1. Teil

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Nach einem langen Tag war ich endlich Zuhause!
Müde stieg ich die vielen Stufen hoch. Ich hoffte, dass man meine Tränen nicht mehr bemerkte. Zumindest sah ich wieder klar ...
Die Welt tat mir weh.
Meine Wahrheit tat mir weh.
Zu wissen, dass man selber am Ende ist, obwohl man weiter muss ...
Ich hoffte einfach, dass ich alles beenden kann. Den Schmerz in uns, die Trauer in uns, die Armut in uns ...
Ich atmete tief ein und stellte meine starke Seite wieder ein. Keiner soll von meiner Schwäche erfahren!

Beim fünften Stockwerk angekommen, bog ich rechts ab. Aus meiner Tasche griff ich nach meinem Schlüssel und zog meine Schuhe aus. Ich schloss die Türe auf und hing meine Tasche und Jacke an den Kleiderhacken.
Schnell ging ich ins Badezimmer und wusch meine Hände. Dabei beobachtete ich mich im Spiegel. Der Spiegel war alt und hatte schwarze Flecken. Das Badezimmer war klein. Doch wir kamen immer noch aus. Und sobald man glücklich ist, nimmt man die störenden Kleinigkeiten nicht wahr ...
Als ich mich nochmal im Spiegel betrachtete, fiel mir auf, wie erschüttert ich aussah. Ich hatte Augenringe, eine unordentliche Frisur, leere Augen ...
Aber alles wird sich ändern!
Meine Nachricht wird alle bestimmt glücklich machen ...

Müde ging in mein Zimmer. Das Zimmer, dass ich mit meiner Cousine teile. Mit meiner lieben Esma. Ich zog mich um und ging danach ins Wohnzimmer. Plötzlich sah ich meine Tante weinend sitzen.

"Teyze n'oldu? (Tante was ist passiert?)", fragte ich besorgt und beugte mich zu ihr.
"Kızım, bankadan mektup geldi. Borçlarımızı ödeyemezsek evimizi satmak zorunda kalırız! (Meine Tochter, wir haben Post von der Bank bekommen. Wenn wir unsere Schulden nicht bezahlen können, müssen wir unser Haus verkaufen!)", schluchzte sie.
Sie hatte es auch erfahren ...
Deswegen hatte ich auf dem Nachhauseweg geweint. Als ich das heute erfuhr, war ich mindestens so erschüttert ...
Ich umarmte sie fest und sagte ihr: "Teyze, gönderdiğim başvuruyu almışlar, artık bende çalışacağım! (Tante, meine Bewerbung wurde angenommen, ab jetzt werde ich auch arbeiten!)".
Sie lachte und leuchtete in den Augen.
"Şükürler olsun ya Rabbim! (Gott sei Dank!)", freute sie sich und umarmte mich fest.
Ich schlang meine Arme auch um sie und schloss meine Augen.

Doch eins musste ich loswerden ...
Nämlich der einzige, aber größte Nachteil an meiner neuen Arbeitsstelle.
"Es gibt aber ein Problem ...", sagte ich und löste mich wieder von ihr.
"Ne kızım? (Was ist es meine Tochter?)", fragte sie.
"Die Firma ... ist in Stuttgart.", sagte ich anschließend.
Ihr Lachen verschwand. Und ihr Gesicht verzog sich. Aber gleich danach lächelte sie wieder.
"Olsun, sen para kazan yeter. (Egal, verdiene du hauptsächlich.)", meinte sie und fuhr meine Haare entlang.

Das werde ich vermissen. Jemand, der mich in den Armen nahm, wenn es mir schlecht ging ...
"Zaten senin saatlerce çalışmana karşıydım! Hemi üniversite, hemi iş zordu ... (Ich war ehe dagegen, dass du stundenlang gearbeitet hast! Von der einen Seite die Uni und von der anderen Seite die Arbeit war ehe anstrengend ...)", meinte sie.
Ja, nach der Uni ging ich öfters arbeiten. Drei mal in der Woche.

Die Türe wurde aufgeschlossen. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass mein Onkel von der Arbeit zurückkam.
"Enişte, işe alındım! (Onkel, ich wurde angenommen!)", sagte ich, bevor er etwas sagen konnte.
"Ne güzel bi haber, sevindim! (Was für eine schöne Nachricht, ich freue mich!)", meinte er und lachte.
Dann beglückwünschte er mich und umarmte mich.
Ich werde sie vermissen! Sie haben wie Eltern auf mich aufgepasst und mich wie ihr eigenes Kind angenommen ...

Während meine Tante und ihr Mann ins Gespräch verfielen, ging ich in mein Zimmer. Meine Cousine saß am Schreibtisch und machte ihre Hausaufgaben. Als sie mich sah, drehte sie sich um.
"Ich habe alles mitgehört! Wirst du gehen?", fragte sie traurig und stand auf.
"Ja Esma ... Ich werde gehen und für eine bessere Zukunft arbeiten.", sagte ich und schlang meine Arme fest um sie.
Ich weiß, dass es uns schwerfallen würde ...

Das VersprechenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt