Kapitel 3

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Tessa

Gerade hat es zur Pause geklingelt, da vibriert mein Handy in der Tasche. Schnell husche ich aus dem Klassenzimmer auf den Flur und fische mein Smartphone heraus. Sofort erscheint der Namen meiner Mutter auf dem Display.

Genervt rolle ich mit den Augen. Warum ruft sie mich in der Schule an? Sie weiß doch, dass ich montags nie schwänze und wann ich pause habe, merkt sie sich sowieso nie. Wenn ich aber nicht ran gehe, wird sie es immer wieder versuchen, egal ob es wichtig ist oder nicht. Also stelle ich mich vor meinen Spind, öffne ihn und nehme den Anruf an. Fest klemme ich das Handy zwischen die Schulter und mein Ohr, damit ich währenddessen meine Bücher wegräumen kann und die Chance habe, die Neuen heraus zu nehmen.

"Hey Mom", beginne ich ein wenig abwesend zu sprechen: "Was gibt's?"
"Warum hast du mir nicht gesagt, dass heute Elternabend ist?", fragt sie für meinen Geschmack viel zu laut. Fast lasse ich mein Handy vor Schreck aus dem festen Griff fallen.
Mit einem verächtlichen Blick antworte ich: "Genau das habe ich getan. Du hast mir nur entweder nicht zugehört oder es schon wieder vergessen."

Für einige Sekunden herrscht vollkommene Stille in der Leitung.
"Mom, bist du noch da?", frage ich nach, um die unangenehme Stimmung zu unterbrechen.
"Ja, bin ich", meine Mutter klingt nachdenklich.
Ich schlucke: "Tut mir leid, ich wollte nicht gemeint sein, aber es ist wirklich wichtig für mich, dass du kommst. Sonst kriegen wir echt Ärger mit der Schule."
"Ja, Schatz. Ich werde da sein", nun klingt ihre Stimme weich. Scheinbar hat sie gemerkt zu haben, wie wichtig mir das Ganze ist: "Hab mir schon einen Wecker gestellt."
"Danke", nun werde auch ich wieder freundlicher.

"Hast du das Geschenk deines Vaters schon geöffnet?", fragt sie vorsichtig nach. Mein Vater ist für uns beide ein wirklich sensibles Thema.
Feste mahle ich mit den Kiefern: "Nein, noch nicht."
"Mach das bitte wenigstens irgendwann auf und wirf es nicht einfach weg", bittet sie mich vorsichtig: "Er wird sicher anrufen und danach fragen."
"Na gut, ich mache es", ich atme tief durch: "Aber jetzt muss ich auflegen, sonst ist die Pause um, bevor ich gegessen habe."
"Okay, tschüss", verabschiedet sie sich und legt dann auf, bevor ich etwas darauf erwidern kann.

Ein wenig ernüchtert werfe ich mein Handy fast zurück in die Tasche. Zwar ist es gut, dass sie versprochen hat heute in die Schule zu kommen, doch die Erwähnung meines Vaters hat meine Freude wieder geschmälert. Jedes Mal, wenn er zum Thema wird, sinkt meine Laune fast direkt in den Keller.

Da ich allerdings momentan in der Schule bin, setze ich so etwas wie eine imaginäre Maske auf und tue so, als wäre nichts geschehen. Darin bin ich mittlerweile ein richtiger Profi geworden.

Schnellen Schrittes laufe ich über den Gang auf die Pausenhalle zu, in der sie sich die Schüler um diese Zeit immer tummeln. Ich stoße die Doppelschwingtüren schwungvoll auf und laufe auf meinen schwarzen High Heels zum Tisch meiner Freunde herüber. Sicher hat mindestens einer von ihnen mal wieder eine pikante Geschichte auf Lager, die in nicht allzu ferner Zukunft in der Schule die Runde machen wird. Nicht zuletzt, weil ich dazu beigetragen habe.

East Kids - Tessa & Elijah | ✔️Where stories live. Discover now