track 13

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Disc 4
Track 13 - Change Your Ticket
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ZAYN
im vierten Jahr nach der Trennung von One Direction

Gigi ging vor mir durch das Gras, das hier so hoch wuchs, dass es über unsere Knie ragte und wir es bei jedem Schritt mit den Handflächen zur Seite streichen mussten. Sie drehte den Kopf zu mir zurück, ihre Augen glitzerten im Sonnenlicht. "Wir sind fast da", schwelgte sie und sah sich in alle Richtungen um, "warum bin ich eigentlich so aufgeregt? Als ob es unser letzter Tag wäre und alles, was ich will, ist nur ... die Welt, in der wir leben, ein letztes Mal zu sehen. Als ob wir gerade ein neues Land gefunden hätten, und alles, was ich will, ist einfach ... zu sehen und zu erkunden, wie es noch niemand zuvor getan hat und es nie tun wird. Immerhin ist es gar nicht mal allzu lange her, dass ich zum letzten Mal hier war." Ein rosiger Schimmer huschte über ihre Wangen, und ich konnte nicht anders, als Gigi anzusehen und zu sie anzulächeln.

Die Welt geht nicht unter, wir tauchen nur ein wenig tiefer in sie hinein.

Und genau das war es, was ich ihr auch sagte. Sie schüttelte lachend den Kopf und strich sich die Strähnen, die aus ihren beiden geflochtenen Zöpfen hervorschauten, hinter die Ohren. Währenddessen wir daraufhin weitergingen, verlangsamte sie nach und nach ihr Tempo, um sich meinem anzupassen. Ich nahm wahr, wie ihre Finger über meinen Handrücken strichen und ich verschränkte sie mit meinen.

Allmählich verwandelte sich das Gras unter unseren Füßen zu braunem Gestein und das Zwitschern der Vögel wurde von dem Rauschen von Wasser ertränkt. Unbewusst verfestigte ich unseren Griff. Nicht etwa, weil ich Angst hatte, rücklings auszurutschen und auf dem Stein aufzuschlagen, sondern deswegen, weil das Adrenalin in einem solchen Tempo durch meine Adern strömte, dass ich glaubte, die Kontrolle über meine Sinne zu verlieren. Schlag auf Schlag. Bis alles nur noch schwarz und leer war.

Unmittelbar vor uns ragte die Felswand in die Höhe, die Gigi eben bereits aus der Ferne erkannt hatte. Wasser brach sowohl aus als auch über ihr hervor und floss in Strömen das Gehänge hinunter, wo es in gewaltigen Brechwellen zerschellte und anschließend in einem ruhigen See zerfloss. Zwischen den Gesteinen um den See herum bröckelte in den Spalten etwas Erde heraus. Dort wuchsen paar wenige ausgedörrte Blumen und lockten mit ihrem Duft einen Schwarm bienenartiger Insekten an.

"Dieser Ort ist wirklich unglaublich", flüsterte ich kaum hörbar, doch Gigi schien mich zu verstehen, denn sie lehnte sich gegen meine Schulter und seufzte verträumt auf. "Das ist er. Aber du wolltest mir ja nicht glauben und ich konnte gar nicht anders, als dich am Handgelenk zu packen und einfach hierher zu zerren und dich vom Gegenteil zu überzeugen", erwiderte sie. Das Lächeln auf ihren Lippen war deutlich aus ihrer Stimme herauszuhören. Ich drehte meinen Kopf zu ihr und schaute in ihre Augen, die mich bereits die ganze Zeit gemustert hatten. In diesem Moment fiel mir das Atmen unheimlich schwer. Nach all den Jahren schaffte es Gigi noch immer jedes Mal aufs Neue, mir den Atem so zu rauben wie an dem Abend, an dem wir uns kennengelernt hatten. Und ich war süchtig danach. Süchtig nach ihr.

"Ich liebe dich so, so verdammt sehr." - "Und ich liebe dich."

Meine Hand löste sich aus ihrer. Stattdessen fasste ich sie an ihrem Kiefer und zog sie in einen innigen Kuss. Meine Lippen berührten ihre und ich spürte, wie sie nach mehr verlangte. Er fühlte sich an wie einer dieser dramatischen Küsse in Teenagerfilmen. Mit Schmetterlingen im Bauch und Herzklopfen. Mit dem kleinen Unterschied, dass es sich nicht um eine Filmszene handelte, sondern um einen Vers in unserer Liebesgeschichte.

Nach einer Weile ließ ich von ihr ab. Meine Finger wanderten über ihr Gesicht und blieben schließlich an ihrer Taille stehen. "Ich vermute, du willst erstmal baden gehen, stimmt's?", fragte ich sie, wobei nickte ich in Richtung des Sees nickte. Doch entgegen meiner Erwartung schüttelte Gigi darauf lediglich den Kopf. "Nein, dafür bin ich eindeutig zu nüchtern." Grinsend verdrehte ich die Augen, "ach ja, stimmt - wie konnte ich das nur vergessen. Aber ich dachte, dass das der eigentliche Grund war, warum du mit mir hierherkommen wolltest. Um gemeinsam durch den Wasserfall zu schwimmen", sagte ich und beobachtete, wie Gigi den Kopf hin und her wiegte. "Es ist nicht so, dass ich nicht will, aber ich fühle mich dabei einfach nicht sicher. Hier draußen kann ich wenigstens klar und deutlich sehen, wo ich hintrete."

Kurzerhand blickte ich von ihr weg auf das Wasser. Tatsächlich konnte man unter der Oberfläche nicht sonderlich viel erkennen, und wenn Gigi meinte, sie wüsste nicht, was sich dort verbarg und nur darauf wartete, uns in die Fußsohlen zu piksen, dann wollte ich da gar nicht erst darüber nachdenken. "Verständlich. Also ... wollen wir uns einfach hinlegen, tagträumen und kuscheln ... und so weiter?", schlug ich daher vor. Gigi streckte jedoch ihren Zeigefinger gerade aus nach vorn, "von mir aus können wir das gern später machen, wenn die Sonne langsam untergeht. Ich hätte mir nämlich überlegt, dass wir zu diesem Felsvorsprung hochklettern. Ich glaube, von da oben haben wir einen unfassbaren Blick über die ganze Gegend. Vielleicht sogar bis in den Libanon", sagte sie indessen. Ich ließ meinen Blick ihrem Zeigefinger folgen und blieb an einem kleinen Plateau inmitten der Felswand hängen.

"Du willst mir also erzählen, dass es sicherer ist, dort raufzuklettern, als mal eben kurz ins Wasser zu gehen?", hakte ich skeptisch nach und schaute erneut zu ihr. Indessen nickte sie fest überzeugt vor sich hin. "Meine Eltern sind mit mir und meinen Geschwistern auf Berge und Felsen geklettert, als wir noch nicht einmal laufen konnten. Auf Felsen, die viel höher und unsicherer waren als dieser hier. Aber ich will es Ihnen nicht aufzwingen. Ich bin irgendwie schon davon ausgegangen, dass du dich damit nicht wohlfühlen würdest. Und das ist vollkommen in Ordnung." Sie formte ihre Lippenwinkel zu einem verlegenen Lächeln und trat einen Schritt nach hinten, doch ich kam ihr zuvor und zog sie in meine Arme zurück.

Währenddessen ich mich immer weiter in ihren Augen verlor, ließ ich mir ihre Worte ein weiteres Mal durch den Kopf gehen. Ich fing an, mir parallel dazu vorzustellen, wie sie und ich oben auf dem Plateau saßen und unsere Beine den Wasserfall hinunterbaumelten. In verschiedenen Szenarien und mit verschiedenen Worten, die wir einander zuflüsterten. Aber eines blieb gleich - in jedem dieser Bilder fühlte mich an ihrer Seite wie der König der Welt. Und letztlich waren es doch gerade die Dinge, die man nicht getan hat, die man im Nachhinein bereute.

"Nein, ich stehe da voll und ganz hinter dir", sprach ich ihr zu, "Wir werden die Chance nie wieder bekommen, wenn ich mich nicht hier und jetzt dazu überwinde." "Zayn, sieh mal. Es war nie meine Absicht, dich zu etwas irgendetwas überwindet. Vor allem nicht meinetwegen. Da hochzuklettern war nur eine Idee wie eine dieser Ideen, die wir uns immer zusammen ausdenken, nur um später von ihnen träumen zu können", entgegnete Gigi sanft. Ich nahm einen tiefen Atemzug. "Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen. Ich habe es wirklich so gemeint, wie ich es gesagt habe. Ich weiß, wie besonders dieser Ort für dich ist. Hier liegen deine Wurzeln und ein Teil von dir wird immer hierhergehören. Es ist genau wie bei mir mit ... Bradford", antwortete ich, woraufhin wir beide anfingen, zu lachen. Gigi fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht und grinste mich durch die Zwischenräume ihrer Finger an, "nur ohne Wasserfälle und Hyänen."

Ich lehnte meine Stirn gegen ihre und wir drehten uns voneinander weg in Richtung des Wasserfalls und der darüber hinaus ragenden Klippen. Irgendwie würde ich es dort nach oben schaffen. Über die Felskanten und durch das Gewächs. Der alleinige Anblick ließ meinen Puls schneller werden und konnte mich auf jedem einzelnen der Felsbrocken stolpern und abschlittern sehen. Aber was soll's. Es war den Versuch wert. Und wir würden es hinbekommen. Die Bilder davon waren schließlich schon in meinem Kopf und fühlten sich zu realistisch an, um nicht wahr zu werden. Und dann würde mir niemand diesen Moment nehmen können. Weder Gigis Lächeln noch das Gefühl, wie ihr loses Haar im Wind mein Gesicht kitzeln würde.

Ich griff nach ihrer Hand.

half blue skies | 𝐨𝐧𝐞 𝐝𝐢𝐫𝐞𝐜𝐭𝐢𝐨𝐧Where stories live. Discover now