114. Teil

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Kader
Ein weiterer Tag brach an. Die Sonne schien, doch ich fühlte nicht die Wärme. Alles war dunkel und kalt. Kein Auge hatte ich in der Nacht zubekommen. Die ganze Nacht lang hatte ich nachgedacht und schweigend den Neumond betrachtet.
Schwierige Entscheidungen musste ich fallen. Entscheidungen, die mein Leben komplett ändern würden. Entscheidungen, die mir wehtaten. Nun war ich bereit mit Burak zu teilen.
Der Weg führte mich zu ihm. Es fiel mir enorm schwer, mich auf das Gespräch vorzubereiten, dass ich nervös angelaufen war. Auf der einen Seite stand meine Familie, auf der anderen der Mann, den ich liebte. Musste ich eine Konsequenz eingehen? Oder war Zeit das einzige, dass wir brauchten?
Tausende Gedanken kreisten in meinen Kopf. Tausende Lasten trug ich auf meinen Schultern, die dem zerbrechen nah waren.

Die Haustür öffnete sich und ein erschöpftes Gesicht mit einem zurückhaltenden Lächeln begegnete mir.
„Kader'im (Meine Kader.)", zog mich Burak zu sich und umhüllte mich mit seiner Wärme.
Dieses Mal war ich diejenige, die tief den Duft in sich zog. Meine Lungen inhalierte ich mit dem wundervollen Eigenduft von Burak.
„Ne oldu? (Was ist?)", fragte er besorgt und ließ den Blick über mein Gesicht wandern.
„İçeri geçelim mi? (Sollen wir rein gehen?)", ließ ich seine Frage unbeantwortet und wollte weitergehen, doch er hielt mich auf.
„Ich habe dich gefragt, was los ist.", wiederholte Burak mit kühlem Unterton.
Die Stimmung spannte sich an. Ich schluckte und hielt inne.
„Ich bin verwirrt und verletzt Burak."
„Ich doch auch.", nahm er mich an der Hand und führte mich rein.

Mein Kopf sank zwischen meinen Händen.
„Kader...", sprach mich Burak etwas später an und fuhr durch meine Haare.
„Woran denkst du? Lass es mich wissen. Dein Schweigen beängstigt mich."
Wollte er es schlichtweg erfahren? Ich wollte die Gedanken in mir behalten, um Burak nicht zu verletzen.
„An das Gespräch gestern."
„Weiter?"
Fest kniff ich die Augen zu.
„Ich weiß nicht, wie es bei deiner Familie zuging, aber ich habe meine Tante zutiefst verletzt Burak... mein Onkel, der mich erzogen hat, hat mich das erste mal so abwertend angeguckt. Bei Murat will ich erst recht nicht anfangen..."
„Denkst du, meine Familie hat mich gelobt? Streitend verließ ich das Haus. Es ist endgültig eskaliert. Batuhan war mutig wie noch nie, als er mich verteidigt hat... Ich wünschte jeder könnte mich verstehen. Keiner sieht mich so, wie du mich siehst Kader. Keiner versteht die Bindung zwischen uns, aber das muss auch keiner verstehen.", suchte er mein Blick, während ich auf den blanken Tisch starrte.
„Ich habe mich mit Murat gestritten. Das erste Mal so heftig. Ich habe Worte gesagt, die ich ihm nie gesagt hätte... Ich habe ihm das Herz gebrochen. Und es fühlt sich so schlimm an! Ich habe jeden verletzt!", wurde meine Stimme immer brüchiger.
„Oh Kader...", weitete Burak die Arme, dass ich Trost unter ihnen fand.
„Esma hat mir gesagt, dass ich ihr Vorbild war. Aber sie hat sich geirrt in mir!"
Ich begann zu schluchzen. Mitfühlend versuchte mich Burak zu beruhigen.

„Alle sind noch schockiert Kader. Gib ihnen Zeit."
„Es wird nicht besser Burak! Unsere ganze Geschichte war eine Lüge von Anfang bis Ende. Große Lügen haben wir erfunden! Wie konnten wir das über's Herz bringen? Wo war mein Gewissen?", versuchte ich zu verstehen.
„Ich habe dich in die Lüge gezwungen. Du trägst keine Schuld."
„Es macht nichts aus, wer schuldig ist und wer nicht. Ich hätte dich abhalten müssen! Ich hätte gehen müssen!", brachte ich meine Schuldgefühle zu Wort
„Nein! Niemals hätte ich dich gehen lassen und ich habe es auch nicht zugelassen.", fanden mich Buraks unruhige Blicke.
Ich sah, wie die Wut in seinen Augen loderte. Sogar die Vorstellung machte ihn wahnsinnig.
„Ich bin geblieben und was haben wir davon? Seitdem ich hier bin, sind wir am Kämpfen Burak. Es ist so, als ob die ganze Welt gegen uns wäre! All die Zeichen haben wir ignoriert. Ich glaube langsam, dass ich nicht hier her gehöre Burak."
Stille entstand. Unerwartet quollen die Worte aus mir heraus.

„Seit wann zweifelst du an uns Kader? Was haben sie dir bloß angetan? Hat dir Murat eine Gehirnwäsche verpasst?"
„Nein! Keiner hat mir etwas angetan. Ich versuche nur logisch nachzudenken. Wenn ich ihre Worte verarbeite, kann ich ihnen Recht geben... Wegen mir bist du mit deiner Familie zerstritten. Weißt du, wie belastend es für mich ist? Familie ist das wichtigste im Leben. Ich will nicht, dass du meinetwegen Streit mit deinen Eltern hast. Der Stress macht mich kaputt Burak. Du hältst vielleicht die Distanz zu deiner Familie aus, aber ich kann es nicht. Meine Tante ich enttäuscht nach Berlin geflogen.", ließ ich ihn wissen.
„Kader, komm zu dir! Ich bin auch traurig, aber so viel Drama interpretiere ich nicht.", klang seine Stimme immer unruhiger.
„Ich bin bei mir. Und das ist keine Interpretation, sondern die Wahrheit, die wir ignorieren!"

Das VersprechenWhere stories live. Discover now