111. Teil

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Kader
„Denkst du auch dasselbe wie ich?", drehte sich Burak zu mir, als wir das Haus seiner Eltern verließen.
„Ja, ich denke schon."
Die Planung der Verlobungsfeier hatten wir endlich hinter uns. Es hatte Stunden gedauert, bis wir uns einig werden konnten. Da wir auch zu spät mit der Planung angefangen hatten, hatten wir keine große Auswahl. Aber Burak hatte sich gut gegen seine gestresste Mutter gemeistert und konnte schnell Entscheidungen treffen. Viele Details hatte ich ihn überlassen, weil er sich mit Feierlichkeiten besser als ich auskannte.
Am Ende konnten wir eine Feier auf die Beine stellen, die uns beiden gefallen hatte. Und ich musste auch zugeben, dass mir die Aufregung langsam hochstieg. Erst jetzt realisierte ich, dass in 6 Tagen meine Verlobung war.

„Burak.", blieb ich auf der Stelle stehen.
„Ja?", wandte er sich zu mir und entriegelte das Auto.
„In sechs Tagen ist schon die Verlobung!"
„Guten Morgen. Das bereden wir schon seit heute morgen."
„Ja! Aber nach der Verlobung werden wir doch zusammenziehen und ich habe noch nichts gemacht!", begann ich zu zweifeln.
Aus einem unerklärlichen Grund begann Burak zu lachen und stieg in sein Wagen ein.
„Wieso lachst du? Das ist nicht lustig.", versuchte ich zu erklären und schnallte mich an.
„Wieso machst du dir Sorgen? Das ist das einfachste. Deine Sachen kannst du auch nach der Verlobung holen. Hauptsache du ziehst bei mir ein.", nahm er meine linke Gesichtshälfte in seine Hand.
Lächelnd schaute ich runter.
„Ja... das stimmt. Ach, keine Ahnung. Ich habe gerade irgendwie Panik bekommen."
„Wie es scheint hat dich meine stressige Mutter angesteckt. Entspann canım (meine Liebe), wir kriegen schon alles hin."
Über diese Aussage musste ich lachen. Dass ich mich während der Besprechung mit der Eventmanagerin angespannt und konzentriert hatte, wurde mir erst jetzt bewusst.

„Kann sein... Burak, wir ziehen in ein paar Tagen zusammen. Kannst du dir das vorstellen?", realisierte ich.
„Mein Traum wird wahr. Ich muss dich nicht mehr besuchen kommen, um dich zu sehen, sondern kann dich den ganzen Tag lang sehen.", meinte Burak und fuhr los.
„Wir wohnen sowieso nicht weit voneinander und auf der Arbeit sahen wir uns auch."
„Na und? Wer sagt, dass das mir genügt?", fragte er und schaute mich skeptisch an.
„Irgendwann, wenn du genug von mir hast, dann werde ich dich an die Worte erinnern.", gab ich lachend von mir.
Mein Herz blühte an Buraks Seite auf. Er hatte die Gabe, die schönsten Worte beim Reden zu verwenden.
„Von dir kriege ich nie genug Kader.", zog er meine Hand zu sich und gab ein Kuss auf mein Handrücken.

Ich konnte mich nur glücklich schätzen Burak zu haben.
„Was hast du für heute vor?", wurde mir etwas später gefragt.
„Nichts Besonderes. Wieso?"
„Dann bist du für heute gebucht."
„Und das heißt?"
„Dass wir heute zusammen sind."
„Wo gehen wir hin?", wollte ich wissen.
„Weiß nicht. Entscheide ich spontan."
Mehr verriet Burak auch nicht.
„Dann bin ich gespannt, wie unsere spontane Reise enden wird.", lehnte ich mich zurück und betrachtete die Gegend.

Zuerst besuchten wir die Stuttgarter Innenstadt und besorgten uns dort etwas zu essen. Mit den Essensboxen irrten wir in den Straßen herum und suchten nach einer passenden Stelle zum Essen.
Dann fiel Burak ein Ort ein. Neugierig folgte ich ihm. Die Sonne war grell am Scheinen und dazu gingen wir noch bergauf.
„Ne kadar sürecek daha? Yoruldum ben. (Wie lange wird es noch dauern? Ich kann nicht mehr.)", gab ich Bescheid.
„Hemen yoruldun sen de. Az kaldı. (Du bist aber schnell müde geworden. Es dauert nicht mehr lange.)", drehte sich Burak zu mir und nahm die Tüte mit der Essensbox und dem Getränk aus meiner Hand.
„Da vorne ist es.", deutete Burak auf das Gebüsch.
„Ein Gebüsch?", fragte ich verwirrt.
„Wirst du gleich sehen."

Vor dem Gestrüpp blieben wir stehen. Skeptisch schaute ich den lächelnden Burak an.
„Sind wir deswegen gekommen?"
„Nein, das Geheimnis verbirgt sich dahinter.", vergewisserte er und zog ein Ast zur Seite.
„Folge mir.", meinte er und beugte sich runter.
Hintereinander drängelten wir durch den Busch durch.
Meine Erwartung erhöhte sich. Wo brachte uns Burak dieses Mal hin? Fast hätte ich ein Ast gegen das Gesicht bekommen, hätte es Burak nicht rechtzeitig aufgefangen. Für ein Abenteuerweg war ich gerade nicht wirklich bereit. Endlich wurden wir das Gestrüpp los. Und dahinter verbarg sich wirklich ein Geheimnis.
„Wow!", staunte ich, als ich auf die Aussicht traf.
„Und? Gefällt's dir?"
„Ich nimm wieder alles zurück.", sicherte ich.
Es war so, als ob die ganze Stadt unter unseren Füßen lag. Wir befanden uns auf einem Hügel, der sich in ein Wohngebiet verwandelt hatte. Mit langsamen Schritten nährte ich mich dem Abgrund und schaute mich dabei um. Da drüben sah ich die Stadtbibliothek, ganz hinten war der Fernsehturm zu sehen. Die Straßen waren belebt und voll.

Das VersprechenWhere stories live. Discover now