Von der Ordnung der Dinge (2)

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Ich warte nicht ab, wie die Reaktionen auf meine Worte ausfallen. Bevor die Mehrheit überhaupt verstanden hat, was gerade passiert ist, bin ich schon gegangen.

Zurück in Demetras Zimmer lasse ich mir zuerst einmal einen Beruhigungstee bringen. Ich zittere. Es ist als würde mich die ganze fehlende Nervosität von vorhin jetzt einholen. Vor mir auf der Tischplatte liegen noch die Zettel mit meinen Notizen für die Rede verstreut. Rasch fasse ich sie zusammen und werfe sie ins Feuer. Keine Ahnung, wie mein Ultimatum angekommen ist. Gestern Nacht kam es mir noch wie ein kluger Move vor. Jetzt bei Tageslicht bin ich mir nicht mehr so sicher. Wenn ich an die Mienen der Wächter denke. Das Entsetzen und der Schock in ihren Gesichtern. Mir würde es auch so gehen, wenn plötzlich jemand alles in Frage stellt, was ich ein Leben lang für wahr gehalten habe. Vielleicht ist ein Tag zu wenig Zeit, um all das zu akzeptieren.

Überhaupt ich als Priora. Ein Mädchen von fünfzehn. Ich kann nicht erwarten, dass jeder in mir so viel sieht wie Eleanor oder Asteria. Das Gegenteil ist wahrscheinlicher.

Was mache ich eigentlich, wenn sie mich abwählen? Gehen? Nein. Ich will Eleanor rächen. Keine Ahnung wie, aber Blackwell wird bezahlen. Für Demetra, Eleanor, Mo. Er kriegt Fabelreich nicht.

Also helfe ich dem neuen Prior. Schließlich bin ich eine Schattenwächterin. Die einzige, die noch übrig ist, zählt man Nicolas mal nicht mit. Und wenn der neue Prior Eric ist...

Naja. Dann werde ich mir eben ziemlich oft auf die Zunge beißen müssen.

In diesem Moment klopft es an der Tür.

Na, super. Wenn man von Teufel spricht. Aber eigentlich habe ich schon damit gerechnet, dass er der erste ist, der mich nach dieser Aktion heimsucht.

„So ein Zufall. Ich habe gerade an dich gedacht."

Eric tritt vor Demetras Schreibtisch und schaut auf mich herab.

Ich erhebe mich nicht, wie ich es für andere Gäste getan hätte. „Was führt dich zu mir?"

„Ich muss mit dir reden."

„Willst du mir gar keinen Spruch reinwürgen? Erst Alumna, dann Priorin. Steile Karriere für eine Fünfzehnjähige? Komm schon, das kannst du besser."

„Deine Rede war gut."

Ich hebe eine Braue. „Aber?"

„Nichts aber. Kannst du nicht einfach mal ein Kompliment annehmen?"

„Wenn es von dir kommt gibt es meistens noch ein unangenehmes P.S."

„Ich meine es ernst. Deine Ehrlichkeit hat die Wächter überrascht. Ich habe sie selten so sprachlos gesehen. Vor allen die alten."

„Waren sie nicht entsetzt?"

„Doch. Aber auf die gute, heilsame Weise, denke ich."

„Hat sich schon jemand den Umhang genommen?"

„Bis jetzt keiner. Und ich denke nicht, dass sich daran bis heute Abend etwas ändern wird."

„Dann wollen sie wirklich mich als Priorin? Ernsthaft?"

„ Du hast Rückgrat. Das hat sie beeindruckt."

Irgendwie machen mich seine Worte wütend. „Eleanor hatte auch Rückgrat. Und ihr habt sie dafür in die Verbannung geschickt."

Ich habe Eric keinen Stuhl angeboten und er setzt sich auch nicht von selbst. Stattdessen bleibt er vor mir stehen, wie ein Schuljunge, den man vor die Rektorin zitiert hat. Jetzt senkt er den Kopf. „Es stimmt. Ich habe Eleanor nie gemocht. Sie war immer so...anders. So widerspenstig. Wie ein Dorn, den du einfach nicht loswerden kannst, der dir immer wieder von neuem ins Fleisch reibt."

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