir auf. Ihre Stimme wurde ganz leise, als sie sich etwas weiter zu mir nach vor lehnte. „Wegen dem einen Bild, das damals die Runden gemacht hat. Du weißt schon, das am Bahnhof." Nachdenklich zog ich die Innenseite meiner Wange zwischen die Zähne. Dieser Schnappschuss hatte uns tatsächlich eine Menge Ärger eingebracht.

Ava ließ ihre Hände sinken und sah mich hoffnungsvoll an, wohingegen ich die dunkelgraue Wand hinter ihr nach Antworten absuchte. „Das ist doch mindestens zwei Monate her, daran denkt doch schon gar keiner mehr", erwiderte ich schließlich, aber Ava wog frustriert den Kopf hin und her. „Wenn das nur so wäre. Ich werde bis heute von irgendwelchen Leuten auf Instagram angeschrieben, die meinen, mich auf dem Bild erkannt zu machen. Ich kann nicht mal mehr normal rausgehen, ohne das Gefühl zu haben, ständig von jedem beobachtet zu werden."

„Es kann ja gut sein, dass die Sache bei euch Fans noch Thema ist", meinte ich und tastete nach ihrem Handy, um es ihr abzunehmen und in das Vorderfach ihrer Tasche zu schieben, „aber hier sind alle erwachsene Menschen, denen es nicht anders als uns geht - nur dass sie sich im Laufe der Zeit daran gewöhnt haben. Wer hier was mit wem am Laufen hat, ist deren kleinstes Problem." Mit einem Ruck zog ich den Reißverschluss zu und griff versteckt hinter der Tasche nach Avas Hand.

„Wahrscheinlich habe ich einfach zu viel Angst, dich zu verlieren", seufzte sie. Ihre Stimme klang derart brüchig, dass ich befürchtete, dass Ava jeden Moment heulend in meine Arme fallen würde. Ich zuckte schwach mit den Schultern, setzte mein sanftestes Lächeln auf und fuhr mit meinen Augen ihre Konturen entlang. „Alles wird gut."

Vom anderen Ende des Raums rief einer der Sicherheitsmänner meinen Namen. „Du solltest gehen. Ansonsten hat die Presse kein neues Material, das sehenswert und interessant genug ist, um es zu veröffentlichen und Artikel darüber zu tippen", sprach Ava mir liebevoll zu und strich mit ihrem Fingernägel die kleinen Fältchen am Ärmel meines Sakkos aus. Über die Schulter warf ich einen flüchtigen Blick auf den Schminktisch, auf dem sie zuvor gesessen hatte und wandte mich daraufhin wieder Ava zu. Ich fragte sie, ob sie bereits alles eingepackt hatte.

Verwirrt drehte sie eine dünne Haarsträhne um ihre Fingerspitzen. „Warum hätte ich das denn tun sollen? Ich dachte, es wäre okay, wenn ich hier auf dich warten würde." Abermals zog ich sie in eine innige Umarmung. „Lou Tomlinson", zischte sie mir zu, doch ich schüttelte nur den Kopf, „was hast du vor?" Ich brauche gar nicht zu antworten, denn Avas Augen leuchteten mit einem Mal heller als das Blitzlichtgewitter, das uns hinter dem Vorhang erwartete.

Ich gab mir noch einen letzten Kuss auf die Stirn, bevor ihre Füße zum ersten Mal den roten Teppich betraten.

half blue skies | 𝐨𝐧𝐞 𝐝𝐢𝐫𝐞𝐜𝐭𝐢𝐨𝐧Where stories live. Discover now