106. Teil

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Mein Kopf war die ganze Zeit bei Burak geblieben. Seit zwei Tagen sahen wir uns nicht. Er kam nicht mehr zum Unternehmen. Er arbeitete hauptsächlich zuhause im Homeoffice.
Es fühlte sich seltsam an. Die Lage war seltsam. Burak war nicht in meiner Ferne, aber trotzdem sahen wir uns nicht. Wir telefonierten auch nicht miteinander. Ich hielt mich an Batuhans Vorsätzen.
Gestern hatte ich mit Burak kurz am Morgen geschrieben. Und das war's auch.
Die Spannung in mir stieg. Ich wollte wissen, wie weit Burak mit seiner Arbeit war. Und ob er überhaupt eine Lösung gefunden hatte. Aber ich wollte ihn während seiner Arbeit nicht stören. Das mochte er gar nicht. Ich wollte ihn nicht das Gefühl geben eingeengt zu werden.

Es war 13 Uhr. Ich hatte heute nicht viel auf die Reihe gekriegt. Meine Konzentration war auch nicht mehr da. Also packte ich meine Sachen zusammen und entschied mich zuhause weiterzuarbeiten. Ob das klappen würde, war eine andere Frage.
Bevor ich ging, gab ich Levent noch bescheid.
„Kader.", hielt er mich auf, als ich gehen wollte.
Aufmerksam drehte ich mich wieder um.
„Seit Tagen bist du abwesend. Ich glaube zurzeit geht es dir nicht gut. Wenn du willst, kann ich ein Teil der Aufgaben, die dir Herr Özden gegeben hat abnehmen.", schlug er auf einmal vor.
Das war aber lieb von ihm. Ein Lächeln ging in meinem Gesicht auf.
„Wieso willst du das machen? Was habe ich verdient, dass du mir das bietest?", fragte ich überrascht.
„Du hast oft Überstunden gemacht, als wir zusammen gearbeitet haben. Und du hast beim Projekt auch gute Arbeit geleistet. Vielleicht kann ich dir jetzt dafür helfen. Und ich weiß, dass es momentan Probleme mit Herr Burak gibt.", begründete Levent.
„Wenn ich ehrlich sein soll, wäre mir das eine große Hilfe. Du kannst mir gerne etwas abnehmen.", sagte ich.
Daraufhin ließ ich ein paar Blätter auf dem Tisch ab und erklärte was er machen musste. Als das auch erledigt war, ging ich endlich.

Zuhause ging ich zuerst unter die Dusche und ließ die negative Energie in mir mit dem Wasser runterfließen.
Danach bereitete ich mir Kräutertee vor und breitete mich im Wohnzimmer aus. Auch was ich machte, schaffte ich es nicht mich zu konzentrieren. Es war schon Feierabend für mich.
Ich konnte nicht länger zuhause sitzen. Ich musste Burak sehen! Abrupt stand ich auf und ging in mein Zimmer hoch. Dort holte ich mein Schlüssel und machte mich mit Jeanshose und T-Shirt fort.
Die Ungewissheit plagte mich! Was machte Burak? Wie ging es ihm? Ich musste es wissen! Ich konnte kein Tag mehr warten. Ich musste ihn jetzt sehen.
Ich hoffe, dass war eine richtige Entscheidung. Aber ich denke, dass es auch Burak gut tun würde.

Es dauerte nicht lange bis zu Buraks Wohnung. Beim nächsten Parkplatz ließ ich mein Wagen ab. Ungeduldig klingelte ich an der Türe. Mach die Türe bitte auf Burak! bat ich innerlich.
War er überhaupt zuhause? Vielleicht war er ja kurz draußen.
Zu meinem Glück ging die Türe auf. Überraschte Blicke trafen mich.
Doch wie sah Burak denn aus? Total ausgeschöpft, hatte tiefe Augenringe im Gesicht. zusammengekniffener Blick, als ob er seit Tagen kein Sonnenlicht gesehen hätte.
„Burak?", fragte ich besorgt und trat rein.
Was war aus meinem Burak geworden?
„Kader? Was machst du hier?"
„Ich habe dich vermisst Burak!", vergewisserte ich.
Mit müden Augen blickte er mich an.
„Du sieht gar nicht gut aus!", sagte ich und musterte ihn an.
Ich strich seine zerzausten Haare in eine Richtung und ließ meine Hände auf seiner Schulter nieder.
Burak erhob seine Hand und griff nach meiner. Fest umhüllte er sie und blickte mich mit einem schwachen Lächeln an.
„Ich habe dich auch vermisst!", sagte er und umschlang die Arme um mich.
Die Nähe hatte ich vermisst. Ich schloss die Augen und umarmte ihn. Ich spürte einen sanften Kuss auf den Scheitel.

Kein Wunder, weshalb Burak ermüdete Augen hatte. Es war dunkel in der Wohnung. Wenig Licht drang ein. Die Jalousien waren unten. Durch die Rillen der Jalousien kam schwaches Licht. Eine Leselampe beleuchtete dein Arbeitsplatz im Wohnzimmer.
„Bist du ein Vampir, oder hast du was Gegen Licht?", fragte ich und löste mich von Burak.
„Die Aussicht lenkt mich ab. Bei Dunkelheit kann ich mich besser konzentrieren.", meinte er.
„Du bist kein Mensch, wirklich. Das ist nicht normal.", sicherte ich lachend, während ich die Rollläden hoch ließ.
Mein Blick blieb erstaunt auf dem Couchtisch hängen, worauf Burak gearbeitet hatte. Kaffeetassen waren aneinandergereiht. Unordnung war angesagt. Das war nicht typisch für Burak. Ich nahm die Tassen und ließ sie in der Küche ab.
„Wie lange wolltest du das noch durchziehen?", fragte ich und setzte mich zu Burak.
„Bis ich fertig bin."
„Und was bist du fertig?"
„Heute Abend womöglich. Ich habe gute Neuigkeiten. Ich habe eine Firma aus der Schweiz gefunden, die mit uns kooperieren möchte. Sie haben einen Sitz in München und ich werde in Kürze ein Termin mit ihnen organisieren.", erklärte Burak.
„Wirklich? Wie hast du das geschafft?", fragte ich beeindruckt.
„Durch schlaflose Nächte, Ibuprofen und Tasse Kaffees.", sagte er und gähnte.
„Burak, du bist ein Genie!", sprang ich erfreut auf und fiel ihn um den Hals.
Lachend legte er sein Arm um mich.
„Die Firma will zuerst das Projekt näher kennenlernen, aber sie sind so gut wie einverstanden. Man braucht Bekannte in der Arbeitswelt. Ein Ehemaliger Kumpel aus der Universität ist in der Firma tätig und durch ihn hat es geklappt.", fügte Burak hinzu.
„Ich wusste, dass du es schaffst.", lobte ich ihn und blickte zu ihn hoch.
„Irgendwie schafft man es immer. Aber es hat mich so kaputt gemacht."
„Ich sehe es dir an. Du musst dich ausruhen."
„Ja, außerdem ist mein Nacken verspannt.", klagte er.
Mein armer Burak hatte einen anstrengenden Tag hinter sich.
„Wollen wir zusammen was machen? Ich glaube die Abwechslung würde dir auch gut tun.", schlug ich vor.
„Und was?"

Das VersprechenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt