track 13

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Disc 1
Track 13 - Stole My Heart
» there is no other place that I would rather be «
LOUIS
im ersten Jahr nach der Trennung von One Direction

Das Wasser schwappte über den Randstein, als ich hinter Ava durch eine Pfütze fuhr. Im fahlen Licht der Straßenlaternen kurvten wir unseren Weg durch die leeren Straßen. Kurz sah sie zu mir zurück und lächelte mich an, der kühle Wind wehte ihr die Haare ins Gesicht. Ich trat etwas fester in die Pedale und lenkte auf die Gegenfahrbahn. Um diese Uhrzeit fuhren ohnehin keine Autos mehr. Nicht in Doncaster.

Die Nacht hätte ewig so weitergehen können. Manchmal waren ein Fahrrad und Musik aus Handylautsprechern das Einzige, das man brauchte, um sich lebendig zu fühlen. „Wir müssen dort vorne einbiegen!", rief ich Ava zu und fuhr etwas näher an sie heran. Augenblicklich wandte sie sich in meine Richtung. Ein paar Strähnen klebten an ihren glänzenden Lippen. „Hast du etwas gesagt?", fragte sie mich mit zusammengezogenen Augenbrauen. Ich nickte nach rechts. „Wir sind gleich da", meinte ich. Sie richtete sich auf, zog erneut an mir vorbei und verblasste schließlich inmitten der Backtsteinhäuser.

Bereits von Weitem konnte man das Schild des Kinos aufflackern sehen. Bei ein paar Buchstaben waren die Glühbirnen schon ausgebrannt, doch anders kannte ich es gar nicht. Langsam kurvte ich den Parkplatz entlang, der Kies knirschte unter meinen Reifen. Vorsichtig setzte ich meine Füße von den Pedalen ab und rollte auf dem Rad vor mich hin.

„Lou!"

Ava winkte mit beiden Armen in die Luft. Das Fahrrad hatte sie bereits neben sich abgestellt und am Zaun verriegelt. Allmählich kam ich neben ihr zum Stehen. „Hast du Lottie schon irgendwo gesehen?" Sie schüttelten Kopf, „nein, vielleicht verspätet sie sich ja ein bisschen." Kurzerhand blickte über meine Schultern. „So wie ich sie kenne, wartet sie wahrscheinlich bereits drinnen auf uns", meinte ich. Ich kniete mich auf den Asphalt und montierte das Schloss um die Achse meines Fahrrads. „Oder eben so", murmelte währenddessen Ava vor sich hin, wobei sie aufgeregt auf ihren Zehenspitzen hin- und herwippte.

Wir ließen die Glastür hinter uns zufallen und wurden sogleich in eine Wolke aus Popcorn und Billigcola eingelullt. Das Kino sah auch innen noch genauso aus wie ich es in Erinnerung hatte - mit denselben roten Tresen, abgenutzten Tapeten und immer noch keinen Getränkeautomaten. Von der Kasse aus lief Lottie auf uns zu, in ihren Händen hielt sie drei Tickets. „Tut mir leid, aber ich hab' es draußen nicht länger ausgehalten. Es war einfach zu kalt", lachte sie und fiel mir daraufhin um den Hals. „Endlich bist du wieder da", flüsterte sie mir zu. Wir hatten einander das letzte Mal im Sommer gesehen. Inzwischen waren ihre Haare ausgeblichener und ihre Kleidung figurbetonter geworden.

Harry hatte auf meine Nachricht, ob ich ihn einmal in London besuchen könne, nicht reagiert. Das tat er schon lange nicht mehr. Wahrscheinlich schwang er sich gerade von einer Promifeier zur nächsten, mit zu viel Alkohol im Blut und ein paar Models in den Armen, die über ihn herfielen. Schließlich war er Harry Styles. Es gab nichts, das er tun könnte, ohne dass er bejubelt und dafür geliebt wurde. So war es von Anfang an schon gewesen. Und ich konnte da wohl einfach nicht mithalten.

Lottie löste sich aus meiner Umarmung und sah mich breit grinsend an. Ihre blauen Augen glitzerten. „Wie geht es dir?", fragte sie mich. „Mir geht's gut und dir? Ist zuhause alles in Ordnung?" Das Lächeln auf Lotties Gesicht verschwand, sie senkte ihren Kopf zum Boden und schaute flüchtig zu mir auf. „Du weißt, wie es ist. Wir versuchen, das Beste aus der Situation zu machen, aber das ist alles andere als einfach." Sie seufzte und ich zog sie zurück in meinen Arm. „Vielleicht sollte ich direkt morgen bei uns vorbeischauen", meinte ich, woraufhin sie eifrig nickte und ihre blonden Strähnen meine Nase kitzelten. „Auf jeden Fall. Du fehlst so sehr, Lou."

Abermals ließen wir voneinander ab. Lottie wischte sich mit beiden Händen die Tränen von ihren Wangen, als ihr Blick auf Ava fiel, die etwas abseits von uns stand und gedankenverloren auf ihrem Handy tippte. Das machte sie immer, wenn sie sich unsicher fühlte. Lottie ging ein paar Schritte auf sie zu und reichte ihr die Hand. „Du musst also Avery sein. Ich bin Charlotte, Louis' älteste kleine Schwester. Freut mich, dich endlich kennenzulernen." Überrascht sah Ava von ihrem Display auf und musterte Lottie mit geweiteten Augen. „Oh, hallo", sagte sie schüchtern, während sie ihr Smartphone zurück in ihre Hosentasche schob. Dann willigte sie den Händedruck ein. „Du kannst mich gerne Ava nennen. Außer meinem Vater nennt mich eigentlich niemand Avery." Obwohl Ava größer und auch älter als Lottie war, wirkte sie neben ihr irgendwie verloren.

„Wenn du möchtest, kannst du in der Zwischenzeit schon einmal Popcorn und Pepsi holen", schlug ich ihr daher vor, zog einen zerknüllten Geldschein aus meiner Hosentasche und hielt ihn ihr entgegen. Sie nickte Lottie und mir verständnisvoll zu. „Klar, das mache ich doch gerne." Auch wenn ich nichts sagte, wusste sie, wie sehr ich solch kleinen Dinge wertschätzte. Abgesehen davon hatte ich sie die vergangenen Wochen nächtelang wachgehalten und mich darüber ausgeheult, wie sehr ich meine Familie vermisste.

„Sie ist lieb", Lottie sah Ava noch eine Weile hinterher, bis diese sich über den Tresen lehnte, „aber ich weiß nicht so recht." Ich warf Lottie einen fragenden Blick zu. Sie war einer der ehrlichsten Menschen, die ich kannte. Ihre Meinung über Ava bedeutete mir unglaublich viel und würde vermutlich darüber entscheiden, ob ich sie demnächst auch meiner restlichen Familie vorstellen würde.

„Was ist los?", hakte ich vorsichtig nach. „Ich glaube dir ja, dass sie ein süßes Mädchen ist und es sei jetzt einmal dahingestellt, dass sie ein Fan von dir ist. Aber ich glaube, dass sie einfach noch nicht weit genug für eine ernsthafte Beziehung ist." Danach seufzte Lottie auf, „bitte versteh mich jetzt nicht falsch." „Alles gut. Ich muss zugeben, dass ich auch eine Weile gebraucht hab', bis ich mich so richtig in die Beziehung eingelebt habe. Aber seitdem die Sache mit Eleanor geklärt ist, läuft alles besser als ich es mir je hätte vorstellen können."

Grübchen zeichneten sich auf Lottie Haut ab. „Ach, Lou. Ich freu' mich wirklich für dich und ich denke, das weißt du auch. Ich will bloß nicht, dass du dir durch deine rosarote Brille wieder dein Herz brechen lässt." Sie legte eine Hand an meinen Kieferknochen und drückte mir einen leichten Kuss auf die Wange.

Wir beide drehten uns gleichzeitig um, als wir aus dem Augenwinkel Ava auf uns zukommen sahen. Mit dem einen Arm hatte sie den Eimer Popcorn umklammert, der größer war als ihr Kopf, und in der anderen Hand balancierte sie einen Pappbecher, aus dem schief zwei Strohhalme hervorschauten. Dabei stolperte sie beinahe über ihre losen Schnürsenkel.

Ava war das süßeste Geheimnis, das ich je gehütet hatte.

half blue skies | 𝐨𝐧𝐞 𝐝𝐢𝐫𝐞𝐜𝐭𝐢𝐨𝐧Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt