track 13

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Disc 3
Track 13 - Little White Lies
» you've been taking up my mind with your little white lies «
LIAM
im dritten Jahr nach der Trennung von One Direction


Ich drückte eine Hand gegen den Stahl und drehte den Schlüssel grob von links nach rechts. Nach etlichen Fehlversuchen gab die Kraft schließlich nach und das Postfach flog so weit auf, dass es mir gegen die Nase schlug. Aus Reflex trat ich einen Schritt zurück.

Während ich die Stufen zu meiner Wohnung hinaufging, blätterte ich durch die Briefumschläge. Bei den meisten handelte es sich lediglich um noch offenstehende Rechnungen oder Werbeannoncen, die ich eigentlich schon längst hatte abbestellen wollen. Aber ein Umschlag stach heraus. Während alle anderen einfach nur weiß waren, war dieser glänzend und rosa und hatte meine Aufmerksamkeit vom ersten Moment an auf sich gezogen.

Ein paar Augenblicke später fiel die Wohnungstür hinter mir zu. Ich ließ die Umschläge sinken und schob einen der Barhocker an der Kücheninsel zur Seite. Mit einem tiefen Seufzer setzte ich mich nieder. Meine Hände strichen weiterhin durch die Briefumschläge, wobei der rosafarbene immer noch obenauf lag. Zögernd nahm ich ihn zwischen die Finger, während ich die anderen rücksichtslos auf den Tresen fallen ließ. Es war kein Adressat angeschrieben. Ich wendete und drehte den Brief und riss ihn letztendlich auf.

Genau in dem Moment, als ich ihn öffnete, klickte es. Ich wusste, worum es ging und auch von wem er kam. „Natürlich", flüsterte ich vor mich hin, als ich eine einzelne Karte aus dem Kuvert zog. Es stand nicht viel drauf, aber das war auch gar nicht nötig. Denn sie leuchtete in all diesen zarten Farben und war darüber hinaus mit einem feinen Schriftzug durchzogen. In der Mitte standen in Großbuchstaben die Namen Gigi und Zayn geschrieben. „Natürlich", flüsterte ich dann ein weiteres Mal, strich mir über meine Bartstoppeln und ließ meinen Blick abermals über die Einladungskarte gleiten.

Obwohl Zayn mir auf seiner Geburtstagsparty von ihrer Verlobung erzählt hatte, überwältigte es mich der alleinige Gedanke daran jedes Mal aufs Neue. In meinem Kopf war er immer noch dieser achtzehnjährige Junge von nebenan. Das waren wir alle.

Je mehr ich darüber nachdachte, desto befremdlicher kam ich mir selbst vor. Derweil Zayn kurz davor war, zu heiraten und Lou bereits Vater war, spielten Harry und Niall beide Konzerte rund um Nordeuropa. Und dann war da noch ich. Festgeschraubt in meiner Wohnung und vor allen Dingen in diesem miserablen Management. Obwohl ich wusste, dass es nichts gab, wofür ich mich schämen musste, tat ich es dennoch. Ich hatte das Gefühl, dass die anderen auf der Überholspur an mir vorbeizogen, wohingegen ich noch immer genau da war, wo ich schon vor drei Jahren gestanden hatte.

Ach, was soll's.

Ich schüttelte den Kopf und fischte mein Handy aus der Hosentasche, wo meine Finger direkt den Weg zu Zayns Telefonnummer fanden. Ich schob nickte das Telefon an mein Ohr und zog aufgeregt meine Unterlippe zwischen die Zähne. Es piepte vor sich hin und ich spürte, wie sich mein Herzschlag an den Ton anzupassen beginn. Letzten Endes jedoch wurde ich lediglich zur Sprachbox weitergeleitet.

„Hey, Zayn", sagte ich in den Lautsprecher, „ich habe gerade deine Einladungskarte bekommen. Und selbstverständlich werde ich alles tun, um bei eurer Hochzeit dabei sein zu können. Ich ... weißt du, ich freue mich wirklich für dich. Für euch beide. Ich kann es kaum erwarten, dich auf diesen Traualtar zuschreiten zu sehen." Unbewusst begann ich dabei zu grinsen und nahm einen tiefen Atemzug. „Ruf mich später zurück, ja? Ich würde wirklich gerne ein bisschen mit dir quatschen. Ich vermiss' dich irgendwie."

Danach legte ich auf. Ich vergrub mein Gesicht in den Händen und ließ sie über meine Wangen zu den Schläfen gleiten, während ich weiterhin geradewegs auf die Karte starrte. Abermals las ich über die Notiz, dass ich gerne in Begleitung kommen konnte. Ich schnaubte ironisch auf. Von allen Menschen auf der Welt gab es nicht eine einzige Person, die ich fragen konnte, ob sie mit mir mitkommen wollen würde.

Alanis wollte nur befreundet sein.

Josie war mit einem anderen Mann verheiratet.

Und bei Sophia würde ich mich erst recht nicht mehr melden.

Es war nicht falsch daran, ohne Begleitung zu der Hochzeit zu gehen - oder besser gesagt ohne einer festen Freundin. Ich wusste, dass ich der Typ dafür war, tiefgründige Freundschaften aufzubauen und ich für jede einzelne meine Hand ins Feuer legen würde. Was ich aber auch wusste, war, dass ich zu schnell zu viel wollte. Von all den Beziehungen hatte ich mich einfach zu sehr an die Zweisamkeit gewöhnt und hatte mich mehr oder weniger von einen Herzschmerz in den nächsten geworfen. Und genau das hatte ich mich zu der Person formen lassen, die mein Management aus mir schon immer hatte machen wollen. Zu jemandem, der sich eben von einer Romanze in die nächste stürzte. Aber das war nicht ich. Ich war weder liebeshungrig noch brauchte ich Beziehungen, um mich bestätigt zu fühlen. Vielmehr erinnerte ich mein altes Ich als jemanden, bei dem Monate verstrichen, bis er sein Herz auch nur annähernd für jemand Neues öffnen konnte.

Ich schob die Karte über den Tresen und rutschte vom Barhocker hinab. Meine Füße stolperten unbeholfen über den Boden zur Kaffeemaschine. Beiläufig zog ich das darunter befestigte Eisengestell auf und ließ meine Finger über die Kapseln fahren, die ich dort einsortiert hatte. Es dauerte nicht lange, bis ich wusste, was ich trinken wollte. Wie gefühlt an jedem anderen Morgen war es auch heute wieder schwarzer Kaffee. In einer raschen Handbewegung drückte ich das Gestell wieder zu, legte die Kapsel in die Vorrichtung und schob eine gläserne Tasse unter den Kaffeeauslauf.

Augenblicklich begann die Maschine zu werken. Sie surrte und quietschte, während ich mich ein wenig nach vorne beugte und schweigend beobachtete, wie sich eine Zusammensetzung aus zu wenig Kaffeepulver und zu viel heißem Wasser in der abgenutzten Tasse zusammenmischte. Ich konnte es kaum erwarten, das Zeug in einem Zug leer zu trinken und auf mein kaputtes Postfach anzustoßen. Und um all die Lügen zu ertränken, die ich mir die letzten Jahre über in meinen Verstand getrichtert hatte.

half blue skies | 𝐨𝐧𝐞 𝐝𝐢𝐫𝐞𝐜𝐭𝐢𝐨𝐧Where stories live. Discover now