Kapitel 72

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Tessa

Am Morgen des vierundzwanzigsten Dezembers werde ich von den schwachen Sonnenstrahlen geweckt. Erst brauche ich einige Sekunden bis ich realisiere, welcher Tag heute ist, springe dann aber so schnell aus dem Bett auf, dass mir kurz schwindelig wird.

Davon lasse ich mich aber auch nicht aufhalten. Stattdessen laufe ich schnell zum Fenster und starre nach draußen. Zu meiner Überraschung liegt Schnee. Ein breites Grinsen erscheint auf meinen Lippen. Perfekter kann dieser Morgen nicht anfangen.

In den Vortagen hat es zwar auch ein wenig geschneit, doch wirklich liegen geblieben ist nichts. Deshalb ist die Freude, die mich jetzt übermannt nur noch größer und endlich fühlt es sich so an, als könnten die Feiertage wirklich kommen.

Für einen Moment beobachte ich die Menschen, die auf der Straße hin und her huschen, und denke daran, was mich bald erwarten wird. Meine Familie hat schon seit Jahren Traditionen, die man nur ausfallen lassen darf, wenn irgendwas wirklich Wichtiges dazwischen kommt.

Von meiner Vorfreude beflügelt, husche ich zu meinem Kleiderschrank und betrachte meine Kleidung. Da es mit Sicherheit unter null Grad ist, sollte ich mich definitiv warm genug anziehen.

Also wähle ich einen blaue Jeans und einen grauen Hoodie. Dann trage ich kurz ein wenig Lipgloss auf und tusche meine Wimpern, bevor ich meine Haare mit dem Lockenstab fertig mache. Mehr mache ich aber nicht, da ich heute irgendwie wenig Lust auf das Ganze habe. Außerdem sind sowieso Ferien und ich muss für keine das perfekte Mädchen spielen.

Fertig angezogen, verlasse ich mein eigenes Zimmer und folge meiner Intuition, die mir sagt, dass ich den Morgen nutzen sollte, um zu Elijah zu gehen. Also klopfe ich langsam an seine Tür und öffne diese, als er nicht antwortet.

Sofort bemerke ich, dass er noch im Bett liegt, aber nicht zu schlafen scheint. Deshalb mache ich mich langsam auf ihn zu und bleibe neben seinem Bett stehen.

Er dreht sich zu mir um und schaut mich mit müden Augen an: "Was machst du denn hier?" Ohne irgendwas zu sagen, schiebe ich seine Decke zurück und kuschele mich zu ihm ins Bett. "Ah, das ist dein Ziel", ein Grinsen erscheint auf seinen Lippen, während er den Schlaf aus seinen Augen zu reiben scheint: "Gefällt mir!"

Ich lehne meinen Kopf gegen ihn und kuschele mich weiter an ihn. Als ich mit meiner Position zufrieden bin, seufze ich zufrieden. "Willst du so jetzt für den Rest des Tages liegen bleiben?", fragt er, doch ihm ist anzuhören, dass er da nichts dagegen hätte. "Nein, nur eine Weile", ich vergrabe eine Hand in seinem unordentlichen Haar und beginnt mit seinen Strähnen zu spielen. "Also wie lange?", versucht er mehr Informationen aus mir herauszukriegen. "Noch genau eine Stunde", antworte ich deshalb mit dem Gedanken daran, was uns heute erwartet.

"Warum? Was ist dann?", hakt er weiter nach. "Hör auf mir ein Loch in den Bauch zu fragen", maule gespielt beleidigt ich immer noch ein wenig müde. Mit einem Finger pikst er mir grinsend in besagten Bauch:"Ich möchte es aber wissen." Ich drehe meinen Kopf nun doch so, dass ich ihn richtig ansehen kann: "Heute gehen wir, wie jedes Jahr, auf den Weihnachtsmarkt." "Das macht ihr jedes Jahr?", diese Information bringt ihn völlig aus dem Konzept. "Na ja, letztes Jahr nicht mehr", ich beiße mir unsicher auf die Unterlippe. "Warum?", fragt er vorsichtig nach, als er mir durch die Haare streicht. "Letztes Jahr um diese Zeit ist mein Vater abgehauen", ich weiche seinem Blick aus: "Da waren Mom und ich nicht gerade in Stimmung."

Für einige Sekunden herrscht völlig Stille zwischen uns, doch dann schiebt er zwei Finger uns mein Kinn und zwingt mich so ihn anzusehen: "Vermisst du ihn?" Instinktiv schüttele ich den Kopf, doch innerlich bin zerrissen. Dieses sofortige Kopfschütteln ist zu so etwas wie einem Reflex geworden, wenn mich jemand nach meinem Dad fragt.

"Bist du sicher?", sanft fährt er mit seinem Daumen über meine Wange: "Du weißt, dass du ehrlich zu mir sein kannst. Ich behalte es auch für mich." Erneut herrscht kurz Stille, doch dann sehe ich ihm tief in die Augen: "Wenn ich ehrlich bin, vermisse ich ihn manchmal schon irgendwie." "Das ist doch normal. Er ist schließlich dein Vater", spricht er mir gut zu. "Ich weiß, aber er hat mich doch im Stich gelassen und sich einfach eine neue Familie gesucht, als es mit meiner Mutter nicht mehr so gut lief", die Enttäuschung ist mir anzuhören.

Zwar schickt mein Vater mir hin und wieder etwas, doch an den Geschenken sieht man, dass er keine Ahnung von mir und meinem Leben hat. Außerdem sind seine Geschenke immer materialistisch und ohne Herz, dass man denken könnte, er hätte irgendeine Sekretärin eingestellt, die auch für seine Tochter zuständig ist. Da ist mir egal, ob er mein Vater ist oder nicht. Schließlich schert er sich einen Dreck um mich.

East Kids - Tessa & Elijah | ✔️Where stories live. Discover now