Zwischenspiel: Der Erbe der Schatten 2 (neues Kapitel!)

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„Eleanor lebt." Für den Bruchteil einer Sekunde ist Margret ihrem Sohn so nah wie nie. Ihre Wange liegt auf seiner, ihr Mund an seinem Ohr. Dann zwingt ein Wechsel in der Musik sie wieder auseinander. Einen Takt lang starrt er sie an, sie sieht seine Augen, groß und erschrocken, stehen sie sich wieder gegenüber. Er packt sie am Arm, fester als der Tanzschritt es gefordert hätte. Seine Antwort ist mehr ein Zischen: „Was?"

Margret zögert. Mos Augen sind so dunkel, dass sich das Kerzenlicht in ihnen spiegelt. Seine heftige Reaktion hätte ihr Angst machen sollen, aber das Gegenteil ist der Fall. Es zeigt ihr, dass sie mit ihrer Einschätzung richtig lag.

Sie hat ihn beobachtet, den ganzen Abend lang, abgewogen, ob sie das Risiko eingehen soll. Eleanors Sicherheit und ihr eigenes Leben stehen auf dem Spiel, wenn Mo wirklich zu Damon übergelaufen ist. Andererseits ist die Wahrheit vielleicht das einzige, was ihn noch zurückholen kann. Bis gerade eben war sie nicht sicher, aber jetzt ist sie es. Damon kann er vielleicht täuschen, aber nicht sie. Sie hat es an seinem Blick gesehen, den Schmerz, gemischt mit einem plötzlichen Funken Hoffnung. Eleanor ist ihm nicht egal.

„Innenhof, in einer Stunde", flüstert Margret. „Komm allein."

Sie wartet, bis der Tanz zu Ende geht, bevor er sich lächelnd von Mo trennt. Den Rest der Stunde verbringt sie an Damons Seite. Margret ist nervös, sie weiß, dass Mortimers Blick auf ihr rührt, aber anmerken lässt sie sich nichts. Im Gefühle überspielen hat sie jahrelange Übung. Als es Zeit ist, stielt sie sich heimlich aus der Halle. Damon ist mittlerweile umgeben von seinen Bewunderern und bemerkt nicht mal, dass sie fehlt.

Fröstelnd schlingt sie sich Eleanors Karotuch fester um die Schultern, während sie durch die hohen, steinernen Gänge in den römischen Innenhof tritt. Draußen regnet es in Strömen, aber das stört sie nicht. Bei dem Wetter verirrt sich keiner der Gäste hier heraus und der Regen dämpft jedes Gespräch. Margret bleibt unter dem Säulendach stehen und sieht hinaus auf die dunklen Orangenbäume. Sie hat noch keine fünf Minuten gewartet, da hört sie schon Schritte auf Steinfliesen hinter ihr. Mo taucht neben ihr auf, das Gesicht angespannt. Bevor er den Mund aufmachen kann, hebt sie die Hand und bringt in dadurch zum Schweigen.

„Ich weiß, was du denkst", sagt sie leise. „Ist das ein Test? Soll sie für Damon meine Loyalität prüfen?" Margret lächelt. „Ich könnte dir hundertmal sagen, dass du mir trauen kannst, aber das wirst du nicht. Deswegen. Lass es mich dir zeigen." Sie hält ihm die Hand hin und er nimmt sie, zögernd.

Kurz darauf stehen sie vor dem Cottage in den Highlands. Als Margret sanftes Licht aus den Fenstern schimmern sieht, atmet sie erleichtert auf.

„Wo sind wir?", fragt Mortimer.

„Das Haus gehört deinem Opa", erklärt Margret, während sie den Hügel hinaufsteigen. „Eleanor und ich sind hier aufgewachsen."

Die Tür ist nicht abgeschlossen. Margret braucht nur die Klinke zu drücken schon stehen sie im Wohnzimmer.

Eleanor sitzt vor dem Kamin, auf ihren Knien eins von Dads alten Fotoalben, offenbar in Gedanken versunken.

Neben ihr bleibt Mo wie erstarrt stehen. Dann macht er einen weiteren Schritt in den Raum. „Eleanor."

Sie dreht den Kopf. Als sie uns erkennt werden ihre Augen groß. „Mo? Wie bist-"

Aber weiter kommt sie nicht. In ein paar Schritten ist Mortimer bei ihr und fällt vor ihrem Sessel auf die Knie. Zitternd hebt er die Hand und streicht über Eleanors Wange, als könne er es nicht glauben. Als müsse er sie berühren, um sicher zu sein, dass er nicht träumt. „El. Bist du echt?" Mit beiden Hände umfasst er ihr Gesicht, zieht sie zu sich, presst ihre Stirn an seine. Das Fotoalbum rutscht zu Boden, als auch Eleanor die Arme um ihn schlingt. „Es tut mir leid", höre ich sie flüstern. „Alles, ich-"

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