Kapitel 76

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Tessa

Mit aller Kraft versuche ich meinen Fuß in den zweiten Schlittschuh zu zwängen, doch es will einfach nicht funktionieren. "Kann ich dir helfen?", ertönt zu meiner Rechten eine unbekannte Stimme. Ich hebe den Kopf und sehe in die Augen eines blauäugigen Mannes. Er trägt dicke Winterkleidung und hat ein freundliches Lächeln auf den Lippen. Erst zweifele ich kurz, doch dann sehe ich das Namensschild, das der Mann auf der Brust trägt, und realisiere, dass er ein Angestellter sein muss.

In der Hoffnung, dass dieser Mann sich mit sowas auskennt, stimme ich zu: "Ja, das wäre wirklich freundlich." Er nickt und kniet sich hin, um mir mit dem Schlittschuh zu helfen. Konzentriert öffnet er einige Verschlüsse und sorgt so dafür, dass sich die Größe verändert.

"Versuch es jetzt bitte nochmal", fordert er mich freundlich auf und ich komme seiner Bitte nach. Zu meiner Überraschung passt der Schuh plötzlich und ich schließe die Schnallen wieder. "Danke", ich schenke ihm ein dankbares Lächeln und erhebe mich von der Bank.

"Brauchst du noch Hilfe, um zur Eisbahn zu kommen?", fragt er hilfsbereit, doch ich schüttele schnell den Kopf, weil ich sehe wie Elijah heran naht: "Nein, danke. Das ist sehr nett, aber ich schaffe das auch so."

Elijah kommt in diesem Moment in das Häuschen, in dem man seine Schlittschuhe und dicke Winterkleidung anziehen soll. "Bist du ...", als er den anderen Mann entdeckt, sieht er mich kurz vielsagend an: "Wer ist das?" Ich werfe einen Blick auf das Namensschild von besagter Person: "Greg."

Greg dreht sich zu Elijah um und winkt freundlich. Zwar ist mir klar, was er gerade denken muss, doch so ist es in keinem Fall. "Und was tut unser lieber Georg hier?", bohrt er weiter. "Greg", berichtigt besagter Greg ihn. "Er hat mir geholfen die Schlittschuhe anzuziehen, weil ich es irgendwie nicht geschafft habe", erkläre ich die Situation schnell: "Mehr nicht." "Mehr nicht", wiederholt Greg, als er bemerkt, was Elijah gerade denken muss.

Zwar macht Elijah ein zweifelndes Gesicht, sagt allerdings nicht und hält mir lediglich seine Hand hin. Ich ergreife sie seufzend und folge ihm leicht schwankend, was aber wirklich kein Wunder ist. Schließlich sind Schlittschuhe auch nicht für den normalen Boden gemacht. Selbst wenn die Kufenschoner noch drauf sind.

An der Eisfläche angekommen, mache ich die Schoner dann ab und trete auf das Eis hinaus. Elijah bleibt am Rand allerdings stehen. Sein Vater meinte zwar, dass er mit muss und sich nicht drücken darf, Anstalten ebenfalls auf das Eis zu kommen, macht er allerdings nicht.

"Kommst du?", frage ich und reiche ihm meine Hand, doch er ergreife diese nicht. "Muss das sein?", stellt er die Gegenfrage. "Warum willst du denn nicht?", seine Abneigung gegen das Schlittschuhlaufen hat mein Interesse geweckt. Er rollt mit den Augen: "Ich hab das noch nie gemacht." Er lächele liebevoll und drücke ihm einen Kuss auf die Wange: "Das ist doch nicht schlimm. Ich kann es dir gerne zeigen."

Einige Sekunden lang starrt er mich einfach nur prüfend an, als würde er sicher gehen wollen, dass ich es wirklich ernst meine und sieht mich dann mit entschlossenem Blick an: "Unter einer Bedingung." Sofort gehe ich darauf ein: "Welche Bedingung?" "Wenn du mir diese Angst nehmen darfst, musst du mir dann aber auch eine deiner Ängste verraten und mir erlauben sie dir bei einer guten Gelegenheit zu nehmen", er verschränkt die Arme fordernd vor der Brust. Obwohl ich mir sicher bin, dass ich es später bereuen werde, erkläre ich mich einverstanden: "Gut, dann komm her."

Er seufzt, gibt sich aber geschlafen. Vorsichtig setzt er einen Fuß auf das Eis und lässt den anderen augenblicklich folgen. Dabei umklammert er meine beiden Hände so fest, dass es sich so anfühlt, als würde er sie jeden Moment zerquetschen. "Alles ist gut, ich halte dich", versuche ich ihm Mut zuzusprechen. Seine Füße zittern leicht, als ich ihm zu erklären versuche, was er machen muss, um nicht hinzufallen.

Um ihn ein wenig von seiner eigenen Angst abzulenken, versuche ich ein Gespräch zu beginnen: "Soll ich dir denn sagen, wovor ich Angst habe." "Hm", murmelt er, starrt aber weiterhin auf seine Füße. "Sie mich bitte an", versuche ich ihn dazu zu bringen sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Erst dann kann man sich richtig entspannen und nach ein bisschen Übung läuft es einfach von allein.

Langsam hebt er den Kopf und sieht mich an. Dass ihm das Ganze nicht geheuer ist, ist ihm klar anzusehen. "Du musst aber versprechen nicht zu lachen", bitte ich ihn, während ich ihn langsam am Rand entlang über die Fläche führe. "Ich verspreche es", murmelt er konzentriert. "Gut", ich atme tief durch. Über meine Ängste zu reden, ist zwar etwas, was ich nicht wirklich gerne tue, doch er hat es auch geschafft. Außerdem vertraut er sich mir gerade auch an und da kann ich nicht anders, als das Gleiche zu tun: "Ich hab Höhenangst." Seine Augen weiten sich und er presst die Lippen fest zusammen, um nicht loszulachen. "Hey, nicht lachen", tadele ich ihn, muss allerdings auch grinsen, weil ich merke, dass er sich entspannt.

Mit der Zeit werden seine Bewegungen auch immer besser und ich bin wirklich beeindruckt davon, wie schnell er lernt. Nach einigen Runden ist er sogar bereit eine meiner Hände loszulassen, sodass wir nun gemeinsam Hand in Hand über das Eis fahren.

Nach einiger Zeit bremst er aber in der Mitte und zieht mich an sich. Seine plötzliche Freude und sein Selbstvertrauen beflügeln mich. Es freut mich, dass es ihm auch Spaß macht und dass ich es geschafft habe ihm seine Angst zu nehmen.

Er schlingt einen Arm um meine Taille und drückt seine kalten Lippen auf meine. Ich kann nicht anders, als in den Kuss hinein zu lächeln, als ich erwidere. "Frohe Weihnachten", flüstert er, als wir uns wieder voneinander lösen. "Frohe Weihnachten", antworte ich und schmiege mich an dich. In diesem Moment verschwinden alle Leute um mich herum und ich habe nur noch Augen für ihn.

Nur noch 4 weitere Kapitel. Dann ist es schon zu Ende. 

East Kids - Tessa & Elijah | ✔️Where stories live. Discover now