Pater Familias (2)

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Zuerst Eric und Constanze, gekleidet in Blau und Gold, die aufgeschlagenen Portalbücher noch in den Händen. Dahinter Nicolas. Und zuletzt Demetra.

Sie trägt ihren silbergrauen Umhang, Ton in Ton mit ihrem zurückgesteckten Haar und als sie ihr Portalbuch zuschlägt und die Augen zum Thron an der Stirnseite hebt, liegt eine Härte in ihrem Gesicht, die ich nie zuvor an ihr gesehen habe. Irgendwo hinter mir höre ich Constanze vor Schreck keuchen, aber Demetra steht vollkommen still, reglos wie eine Statue. „Störe ich die Familienzusammenführung?" Ihre Stimme zeigt keinerlei Emotion.

„Priora!" Damon tritt vor seinen Thron. Wenn er überrascht ist, dann lässt er es sich nicht anmerken. „Was verschafft uns die Ehre? Nach so langer Zeit."

Demetra beachtet ihn nicht. Ohne den Kopf zu bewegen huschen ihre Augen durch den Raum, nehmen in Sekundenschnelle auf, was Sache ist. „Nicolas, hilf Eleanor auf! Mortimer, Lina, macht euch bereit!"

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Constanze und Eric langsam auf den Thron zu schleichen, einen Fuß, vor dem anderen. Wölfe, die den Kreis enger ziehen.

„Ich habe die Portalsperre über dem Gefängnis für ein Zeitfenster aufgehoben", sagt Demetra, ohne die Augen von Damon zu lassen. „Wenn ich es sage, dann lauft ihr zum nächsten Wächter mit einem Buch in der Hand und verschwindet von hier. Verstanden?"

„Komm!" Nicolas schleift Eleanor von den Stufen weg und zieht sie auf die Beine. Sie ist zu benommen, um zu widersprechen oder ihn abzuwehren. Erst als sie auf den Beinen steht kommt sie langsam wieder zu sich.

„Lina!" Das ist Mos Stimme hinter mir. „Zum Boot, okay?"

„Gib auf, Damon", sagt Demetra jetzt. „Das Gefängnis ist umstellt. Es ist vorbei."

Damon feixt. „Das hast du schon einmal zu mir gesagt, erinnerst du dich? Und schau, wo wir heute sind."

„Furien, Trolle, Gorgonen. Du hast deine Gefangenschaft wirklich genutzt, Damon." Demetra hebt die Arme. „Ich hätte es schon damals auf dem Schlachtfeld beenden sollen." Sie steht jetzt alleine in der Mitte der Halle, direkt gegenüber Damon vor seinem Thron. Irgendwo in der Dunkelheit zwischen den Säulen huscht Erics Schatten vorbei. Constanze ist sicher ganz in der Nähe.

„Damals wolltest du keine Mörderin sein." Damon lächelt, aber seine Augen sind auf Demetra fixiert. „Jetzt schon?"

„Ich werde tun, was nötig ist, um das Kolleg zu schützen."

„Seit wann? Was ist aus deinem Pazifismus geworden, Demetra? Frieden um jeden Preis? Selbst um den Preis der Wahrheit."

„Ich habe mich geirrt." Demetra presst die Lippen zusammen. „Ich war blind."

„O, nein, das warst du nicht. Viel schlimmer." Damon lächelt wieder, ein schreckliches, siegessicheres Lächeln. „Du hast den falschen Augen vertraut." Er streckt die Hände in Demetras Richtung, spannt seinen Körper an. Zwei Bänder aus Schatten schlängeln sich um seine Unterarme. „Weißt du, was mir am meisten Freude bereitet." Die Schatten stauchen sich zusammen, warten. Sprungbereit, wie Schlangen vor dem tödlichen Biss. Sein Blick ruht auf Demetras Gesicht. „Dass du sterben wirst, ohne deinen Verräter zu kennen. Ohne zu wissen, wer es wirklich war, der dir das Messer in den Rücken gestoßen hat." Damon grinst. „Ja. Das wird mir Freude bereiten." Dann befreit er die Schatten.

„Lauft!" Demetra lässt sich auf die Knie fallen. Sie drückt beiden Handflächen auf den Boden, während die Schatten auf sie zu jagen. Unter ihren Fingern beginnt die Erde zu zittern.

„Lina! Boot!" Hinter mir spurtet Mo los, zwischen den Säulen hindurch in Richtung Seitenausgang.

Ich drehe mich um, will ihm folgen, aber aus dem Augenwinkel sehe ich Nicolas mit Eleanor unter dem Arm durch die Schusslinie auf uns zu humpeln. Die beiden sind viel zu langsam. „Ich komme!", schreie ich in Mos Richtung, nicht mal sicher, ob er überhaupt noch da ist. Dann renne ich in die entgegengesetzte Richtung.

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