99. Teil

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Wortlos blickte mich Ilkay zunächst an.
Ich wartete darauf, dass er eine Antwort von sich gab. Endete unser Streit nun?
„Ilkay", fragte ich erneut.
„Ich möchte einfach nichts mehr mit dir zutun haben. Nennen wir es dann das Ende unseren jahrelangen Streits... Aber ich werde dir nicht verzeihen.", erklärte er daraufhin. 
Ich fühle mich wie von einer Last befreit.
Mir war schon klar, dass mir Ilkay nicht so schnell verzeihen würde. Es waren zu viele Dinge vorgefallen. Das waren Dinge, die man nicht so schnell vergessen konnte.
Wortlos ging Ilkay an mir vorbei.
Einerseits verstand ich sein Hass. Ich hatte ihn einen großen Riss ins Herz gezerrt. Und das aus Sturheit. Wir beide bekamen einen Schaden davon ab.

Ich wollte nicht mehr über die Vergangenheit reden. Kurz atmete ich tief die Luft ein und ging wieder ins Wohnzimmer.
„Hast du Hunger Burak? In der Küche gibt es noch Essen.", fragte mich meine Mutter, als ich mich hinsetzte.
„Nein danke, wir haben schon gegessen.", lehnte ich es ab.
„Kader ist so eine liebe Person. Ich würde mich gerne nochmal mit ihr treffen. Hättest du wieder Lust auf ein Treffen unter uns?", wandte sich Nihan zu mir.
Dass meine Cousine sich mit Kader verstand, wurde mir schnell bewusst. Kader war aber auch eine offene und aufrichtige Person. Wer mochte sie denn nicht?
Meine Kader...
„Was ist? Du lächelst so.", war ihr aufgefallen.
Lächelte ich wirklich?
„Nichts, ähm. Ja, wir können wieder gerne ein Treffen organisieren. Ich frage mal Kader was sie davon hält.", sagte ich.

Mit einem Ohr hörte ich dem Gespräch von Batuhan und Nihan zu. Doch gedanklich war ich ganz wo anders.
Die Unruhe in mir verging nicht.
Ich wollte allen so schnell es ging vom Antrag berichten. Vielleicht war es doch nicht so schlecht, dass alle hier waren. Dann würde es jeder gleich erfahren.
Jetzt war es der richtige Zeitpunkt dafür.
„Ich - ähm möchte euch etwas ankündigen.", warf ich im nächsten Moment in die Runde.
Die Gespräche hörten auf und die Blicke richteten sich auf mich.
Die Stille traf plötzlich ein. Das machte mich nervöser.
Ich konnte vor tausenden von Leuten eine Präsentation halten, doch mein Hals hatte sich gerade zugeschnürt.
Was war bloß los mit mir? Mein Herz klopfte so schnell.
„Was willst du uns sagen Burak?", fragte mein Opa verwirrt.
Dass es etwas Wichtiges war, konnte er schon erahnen. Mein Blick schweifte über den Raum. Alle schauten mich überrascht an. Vor allem meine Eltern. Und Ilkay.
„Kader und ich werden bald heiraten... Ich habe ihr einen Antrag in Istanbul gemacht.", teilte ich letztendlich mit.

Ich erleichterte so sehr, nachdem ich das gesagt hatte. Tief atmete ich die Luft ein.
„Was?", unterbrach meine Mutter die Stille.
Damit hatte sie ganz und gar nicht gerechnet. Ich wusste, dass sie die Nachricht schockieren würde. Aber das war mein Leben. Ich treffe die Entscheidungen. Noch einen Fehler wie bei Hande werde ich nicht machen. Dieses mal werde ich meinem Herzen folgen.
„Ich fasse es nicht! Das ist so eine schöne Nachricht!", sprang Nihan vor Freude auf.
„Meine Bittgebete sind endlich wahr geworden.", gab meine Oma erfreut von sich und stand auf.
„Du hast die richtige Entscheidung getroffen Burak!", lobte sie mich und umarmte mich.
„Das ging aber schnell. Das ist kein Spaß, oder?", fragte Ilhan.
„Natürlich ist das kein Spaß!", wandte sich Nihan zu ihrem Bruder.
Ilkay stand weit weg von uns und blickte mich nur mit Schlitzaugen an. Dass ich glücklich war, störte ihn wohl...
Ich blickte kurz zu meinen Eltern rüber, die etwas untereinander besprachen.
Ich glaube meine Mutter war nicht begeistert von der Idee. Es war mir aber egal, wer was dachte.

Kader

Der Traum hatte geendet. Nun musste ich wieder zurück zur Realität. Die Arbeit rief nach mir. Ich war wieder am frühen Morgen aufgewacht, um mich fertig zu machen.
Eine Aufregung stieg mir hoch.
Lächelnd blickte ich den Ring an meiner Hand an.
Heute werde ich meine Tante anrufen und ihr von dem Heiratsantrag berichten. Sie wird sich bestimmt freuen.
Sollte ich sie jetzt anrufen? Ich konnte es nicht mehr in mir behalten. Ich wollte es mit jemanden teilen.
Aufgeregt griff ich nach meinem Handy und setzte mich mit meinem Tee auf die Couch.
Es fing an zu klingeln.
In Kürze nahm sie den Anruf entgegen.
(Das Gespräch soll auf türkisch verlaufen.)
„Hallo? Kader?", kam mit ihre Stimme entgegen.
„Guten Morgen. Wie geht es dir?", öffnete ich das Gespräch.
„Nachdem ich deine Stimme gehört habe, geht es mir besser. Wir reden seit Tagen nicht mehr. Bist du so beschäftigt? Ich habe mich gewundert, du rufst nie so früh an. Ist etwas passiert?", fragte sie.
„Nein, alles ist gut. Ich wollte nur wissen, wie es euch geht. Was machen Murat und Esma?"
„Esma ist auf dem Weg zur Schule und Murat schläft noch. Er steht bestimmt gleich auf."
„Gut... Gibt es sonst irgendwelche Neuigkeiten?", fragte ich und trank ein Schluck vom Tee.
„Moment mal. Was ist los? Deine Stimme klingt so anders. Du willst mir irgendwas sagen, stimmt's?", war ihr gleich aufgefallen.
Sie kannte mich zu gut...
Ein Lächeln setzte sich auf meinem Gesicht auf.
„Ja... ich will etwas mitteilen. Etwas Schönes.", sagte ich.
„Etwas Schönes? Was willst du sagen? Jetzt bin ich gespannt!", gab sie verwundert von sich.
Ich konnte nicht länger warten und sagte es letztendlich.
„Ich habe einen Heiratsantrag bekommen!"

Das VersprechenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt