track 4

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Disc 2

Track 4 - C'mon C'mon

» every step I take I'm feelin' more and more «

LIAM
im zweiten Jahr nach der Trennung von One Direction


Ein neuer Abend, ein anderer Barkeeper und immer noch dieselbe heruntergekommene Kneipe wie damals. Irgendwie hatte ich gehofft, hier wieder auf Josie zu treffen oder zumindest auf ihren Macker, nur um auch ein kleines bisschen mitzubekommen, wie es ihr ging. Aber offensichtlich hatten ihre Sneakers die Tanzflächen hinter sich gelassen und er seine Arbeit hier aufgegeben.

Noch ehe er mir die Flasche über den Tresen schob, ließ ich ein paar Münzen vor ihn auf den Tresen scheppern. Verdutzt sah er mich durch seine blonden Locken an, und ich fragte mich warum. Schließlich hatte ich den ganzen Abend nur ein- und dieselbe Bestellung aufgegeben. Beefeater mit Tonic.

Bei diesem Barkeeper wurde mir das Tonic nur in einer dieser kleinen Flaschen gereicht und es war mir selbst überlassen, ihn unter den Gin zu mischen. Obwohl die Flasche erste eben aus dem Kühlfach geholt worden war, fühlte sie sich warm an und von der Kohlensäure schien auch nicht mehr viel übrig zu sein.

„Vielleicht sollten wir dann langsam mal aufbrechen. Sieht so aus, als würde deine Ex hier nicht mehr auftauchen und die Umzugskartons werden sich morgen auch nicht von allein schleppen lassen."

Ich drehte meinen Kopf zu Niall, der auf dem Barhocker neben mir saß. Er hatte seine Arme auf dem Tresen verschränkt, den Kopf darauf seitlich abgelegt und seine Augen drohten jeden Moment zufzufallen. Seufzend schob ich die Tonicflasche mit dem Handrücken ein wenig von mir weg. „Sie ist nicht meine Ex. Sie war nicht einmal meine Freundin." Gedankenverloren starrte ich auf die Backsteinmauer vor mir, aber so sehr ich auch nachdachte, es gab keinen passenden Ausdruck, der unsere Beziehung in einem Wort beschreiben konnte. Wir waren einander unglaublich vertraut und irgendwie doch fremd gewesen.

Zunächst bemerkte ich gar nicht, wie Niall einen Arm hervorzog und mir mitfühlend die Schulter tätschelte. „Du hörst dich fast schon so an wie ich damals. Mit Emma." Ich musste mir eingestehen, dass er in einem gewissen Maße recht hatte. Seufzend langte ich erneut nach dem Gin Tonic. „Ich verstehe ja selbst nicht, warum ich immer noch so sehr an sie denke. Schließlich ist es so lange her", meinte ich.

Viel Zeit vergangen? Schön wär's. Aufgerundet sind es sieben Monate.

„Du warst schon immer unfassbar aufmerksam, gerade was deine Freunde betrifft, Liam. Aber das zeichnet dich einfach aus. Und vermutlich denkst du deswegen so oft an sie, weil du nie wirklich die Chance hattest, über sie hinwegzukommen. Ihr habt euch ja nicht mal richtig verabschiedet", erwiderte Niall schließlich und ich musste aufpassen, mich nicht am Gin zu verschlucken oder ihn gar über den Tresen zu prusten. Kurzerhand räusperte ich mich in die Armbeuge, woraufhin mir Niall mit der Handfläche meinen Rücken auf- und abstrich und dann mehrfach daraufklopfte.

Ich spreizte meinen Daumen vom Glas ab und wischte mir die Unterlippe trocken. „Manchmal ist es einfach nur beschissen, aufmerksam zu sein. Irgendwann vergisst man sich selbst, weil man im Kopf immer nur bei allen anderen ist. Nur eben nicht bei sich selbst", sagte ich, „es passiert doch ohnehin schon so viel anderes Zeug, um das ich mir eher Gedanken machten sollte." Unter einem tiefen Seufzen schlitterte ich das Glas über den Tresen zum Barkeeper, der mich daraufhin erneut wie ein verschrecktes Reh anstarrte. Zaghaft deutete er mit dem Zeigefinger auf den Gin Tonic. Mit einem Nicken machte ich ihm klar, dass er ihn wegräumen konnte.

Niall ließ indessen von meinem Rücken ab und und begann, gedankenverloren am Verschluss seiner Daniel Wellington herumzuschrauben. „Wir beide kennen uns jetzt schon fast sieben Jahre", ich sah zu ihm auf, „und jetzt beginnst du wieder damit, dir viel zu viel Druck zu machen. So wie früher in der Band und du weißt, wohin dich das geführt hat. Du kannst nicht immer nur an die Arbeit denken, jetzt zerbrich dir da bitte nicht so den Kopf."

Unsere Blicke kreuzten sich und zum ersten Mal an diesem Abend huschte mir ein ehrliches Lächeln über die Lippen. Niall war einer der wenigen Menschen, der es jedes Mal aufs Neue schaffte, die Realität nicht allzu bitte aussehen zu lassen wie sie mir vorkam. Angesichts dessen, dass er gerade selbst ziemlich viel durchmachte, schätzte ich das umso mehr.

Inzwischen begann der Barkeeper damit, mit weiten Ausholbewegungen über die Fläche zu wischen. Über seine Finger hatte er sich dafür knallgelbe Gummihandschuhe gezogen und erst zu diesem Zeitpunkt fiel mir auf, dass die Lämpchen über den Vitrinen bereits ausgeschaltet waren und dass die Stereoanlage keine Musik mehr spielte. Flüchtig schaute ich über meine linke Schulter und drehte dabei meinen Kopf so weit nach hinten, bis sich mein Nacken verspannte. Tatsächlich war außer Niall und mir kein einziger Gast mehr gekommen.

Mit vorgehaltener Hand lehnte ich mich etwas weiter zu Niall. „Lass uns von diesem Schießort verschwinden", flüsterte ich ihm dann zu. Zögernd kaute er zunächst auf seiner Unterlippe herum, sah sich dann ebenfalls und und nickte mir schließlich zu. Ich ließ meine Hand auf die Kante des Tresens senken und strich mit den Fingerspitzen noch einmal über die Brandlöcher. Irgendwo da waren auch ich und Josie.

Ein paar Sekunden später rutschte ich unelegant vom Barhocker und ging in Richtung der eisernen Kleiderhaken, von denen exakt drei Stück neben der Eingangstür angenagelt waren. Niall und ich hatten unsere Mäntel zusammen aufgehängt, weswegen ich sie mit einem Mal herunterzog. Gekonnt warf ich einen davon Niall zu, der sich zwischenzeitlich auf seinem Hocker in meine Richtung gedreht hatte.

„Hast du irgendeine Idee, wo noch etwas los sein könnte? Immerhin ist es erst kurz vor Mitternacht", fragte ich ihn und hielt ihm dabei mein Handy vor die Nase. Er schaute vom Display zu mir auf und zog sorgfältig die Ärmel seines Mantels über sein Hemd. „Du, wie gesagt, morgen Früh stehen die Umzugswägen vor der Tür, da muss ich früh dort sein und sollte ausgeschlafen sein. Aber wenn du möchtest, kann ich dich gerne noch irgendwo hinbegleiten, würde selbst aber dann nach Hause gehen", meinte er und streifte mit den Handflächen die Falten seines Mantels aus, ehe er einen Fuß nach dem anderen auf den Boden setzte.

„Oh, stimmt. Die Umzugswägen", erwiderte ich und steckte mein Handy zurück in meine hintere Hosentasche, „aber wenn das so ist, ist der Spaß für mich heute auch erstmal vorbei. Ich weiß doch schon gar nicht mehr, wie es ist, ohne dich auszugehen." Lachend rieb ich mir mit beiden Händen übers Gesicht und Niall verdrehte grinsend die Augen.

Als ich danach meine Hand nach der Türklinke ausstreckte, wurde ich Hals über Kopf von Niall in eine Umarmung gezogen. Er legte seinen rechten Arm über meine linke Schulter und drückte mich fest an sich, wodurch ich vollkommen überrumpelt ein paar Schritte nach hinten stolperte. „Wofür ist denn das das jetzt?" Seine Haare kitzelten an meiner Nasenspitze und ich musste mich etwas von ihm wegdrehen, um ihm nicht ins Gesicht zu niesen.

„Na dafür, dass du die letzten sieben Monate auf Frauen verzichten musstest", ärgerte er mich, ließ von mir ab und sah mir daraufhin mit ernster Miene in die Augen. „Ich denke, du weißt ganz genau, was ich meine. Freunde wie dich findet man viel zu selten. Ohne Scheiß, ich will gar nicht wissen, was aus mir geworden wäre, wenn du nicht für mich da gewesen wärst. Ich werde dich dafür wohl nie genug umarmen können."

half blue skies | 𝐨𝐧𝐞 𝐝𝐢𝐫𝐞𝐜𝐭𝐢𝐨𝐧Where stories live. Discover now