93. Teil

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„Wieso hast du Angst?", fragte Burak.
„Ich fühle mich nicht mehr sicher, seitdem Eren aufgetaucht ist.", erklärte ich letztendlich.
Burak blickte kurz weg und schluckte. Er schien die Worte zum Reden sammeln.
„Solange ich an deiner Seite bin, brauchst du keine Angst zu haben Kader.", sicherte er und umfasste meine Hände.
„Das ist ja auch das Problem Burak. Du kannst nicht 24 Stunden an meiner Seite stehen. Dieser Mann kann jederzeit auftreten und ich kann mir nicht vorstellen was er vor hat. Er ist schon durchgeknallt genug, dass er mich verfolgt. Was passiert dann, wenn wir uns begegnen?"
Er löste sich wieder von mir und wandte sich an das Fenster.
„Du bist in Sicherheit, vertraue mir. Ich weiß wie ich mit der Situation umgehen soll.", meinte er danach.
„Und wie gehst du damit um?", fragte ich.
Zunächst blieb er still und atmete tief die Luft ein. Kurz schloss er die Augen und schaute mich danach wieder an. Er wirkte angespannt und müde. Ich wollte ihn nicht länger quälen, aber ich hatte Fragezeichen in meinem Kopf. Jedes mal, wenn sich das Thema Eren öffnete, verging unser Frieden. Das wollte ich nicht. Aber Burak sollte wissen, wie ich mich fühle.
„Lass uns das später besprechen bitte. Ich habe es langsam genug über das Thema zu reden.", teilte er genervt mit.
Es strapazierte ihn, das bemerkte ich.
„Okay, wie du willst Burak.", beendete ich das Gespräch.
Ich wollte auch nicht mehr darüber reden. Nur wollte ich wissen, welche Maßnahmen er für Eren nahm.

„Wie viel Uhr ist es?", fragte Burak.
„Halb eins.", sagte ich, nachdem ich auf die Uhr geguckt hatte.
„Oh, ich muss los. Die Arbeit ruft mich.", meinte er und löste sich vom Fleck.
Zusammen verließen wieder den Raum. Bevor Burak raustrat, schaute er sich um. Die meisten waren jetzt in der Pause. Die Luft war rein. Burak begleitete mich bis zum Konferenzraum.
„Vergessen Sie nicht mir die Mail der Geschäftspartner zu schicken. Und überarbeiten Sie die Datei, die ich geschickt habe nochmal.", sagte Burak, als er Herr Kozan im Flur sah.
„Verstanden, das erledige ich heute noch.", behauptete ich und verkniff mir das Lächeln.
Bevor er sich umdrehte und ging, schaute er mir noch lange in die Augen. Als ob er mir noch etwas sagen wollen würde. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Also ging er wortlos in sein Büro hoch.
„Frau Dereci.", hörte ich Herr Kozan hinter mir.
Abrupt drehte ich mich um.
„Können Sie mir ihre Präsentation noch schicken?", fragte er danach.
„Ja, kann ich."
„Gut, gehen Sie jetzt aber bitte in die Pause. Die Konferenz war anstrengend. Nach der Pause müssen wir noch einiges besprechen.", meinte er.
„Das hatte ich jetzt auch vor. Bis später.", teilte ich mit und ging wieder in den Konferenzraum.

Ich hoffe, dass uns wenige Menschen gesehen haben. Ein paar mal habe ich schon Gerüchte über Burak und mich gehört. Es ist mir unangenehm. Niemand muss von unserem Privatleben wissen.
„Wollen wir zusammen was essen gehen?", fragte mich Amina beim Vorbeigehen.
„Ja, gerne.", stimmte ich ihr zu.
Kurz ging ich in mein Büro und nahm meine Tasche. Danach gingen wir raus.
Wir entschieden uns in das türkische Restaurant in der Nähe zu gehen.
„Ich bin heute schon aufgeregt. Wenn ich mir vorstelle, dass die Veranstaltung morgen ist und die Presse da sein wird, steigt mir die Aufregung hoch. Das erste mal bin ich Teil eines großen Projekts.", erzähle Amina verträumt.
„Du sieht gar nicht aufgeregt oder motiviert aus. Freust du dich nicht? Oder kannst du deine Aufregung gut überspielen?", fragte sie danach.
„Klar bin ich aufgeregt. Ich habe nur andere Dinge im Kopf, die mich mehr beschäftigen."
„Ich habe momentan nur die Veranstaltung in meinem Kopf. Was ziehst du überhaupt an? Ich habe keine Ahnung, wie ich mich kleiden könnte."
„Darüber habe ich nicht nachgedacht. Ich denke aber nicht, dass ich mich overdressed anziehen werde. Ein Kleid in schwarz wird schon alles regeln.", sagte ich.
„Das ist doch zu langweilig. Schwarz wird dort jeder anziehen.", meinte Amina.
„Ich will auch nicht auffallen. Das brauche ich nicht. Wir werden ehe unbekannte Gäste sein, von daher ist es egal, was wir anziehen.", dachte ich.
„Weil wir eben unbekannt sind, müssen wir auffallen. Wir werden dort im Namen vom berühmten Aksoy Hotel gehen."
„Na gut, dann geh im Brautkleid. Darin wirst du bestimmt auffallen.", sicherte ich.
Darüber lachten wir.
„Ach Kader! Manchmal bist du unmöglich.", meinte sie.

Der Kellner kam und brachte unsere Bestellungen. Ich hatte seit heute Morgen nichts mehr gegessen. Hungrig fing ich mit dem Essen an.
„Kader, dürfte ich dich etwas fragen?", hörte ich Amina etwas später.
„Ja. Um was geht es denn?", wandte ich mich zu ihr.
„Also dein Privatleben geht mich nichts an und ich will auch nicht Neugierig klingen... Aber hast du eine bestimmte Bekanntschaft mit Herr Burak?", fragte sie auf einmal.
Unmittelbar erstarrte ich. Ich wusste nicht was ich sagen sollte.
„Es wird über euch geredet, ich höre es. Zuerst hielt ich es nur als ein Gerücht, aber als er heute plötzlich kam, fand ich es sehr seltsam. Herr Burak kommt nie zu seinen Arbeitern., wir werden höchstens zu ihn gerufen.", fügte sie hinzu.
Es lief mir kalt den Rücken runter. Mir fehlten immer noch die Worte zu reden. Sollte ich einfach die Wahrheit sagen? Oder ihre Vermutung doch verleugnen?
Aufmerksam wartete Amina auf meine Antwort.

Burak

Die Sonne war am Untergehen.
Warme Windzüge gingen an mir vorbei. Verträumt saß ich auf dem Balkon und beobachtete die Aussicht. Wie friedlich alles von hier oben aussah. Die Stadt sah ruhig aus. Meine Innenwelt war das Gegenteil. Laut und angespannt. Seit Tagen hatte ich keine Ruhe. Auch wie sehr ich es versuchte zu überspielen, spürte ich es. Mir ging es nicht gut.
Meine Medikamente nahm ich aber. Daran lag es nicht. Ich passte seit meinem letzten Krankenhausbesuch mehr auf mich auf. Manchmal will man das Kaputte wieder aufbauen, aber fügt immer mehr Schaden hinzu. So ging es mir. Reparieren und Ausbessern war nichts für mich. Nur in meiner Arbeitswelt war ich erfolgreich.

Vom Augenwinkel nahm ich eine Gestalt war. Kurz schloss ich die Augen bevor ich anfing zu sprechen.
„Can, ich kann nicht mehr atmen.", gab ich müde von mir.
Er war sofort gekommen, nachdem ich ihn angerufen hatte. Das war das Beste an Can. Er war immer für mich da. Deswegen war er auch mein bester Freund. Ich konnte keinem so sehr wie Can vertrauen.
„Was ist schon wieder passiert? Erzähl's mir.", wandte er sich zu mir.
„Lass mich raten, es geht wieder um Kader?", fragte er danach.
„Ja, dieses mal haben wir uns aber nicht gestritten. Es geht darum, dass ich sie nicht glücklich machen kann.", erklärte ich.
„Ihr seid doch glücklich miteinander. Was genau ist dein Problem?", wunderte er sich.
„Wir lachen zusammen, wir lieben uns auch unendlich, aber...", begann ich zu erzählen und legte eine Pause ein.
Ein Kloß hatte sich in meinem Hals gebildet.
„Aber meine Vergangenheit verfolgt mich! Meine Fehler stellen uns Hindernisse auf! Seitdem Eren aufgetaucht ist, ist Kader unglücklich. Ich ertrage es nicht mehr sie so zu sehen!", beendete ich mein Satz.
„Oh Burak...", kam Can zu Wort und legte seine Hand auf meine Schulter.
„Es macht mich fertig sie so besorgt zu sehen! Ich weiß nicht, was ich machen soll... Eray verfolgt uns! Er ist letzte Nacht irgendwie in Kaders Haus eingedrungen und hat mir eine Nachricht hinterlassen. Ich war bei ihr und habe das hier am frühen Morgen entdeckt.", erklärte ich und holte den kleinen Zettel aus meiner Hosentasche raus.
„Was? Er ist in ihre Wohnung eingedrungen?", fragte er schockiert.
„Was ist außerdem die Nachricht? 24.08.?", laß Can verwirrt vor.
„Ich weiß nicht, was er machen wird. Das ist das Datum von morgen. Werde ich ihn dann zu Gesicht bekommen? Wird er uns was antun? Ich weiß nicht! Ich bin heute zu Valentin gegangen und habe Sicherheitsmänner organisiert. Kader wird für ein paar Tage unauffällig von ihnen verfolgt. Falls der Geisteskranke auftauchen soll, kann ich sicher sein, dass sie in Sicherheit ist."
„Du hast was gemacht?", fragte er außer Fassung.
„Wenn es um Kader geht, würde ich alles machen Can!", sicherte ich.
„Du bist verrückt! So kenne ich dich gar nicht. Sie weiß nichts davon, stimmt's?"
„Nein, weiß sie nicht! Ich habe sie verdammt nochmal angelogen! Du weißt nicht, wie schlimm ich mich fühle..."
Ich hatte Schuldgefühle. Ich konnte mich nicht an unser Versprechen halten. Das Gefühl war mies. Es fühlte sich wie eine Last auf den Schultern an.

„Sag, was soll ich jetzt machen Can?", fragte ich und grub mein Gesicht in die Hände.
„Lass den Kopf nicht fallen, erst recht musst du jetzt aufrecht stehen.", meinte Can.
„Du bist Burak Aksoy, du findest für alles eine Lösung.", versuchte er mich aufzumuntern.
„Hör auf zu labern Can. Was für eine Lösung? Ich schaffe es jedes mal die Lage zu vermasseln.", sicherte ich.
„Wenn du weiterhin so pessimistisch bleibst, wird alles nur noch schlimmer. Wenn Eren Karaca kommen will, soll er kommen. Er kann dir nichts antun, wenn du aufrecht stehst!"
„Ich weiß nicht. Ich habe eben ein Fehler gemacht und jetzt stecke ich in der Scheiße fest."
„Weißt du was? Du musst für Kader aufrecht stehen. Wenn du fällst, wird sie auch fallen. Du bist ihr einziger Halt. Wegen dir ist sie in dieser Stadt. Egal, was passiert, versuche das Beste zu machen. Ich weiß wie sehr du sie liebst. Du hast dich mit Kader verändert... Du bist nicht mehr der kalte Burak, du bist lebensfroher und glücklicher geworden. Fehler gehören halt ins Leben. Was passiert ist, ist passiert. Konzentriere dich auf die Zukunft.", meinte Can.

1598 Wörter, 2.06.2019

Fortsetzung folgt

Das VersprechenWhere stories live. Discover now