track 2

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track 2
Disc 4
Track 2 - Ready to Run
» wherever you are is the place i belong «
NIALL
im vierten Jahr nach der Trennung von One Direction

"Oh wow, das sind wirklich eine Menge Anzüge", seufzte Artie, als er meinen Kleiderschrank aufschob. Er ließ seine Finger über die Stoffe gleiten und zog einige der Sakkos aus der Ablage zu sich heran. "Ich weiß nicht, warum, aber ich habe dich so gar nicht für einen Schlipsträger gehalten." Verlegen kratzte ich mich an der Stirn. Schließlich bekam ich solche Reaktionen öfters. "Früher hab' ich es eigentlich immer gehasst, welche zu tragen. Ich war so ein cooler Typ, der nur in Lederjacken herumlief. Auch auf Veranstaltungen", sagte ich. Artie warf mir daraufhin einen belustigten Blick zu und ließ den Sakko wieder zwischen die anderen fallen. "Was hat deine Meinung also ändern lassen?" - " Die Sponsoren und das Alter."

Gespielt beeindruckt prustete Artie Luft aus. "Klingt nach einem ziemlichen bescheidenen Leben, das du da führst." Zaghaft zog ich meine Unterlippe zwischen die Zähne und verschränkte die Arme vor der Brust. In Momenten wie diesen kam ich mir unglaublich versnobt vor, und es gab nichts, das ich annähernd so sehr verabscheute. Aber die Währung des Ruhms war nun einmal der Materialismus. Es war zwar widerlich, aber die bittersüße Wahrheit. "Am Ende des Tages sind es auch nur Anzüge", sagte ich deshalb. Arties Blick wechselte von dem Kleiderschrank zu mir, offensichtlich las er mir meine Gedanken von meinem Blick ab. "Sag nicht, du schämst dich gerade etwa?"

Ich schüttelte den Kopf. "Nein, es ist nicht, dass ich mich schäme", erwiderte ich, "es ist nur ... das ist nicht das, was ich bin. All diese Klamotten und all diese ... Marken." "Niall, ich weiß, wer du bist, und ich weiß, wer du vor ein paar Jahren gewesen bist - nämlich alles andere als ein versnobter Trottel. Ich habe dich etwas gefragt und du hast mir ehrlich geantwortet. Du hast nichts falsch gemacht", antwortete Artie, streckte seine Hand aus und klopfte mir auf die Schulter. "Wie machst du das?" Er zog irritiert die Augenbrauen zusammen, "wie mache ich was?" "Dass du über alles so reflektiert nachdenkst. Du musst mit so viel zurechtkommen und lässt dich trotzdem nicht unterkriegen.  Und dann gibt es da noch mich... über jede Kleinigkeit, die ich sage oder tue, denke ich offensichtlich so lange nach, bis es mich in den Wahnsinn treibt", sagte ich.

"Kann ich dich fragen, ob es sein kann, dass du wieder deine Medikamente nimmst?"

Von einem Moment auf den anderen hörte mein Herz auf zu schlagen und ich vergaß einatmen. "Wie kommst du darauf?", hakte ich nach und zog den Stoff meines Sweatshirts zwischen meine Fingern. Ein dunkler Schimmer huschte über Arties Augen. "Ich dachte nur, so wie du dich verhältst, hättest sie vielleicht einmal wieder genommen und danach wieder abgesetzt. Immerhin hast du dich in den letzten Monaten wirklich gut geschlagen, und ich kann absolut nachvollziehen, wenn dich diese Sache mit deiner Emma ein bisschen aus der Bahn geworfen haben sollte.  Das ist menschlich. Aber lass dich davon nicht fertig machen, ja?" Flüchtig schaute ich von ihm weg auf den Boden. "Ich hab' keine Medikamente genommen", murmelte ich mehr zu mir selbst als zu ihm, "ich habe sie seither keine einziges Mal angerührt. Klar, ich denke ab und an daran, aber warum sollte ich mir den Kopf über etwas zerbrechen, das ich sowieso nicht ändern kann. Das ist genauso wie ..."

"... die Anzüge", beendete Artie den Satz an meiner Stelle. Eigentlich hätte ich mich komplett in meiner Melodramatik versenken wollen, aber irgendwie gefiel mir Arties Denkweise besser als meine, weswegen ich es dabei beließ. Vielleicht hat er es so durch sein Leben gekämpft. Er hatte die Schattenseiten nicht ausgeblendet, er hatte sie bloß nicht zu nahe an sich herangelassen.

Ich wandte mich von ihm ab, löste meine Arme aus ihrem Griff und schob meine Hände in die Vordertaschen meiner Jeans. Mein Blick glitt dabei über die herunterhängenden Sakkos und die dazupassenden Hosen. "Ja, klar, die Anzüge. Ich weiß übrigens immer noch nicht, was ich anziehen soll", seufzte ich und hoffte, dass Artie bei dem Themenwechsel mitspielen würde. Und das tat er, denn seine Lippen zogen sich zu einem sanften Lächeln, als er abermals damit begann, die Anzüge durchzugehen. "Wie wäre es mit diesem hier?", schlug er vor und zog einen aus der Menge heraus, "der ist ziemlich klassisch. Matt. Schwarz. Ich glaube nicht, dass du damit etwas falsch machen kannst. Den kannst du ja zum Beispiel einfach zu einem braunen Hemd und diesen Schuhen, die du immer anhast, anziehen. Ich kann mir vorstellen, dass das gut passen würde." Er zog das besagte Sakko aus dem Schrank und hielt es vor meinen Oberkörper. "Ja, das würde es auf jeden Fall."

Auch ich schaute mir den Anzug nun ein wenig genauer an. Ich konnte mich zwar daran erinnern, dass ich ihn vor ein paar Jahren auf irgendeiner One Direction-Veranstaltung getragen hatte, aber ich hätte nicht sagen können, welche es genau gewesen war. Ich konnte mich lediglich daran erinnern, wie es sich anfühlte, den Stoff auf meiner Haut zu tragen und neben vier meiner besten Freunde den roten Teppich entlangzuschreiten. Gedankenverloren ließ ich meine Finger über den Ärmel des Sakkos gleiten. Für einen kurzen Augenblick sah ich die Bilder von damals vor meinem inneren Auge aufblitzen, was mein Herz schneller schlagen ließ und gleichzeitig meinen Verstand freimachte.

"Dann werde ich das wohl tun", sagte ich mit einem unbewussten Lächeln, das mir ins Gesicht geschrieben stand, und ließ den Ärmel los. Etwas überrascht winkte Artie mich ab. "Es war nur eine grobe Idee, Niall. Einfach die erste, die mir beim groben Durchschauen in den Sinn gekommen ist. Du solltest besser einen Designer oder eine irgendeine von deinen Modelfreundinnen fragen. Die wissen im Gegensatz zu mir, wovon sie überhaupt reden", versuchte er sich rauszuwinden. Wohingegen er immer noch sehr ruhig und gefasst klang, ertappte ich mich dabei, wie ich mich erneut in meinem Gedankenchaos verlor. Ich war durch und durch ein Nostalgiker, das war keine Frage. Ich war sogar ein so überzeugter Nostalgiker, dass ich wusste, dass es mich niemand von der Entscheidung abbringen könnte, genau diesen einen Anzug an Zayns Hochzeit tragen zu wollen.

half blue skies | 𝐨𝐧𝐞 𝐝𝐢𝐫𝐞𝐜𝐭𝐢𝐨𝐧Nơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ