Kapitel 77

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Tessa

Als mir schon das zweite Haargummi reißt, reißt auch mein Geduldsfaden. Angespannt werde ich das Gummi in irgendeine Richtung weg. Dann müssen meine Haare halt offen bleiben. Ich bin ja nicht diejenige, darauf bestanden hat, sondern meine Mutter. Warum meine Mutter immer will, dass ich mich wie das liebe Mädchen von nebenan anziehe, wenn die Familie zu Besuch kommt, weiß ich nicht, aber es bringt mich echt zur Weißglut.

Wenigstens lässt sie mich aber dieses Mal alleine aussuchen, was ich anziehe und versucht nicht mich in irgendwelche Kleider zu zwängen, die weder gut aussehen noch richtig passen.

Damit ich heute wenigstens etwas tragen kann, in dem ich mich wohlfühle, habe ich mich für ein cremefarbenes Kleid entschieden, welches schon lange in meinem Schrank hängt. Ich schlüpfe hinein und schließe den Reißverschluss umständlich. Schnell ziehe ich auch noch die dazu passenden High Heels an und verlasse mein Zimmer.

Ich laufe die Treppe langsam hinunter und mache mich auf den Weg in die Küche, doch am liebsten würde ich mich wieder ins Bett legen und für den Rest des Tages nicht mehr herauskommen.

Am 26. Dezember kommt nämlich traditionell die Familie zu uns und das wird mit ziemlicher Sicherheit ein riesiges Desaster. Das ist es jedenfalls meistens. Warum sollte es in diesem Jahr also anders sein? Außerdem kommen in der Regel nicht mal die Mitglieder, die ich ausstehen kann, sondern nur die mit denen sich jede Minute wie eine ganze Stunden anfühlt.

"Hey, Mom", grüße ich meine Mutter, während ich einen Löffel aus der Geschirrschublade ziehe, um ihr Essen zu probieren. "Hey", grüßt sie ebenfalls und löst sich kurz von ihrem Kochbuch: "Schmeckt es?" Ich lege den Löffel wieder weg und koste kurz alle Aromen aus: "Ganz gut, aber es fehlt noch ein wenig Salz." "Woher willst du das wissen? Du kannst nicht kochen", sie runzelt die Stirn und sucht nach der Stelle in ihrem Buch, an der steht, wie viel Salz in das Gericht hinein muss. Ich rolle mit den Augen: "Dann probier doch selbst."

Sie sieht mich kurz prüfend an, zuckt dann aber mit den Schultern und greift nach einem eigenen Löffel, mit dem sie ebenfalls probiert. "Und? Habe ich recht?", frage ich leicht triumphierend. Sie sieht mich für einige Sekunden stur an, schüttelt dann aber mit dem Kopf: "Nein, es ist schon gut genug gewürzt."

Genervt rolle ich mit den Augen: "Na klar." War ja klar, dass sie mir weder recht geben, noch zugeben würde, dass ich auch ein wenig was vom Kochen verstehe.

"Sag mal, was hast du da eigentlich an?", meine Mutter stützt die Hände in die Seiten. "Kleidung", ich drehe mich um und mache mich auf den Weg die Küche zu verlassen. Den Nerv jetzt noch mit ihr über mein Outfit zu streiten, habe ich gerade echt nicht und da sie sowieso selbst gestresst ist, kommt am Ende sowieso kein vernünftiges Resultat heraus. Als ich aber fast aus der Tür bin, sehe ich sie, wie schnell nach dem Salzstreuer greift und das Essen nochmal nachsalzt.

Mit relativ schlechter Laune lasse ich mich aufs Sofa fallen und hoffe einfach noch ein wenig Zeit zu haben, bis die Verwandten kommen. Heute scheint das Karma es aber nicht gut mit mir zu meinen, denn just in diesem Moment öffnen sich die Aufzugtüren. Innerlich bete ich, dass es Cole ist, der sonst irgendwas gemacht hat. Allerdings werde ich augenblicklich enttäuscht, als ich das Gesicht meiner Cousine erblicke. Augenblicklich rutsche ich auf dem Sofa weiter nach unten und hoffe nicht gesehen zu werden. Dafür ist es aber schon zu spät. "Hallo Tessa", ertönt sofort die Stimme meiner verhassten Cousine Georgina. Oh Shit!

East Kids - Tessa & Elijah | ✔️Where stories live. Discover now