track 14

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Disc 2
Track 14 - She's Not Afraid
» how come she's so afraid of falling in love? «
LIAM
im zweiten Jahr nach der Trennung von One Direction


Mein Leben war auf Stillstand. Die meisten Termine in meinem Kalender waren durchgestrichen oder verwiesen mit ein paar schief hingekritzelten Pfeilen auf ein anderes Datum. Die frische Herbstluft kündigte das nächste Schlechtwetter an und ich befand mich genau wieder dort, wo ich es auch schon vor einem Jahr kaum hatte abwarten können, den Tag endlich hinter mich zu bringen - alleine und ich meiner Zweizimmerwohnung.

Ich starrte weiterhin geradeaus auf die Holzverkleidung der Decke. Mein Kopf sank dabei etwas weiter in mein Kissen und ich fuhr mir kurzerhand mit beiden Händen von den Wangen bis zur Stirn. Dafür, dass ich mich seit heute Morgen keinen einzigen Zentimeter aus meinem Bett bewegt hatte, fühlte ich mich nicht einmal ganz so schlapp.

Doch im Gegenzug dazu fühlte ich fühlte ich mich in diesem Moment so allein wie schon lange nicht mehr. Ich war es schon immer gewohnt, meine echten Freunde an den Fingern abzählen zu können, aber ich hatte zumindest immer meinen geregelten Tagesablauf und konkrete Ziele gehabt, auf die ich hinarbeiten hatte können. Die Ziele waren zwar noch immer da, aber dafür um mindestens ein Jahr aufgeschoben.

Meine Gedanken schweiften von meinem Job zu dem Bargespräch mit Niall. An die Worte, die er zu mir gesagt hatte, bevor wir gegangen sind und an das Gefühl, ihm geholfen zu haben, indem ich einfach nur das getan hatte, was ich für richtig und selbstverständlich gehalten hatte. Ich war kein schlechter Mensch, der es verdiente, einsam in seiner Wohnung herumzuliegen. Das wusste ich. Und doch war Einsamkeit in letzter Zeit das einzige Gefühl, das ich kannte und es zerstörte mich von innen heraus.

Unter einem tiefen Seufzen ließ ich die Hände von meinem Gesicht ab, langte stattdessen nach meinem Handy auf dem Beistelltisch und drehte mich auf den Bauch. Währenddessen ich das Display leicht schräg vor mein Gesicht hielt, hatte ich den Kopf mit der anderen Hand auf der Matratze abgestürzt. Lustlos scrollte ich über den Bildschirm und klickte mich von einem sozialen Netzwerk in das nächste. Wonach oder nach wem ich suchte, wusste ich selbst nicht so genau.

Ich vergrub das Gesicht in meinem Kissen. Es gab so viele Möglichkeiten, mit jemandem ein Gespräch aufzubauen und doch brachte mich schon der alleinige Gedanke daran um meinen Verstand. Schreiben und Telefonieren würde mir nicht helfen, so gut kannte ich mich schon. Ich mochte den Körperkontakt, unabsichtliche Berührungen und das Ineinanderverlieren. Im Internet konnte man das nicht. Zumindest ich konnte das nicht.

Meine Finger wischten zu der Anrufliste zu meinen Kontakten. Wenn ich mich mit jemandem treffen wollte, musste nun mal eben ein Anruf oder ein kurzer Text her, egal ob ich wollte oder nicht. Mit der Zeit hatte ich herausgefunden, wie schwer es mir mittlerweile fiel, jemanden anzusprechen und einen guten Draht zueinander aufzubauen. Nicht etwa, weil ich so bekannt war, sondern weil ich immer den Gedanken im Hinterkopf hatte, nicht der zu sein oder nicht das geben zu können, was der Andere verdient hatte.

Gegen Mitte meiner Kontakte hielt ich meinen Daumen auf das Display gedrückt, um die Liste zum Stehen zu bringen. Nachdenklich fuhr ich mir durch die Haare und über meinen Bartansatz, meine Augen glitten dabei immer wieder über ein- und denselben Namen. Alanis.

Wie oft ich Alanis bisher gesehen hatte, konnte ich aus dem Stegreif aufzählen. Es war in der Zeit mit One Direction gewesen und immer nur bei managementinternen Treffen, in denen es nicht um viel ging. Meistens war sie diejenige gewesen, die am anderen Ende des Tisches gesessen und kaum etwas gesagt hatte. Aber wenn sie einmal etwas gesagt hatte, dann in einer solch einer Schlagfertigkeit und mit einem Selbstbewusstsein, wie ich es selten bei jemandem erlebt hatte.

Selbst mit den besten Absätzen hatte Alanis mir gerade bis zu den Schultern gereicht. Es war kein einziger Tag vergangen, an dem sie keine hohen Schuhe getragen hatte und sie hatte bemerkt, dass mir das aufgefallen war. Anstatt wie sonst auch einfach an mir vorbeizugehen, war sie nach unserem letzten Treffen stehengeblieben hatte sich zu mir umgedreht und gemeint, dass sie schon gedacht hätte, es gäbe gar keine Männer mehr, die auf die Schuhe einer Frau achteten. Weniger Wochen später waren die Jungs und ich getrennte Wege eingeschlagen, ich hatte das Management gewechselt und somit auch Alanis aus den Augen verloren.

Damals musste sie ungefähr achtzehn Jahre alt gewesen sein, vielleicht auch neunzehn. Sie war nach ihrem Schulabschluss und mit einer Reihe von Stipendien auf der Kante von Ontario nach London gereist, weil sie meinte, dass hier der ideale Startpunkt für den Durchbruch im Musikgeschäft wäre. Ihr Akzent gehörte mit zu den Dingen, die ich in meinem Leben wohl nie vergessen würde.

Ich tippte auf ihren Namen und anschließend auf das kleine Nachrichtensymbol in der Kontaktinformation. Wir hatten noch nie miteinander geschrieben und vermutlich hatte sie meine Nummer gar nicht erst eingespeichert. Gedankenverloren trommelte ich mit den Fingerspitzen auf der Rückseite meines Handys herum. Was schrieb man einer Frau, mit der man so wenig zu tun hatte, dass man nicht einmal wusste, ob sie überhaupt wieder in Großbritannien lebte? Oder ob sie sogar genau wie ich in London wohnte, wie sie es sich immer erträumt hatte?

Ein paar Minuten lag ich einfach nur da und starrte Löcher in das Display. So lange, bis meine Augen zu tränen begannen und ich mir mit dem Handrücken darüberreiben musste. Hin und wieder tippte ich ein paar wenige Buchstaben in das Textfeld, aber die waren schneller wieder gelöscht als dass sie einen sinnvollen Satz ergaben. Abermals wechselte mein Blick von meinem Handy zur Decke. Meine Gedanken ratterten nur so vor sich hin und dennoch schienen sie keinen Sinn zu ergeben.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich es dann schließlich doch geschafft, einen Zweizeiler an Alanis abzusenden. Wahrscheinlich war er viel zu knapp und unprofessionell, aber ich war stolz darauf, auch nur irgendetwas dort stehen zu haben.

In einer Stunde an Themse, bei der alten Eisenbrücke. Du weißt schon.

- Liam (der von One Direction, das weißt du vielleicht auch noch)

14:52

Es war bei Weitem keine Nachricht, auf die ich stolz war. Sie war weder einfallsreich noch etwas, worüber ich mich an ihrer Stelle freuen und direkt aus der Wohnung zum Fluss stürmen würde. Vielleicht sollte ich mich doch wieder meinen unfertigen Liedtexten widmen, als weiter irgendwelche unbeholfenen Nachrichten um den Globus zu senden, dachte ich. Vermutlich würde sie mich sowieso erneut abblitzen lassen. So wie damals im Türrahmen, als ich sie noch ein letztes mal zurückgehalten und sie schon einmal gefragt hatte, ob wir einander später am Fluss treffen wollte. Sie hatte gelächelt und gemeint, sie würde es sich überlegen.

Und ich hatte vergeblich auf sie gewartet.

half blue skies | 𝐨𝐧𝐞 𝐝𝐢𝐫𝐞𝐜𝐭𝐢𝐨𝐧Where stories live. Discover now