track 10

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Disc 2
Track 10 - Over Again
» admit we regret it from the start «
LOUIS
im zweiten Jahr nach der Trennung von One Direction


Ich vergrub mein Gesicht in dem Bezug meines Kissens, als ich eines meiner Geschwister an meinem Ärmel ziehen spürte. Am liebsten hätte ich den ganzen Vormittag damit verbracht, mich auszuschlafen, denn ich war erst spät in der Nacht angekommen. Aber die Betten neben mir waren bereits leer, es roch überall nach Deo und durch die gekippten Fenster erfüllte die frische Morgenluft den Raum.

"Lou!"

Mit zusammengekniffenen Augen schaute ich meiner Schwester dabei zu, wie sie zu mir aufs Bett kletterte und sich neben mich legte. Die Hände hatte sie unter ihrem Kinn angewinkelt. "Hey, Schlafmütze. Zeit, aufzustehen", flüsterte sie und kam mir so nahe, dass unsere Nasenspitzen einander berührten. Es blieb mir nichts anderes, als mich ihr geschlagen zu geben. "Auch dir einen guten Morgen, Phoebe", seufzte ich deshalb. Mit der einen Hand fuhr ich mir beiläufig über mein verschlafenes Gesicht. Meine Schwester war im Gegensatz zu mir schon frisch angezogen und die Haare hatte sie mit einer weißen Schleife zu einem Zopf zurückgebunden.

"Lou... ich meins ernst, immerhin musst du Daisy und mich noch zur Schule fahren." Oh, verdammt. Ich stützte mich mit den Ellenbogen auf und nickte vor mich hin. "Weiß' ich doch", flunkerte ich, doch Phoebe schien es durchaus bewusst zu sein, dass ich auf unsere  Abmache vergessen hatte. Vielleicht war ich aber auch nur ein unglaublich schlechter Lügner, doch das hatte ich mir noch nie so recht eingestehen wollen. "Wie auch immer. Beeil' dich einfach ein bisschen, ja?", bat Phoebe mich, setzte sich ebenfalls auf und beugte sich über meine Schulter. Sie drückte mir einen leichten Kuss auf die Wange, dann rutschte sie vom Bettende.

Aus der Küche konnte ich das Klirren von Geschirr hören. Ich war es nicht gewohnt, gemeinsam mit meiner Familie aufzustehen und schon gar nicht an einem Montag. Belanglos trottete ich das Parkett entlang, im Vorbeigehen griff ich nach dem Stoß an Klamotten, den ich bereits gestern bereitgelegt hatte.

Wenige Sekunden später lehnte ich mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen zum Badezimmer. Mein Blick fiel direkt auf Lottie, die sich vor dem Spiegel hochkonzentriert schwarze Tuschte auf die Wimpern auftrug. So wie sie die Hand um die Flasche geklammert hatte, ließ sie es fast schon wie einen Kampfsport aussehen.

„Ich müsste da auch mal hin", murmelte ich in meine Halsbeuge, währenddessen ich Lotties Handbewegungen verfolgte. Offensichtlich genervt legte sie daraufhin ihre Hand samt Applikator am Waschbeckenrand ab. „Ja, gleich. Du bist ein Typ, du solltest im Bad doch sowieso nicht länger als fünf Minuten brauchen." Sie setzte die Mascara nun an ihrem unteren Wimpernkranz an. „Bitte. Ich bin spät dran, die Zwillinge warten schon auf mich", meinte ich und Lottie warf mir über die Schulter einen ungläubigen Blick zu. Die schnippischen Bemerkungen brannten ihr auf der Zunge, doch sie hielt sich zurück. „Na gut, aber brauch nicht zu lange."

Gesagt, getan. Sobald Lottie den Raum verlassen hatte, legte ich den Schlüssel um, damit sie es sich ja nicht anders überlegen konnte. Mit eine groben Handbewegung drehte ich den Wasserhahn auf, zog mir mein Shirt über den Kopf und verteilte das Wasser auf meinem Oberkörper, denn zum Duschen fehlte mir die Zeit. Ich trocknete mich noch unordentlich in einem der Handtücher ab, dann schlüpfte ich auch schon aus meiner Jogginghose in meine frischen Klamotten.

Als ich in die Küche ging, wandte sich meine Mutter überrascht zu mir um. Wahrscheinlich hatte sie mich nicht die Treppen herunterkommen hören. Sie ließ von dem Lappen ab, mit dem sie eben noch über den Herd gewischt hatte und strich mir stattdessen eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht. „Hast du gut geschlafen?", fragte sie, wobei sie mich von Kopf bis Fuß musterte. Ich lächelte ihr zu. „Genauso gut wie früher. Es ist und bleibt das beste Bett der Welt", lächelte ich, wobei mein Blick auf die aufgerissenen Briefe neben dem Waschbecken fiel.

Meine Augen wechselten zwischen den Kuverts und meiner Mutter hin und her, bis ich schließlich nach einem ganz bestimmten griff und das hervorstehende Papier herauszog. „Ein Brief vom Krankenhaus?", fragte ich besorgt und überflog die Zeilen. Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie meine Mutter den Kopf senkte und wieder an der Theke herumzuwischen begann. Ich entfaltete den Brief und überflog nervös die ersten Zeilen. Mit jedem Wort hämmerte mein Herz schneller gegen meine Brust.

Nachdem ich den ersten Absatz gelesen hatte, ließ ich den Brief ungläubig gen Boden sinken. Meine Körper zitterte so sehr, dass ich mich gegen die Theke lehnen musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. "Die Chemotherapie hat angeschlagen?", fragte ich. Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.

Ich sah zurück zu den Zwillingen, die am Esstisch saßen. Währenddessen Daisy den Ärmel ihres Pullovers zurechtkrempelte, verrührte Phoebe die Sahne in ihrer Tasse Kakao. Ihnen gegenüber war Lottie, die im Endspurt noch an ihren Hausaufgaben arbeitete. Der Stuhl neben ihr stand noch immer so, wie er es in Nacht schon getan hatte.

"Ich kann es selbst noch gar nicht fassen", kam es unterdessen von meiner Mutter, weswegen sie meine zog abermals Aufmerksamkeit auf sich. Sie sah mich mit funkelnden Augen an und nahm mich daraufhin ganz fest in den Arm. "Das ist unglaublich, Mama", flüsterte ich in ihre Halsbeuge. Mit den Händen strich ich sanft ihren Rücken auf und ab. "Alles wird gut, Lou. Kannst du dir das vorstellen?", flüsterte sie und ließ allmählich von mir ab. Ihre Augen waren ganz glasig. "Aber sag den Mädchen noch nichts davon. Ich will es ihnen erst nach der Schule erzählen, ansonsten können sie sich im Unterricht gar nicht konzentrieren." Sie strich mir liebevoll von meinen Schläfen bis zu meinem Kinn. "Keine Sorge, werde ich nicht", flüsterte ich daraufhin zurück.

Sie nahm ein ausgewachsenes Glas aus der Spüle, füllte es mit Wasser und reichte es mir. Während ich es dankend entgegennahm, wischte ich mit der anderen Hand meine Tränen von den Wangen. „Ach ja übrigens - Avery hat vorhin angerufen und nach dir gefragt. Aber du hast ja noch geschlafen", wechselte meine Mutter schließlich das Thema. Beinahe verschluckte ich mich an dem bisschen Wasser in meinem Mund. „Hat sie das?" Meine Mutter verdrehte die Augen und warf den Putzlappen achtlos in die Spüle. „Sie wollte mit dir reden, sich entschuldigen und was weiß ich noch. Sie hat die ganze Zeit beteuert, wie leid ihr nicht alles täte und wie sehr du ihr nicht fehlen würdest." Der sarkastische Unterton in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Ein wenig überfordert stellte ich das Glas neben mir ab. „dann soll sie das doch ihren ganzen neuen Followern erzählen. Die interessieren sich bestimmt mehr dafür als ich", sagte ich dann und versuchte dabei so souverän wie möglich zu klingen.

An die Trennung mit Ava dachte ich nur ungern zurück - beziehungsweise an die Umstände, die sie förmlich erzwungen hatten. Daran, wie der kleine Vorgeschmack auf das Leben im Blitzlichtgewitter in ihr einen ständigen Hunger auf mehr ausgelöst hatte, den ich nicht hatte füttern können. Daran, wie sie mir stolz verkündet hatte, ihr Studium auf Eis gelegt zu haben und sich am liebsten Tag und Nacht zwischen die Fans und Paparazzi gestürzt hätte.

"Du bist einfach zu gutmütig, Lou. Das bist du immer schon gewesen."

Ich schrak ein wenig auf, als ich ein Paar Hände von hinten meinen Bauch umklammern fühlte. Sie waren deutlich größer als die von Daisy oder Phoebe und die Fingerknöchel mit Faserstift bekritzelt. "Hey, Fizzy", lachte ich, noch ehe ich mich zu ihr umgedreht hatte. Sie sah mich mit leuchtenden Augen an und beugte sich etwas weiter zu mir vor. "Ich hab was für dich", flüsterte sie mit vorgehaltener Hand. Neugierig sah ich ihr dabei zu, wie sie eine CD-Hülle aus ihrer Umhängetasche zog. "Oh, wie lieb von dir. Ein bisschen neue Musik wird mir bestimmt guttun", bedankte ich mich und legte ihr eine Hand auf die Schulter, doch sie verdrehte lachend die Augen. "Schau' doch mal genauer hin." Ich legte meinen Kopf schief und wandte die Hülle in alle Richtungen.

Es dauerte eine Weile, bis mein Blick an der eingelegten Scheibe hängen blieb. Die Außenseite war in diversen Farben und Mustern angemalt, in der Mitte stand in Großbuchstaben Für Felicité geschrieben. „Die hast du noch?", fragte ich erstaunt, „das ist doch schon Jahre her, dass ich die für dich aufgenommen habe." Fizzy schloss ihre Arme um meinen Nacken und zog mich ganz nah an sich. „Natürlich hab ich die noch. Sie ist all die Jahre immer bei mir gewesen und jetzt will ich sie dir zurückgeben. Sie ist mit Abstand die schönste der ganzen Platten in meiner Sammlung, wirklich", nuschelte sie in den Stoff meines Shirts. „Das werde ich. Danke dir", flüsterte ich nun auch zu ihr und strich mit den Fingern durch ihr dunkles Haar.

Über Fizzys Schulter hinweg sah ich unsere Mutter stolz auf uns zulächeln.

half blue skies | 𝐨𝐧𝐞 𝐝𝐢𝐫𝐞𝐜𝐭𝐢𝐨𝐧Where stories live. Discover now