Kapitel 44

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Tessa

Mein Handywecker reißt mich am nächsten Morgen rücksichtslos aus dem Schlaf. Am liebsten würde ich mich wie immer einfach wieder umdrehen und weiterschlafen, aber heute ist irgendwas anders. Also öffne ich langsam meine Augen und versuche herauszufinden, was es ist. Prüfend hebe ich meine Bettdecke an und schaue, ob ich noch Kleidung trage. Tatsächlich ist das der Fall, doch ich trage keinen Schlafanzug, sondern normale Straßenkleidung samt Turnschuhe. Warum habe ich im Bett Schuhe an?

Als ich die Decke wieder sinken lasse, werde ich plötzlich von Kopfschmerzen attackiert. Wie viel habe ich getrunken, dass ich mich kaum noch an irgendwas erinnern kann?

Es dauert einige Sekunden, bis ich registriere, dass ich zu Hause bin. Zum Glück! Aber wie bin ich eigentlich hierhin zurückgekommen. Ich hatte das Haus doch am Vortag verlassen und hatte dann eine Bar besucht. An meine Rückkehr kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.

Als ich meinen Kopf allerdings drehe, erblicke ich etwas, was mich erschreckt. Elijah sitzt schlafen auf meinem Schreibtischstuhl. Den Kopf hat er gegen meine Jacke gelegt, die über der Lehne hängt.

Schnell werfe ich einen Blick auf die Uhr über meinem Schreibtisch und anschließend auf den Kalender. Mist, heute ist wieder Schule – Montage sind wirklich die Schlimmsten – und ich habe einen Kater. Zwar ist da nicht das erste Mal, aber heute ist es schlimmer als sonst.

Langsam, um meine Kopfschmerzen nicht noch weiter herauszufordern, erhebe ich mich aus dem Bett und schlurfe auf meinen Spiegel zu. Das Bild, das sich mir eröffnet, eröffnet jedem, das der vergangene Tag einfach nur abscheulich war. Ich habe schreckliche Augenringe und meine Kleidung ist völlig zerknittert.

Schnell kicke ich meine Schuhe weg und steige dann umständlich aus meiner Hose, bevor ich mir mein T-Shirt über den Kopf ziehe und es von mir weg werfe. "Hey, ich wasche deine Sachen nicht", ertönt plötzlich Elijahs Stimme und ich zucke vor Schreck zusammen. Ich dachte doch, dass er schläft. Warum muss er ausgerechnet jetzt wach werden?

Ich versuche mir aber nichts anmerken zu lassen und wende mich deshalb ihm zu: "Ach, ich wusste gar nicht, dass du weißt, wie das geht." Sofort registriere ich, wie seinen Blick fest auf mein Gesicht haftet. Als würde er absichtlich versuchen nicht auf meinen Körper zu starren. Süß ist das ja irgendwie schon.

Instinktiv beiße ich mir auf die Lippe. Zwar weiß ich nicht wieso er in meinem Zimmer ist, aber trotzdem macht es mir Spaß ihn ein wenig zu necken, obwohl mir klar ist, dass es fies ist.

Er verschränkt die Arme vor der Brust und wirft das Shirt dann in meinen Wäschekorb: "Ich kann eben auch nicht alles." Die Weise, auf die er mich ansieht, bringt mich zum Grinsen. Irgendwie erinnert er mich gerade an einen kleinen Jungen, dem sein Lutscher weggenommen wurde.

"Was kannst du denn?", frage ich und schnappe mir ein anderes Oberteil aus dem Schrank, bevor ich langsam auf ihn zu gehe. Mal sehen wie konsequent er sein kann.

Überraschenderweise schafft er sogar mir in die Augen zu schauen, während ich auf ihn zu schlendere: "So einiges. Ich bin gut in Geschichte und Englisch und..." Er macht eine kurze Pause.

Mittlerweile bin ich vor ihm stehen geblieben und ziehe mir meinen Pullover über. "Und?", harke ich nach. Auf seinen Lippen erscheint ein zweideutiges Grinsen: "Und Biologie." Nun muss auch ich grinsen: "Glaub das ruhig." "Das tue ich", nun grinst auch er.

Mein Blick fällt auf seine Hände. Sie liegen auf den Lehnen meines Stuhles. Seine Finger haben sich um das Plastik geschlossen. Auf den ersten Blick wirken seine Hände ruhig, doch als ich ein zweites Mal hinsehe, bemerke ich, dass sie leicht verkrampft sind. Eigentlich sollte es mir gefallen, doch irgendwie bekomme ich dadurch schlechte Laune. Warum hat er sich so gut unter Kontrolle? Doch die viel größere Frage, die ich mir stelle, ist, warum ich will, dass er keine Kontrolle über sich hat. Will ich, dass er mich anfasst? Denn wenn ich ihn nur provozieren will, würde es mich doch nicht stören, dass er nichts tut. Dann würde es mir reichen ihn nur zu ärgern.

Schnell drehe ich mich um und gehe zum Schrank zurück, um eine Hose herauszunehmen und hineinzuschlüpfen. "Und? Wie geht es deinem Kater?", fragt Elijah nun aus heiterem Himmel nach. "Gut", lüge ich, um meine Schwäche nicht zuzugeben. Da siegt nämlich wieder meine Sturheit. "Echt? Also haben dir die ganzen Gläser Wodka nichts ausgemacht?" Meine Augen weiten sich. Woher weiß er davon?

Dem Augenschein nach hat auch er meine Reaktion auf seine Worte gesehen: "Ja, ich weiß davon. Schließlich war ich derjenige, der dich zurück nach Hause gebracht hat."

Nun erhebt der Junge sich von seinem Platz und geht an mir vorbei zur Zimmertür. Bevor er allerdings verschwindet, schenkt er mir ein Lächeln. Es ist jedoch kein amüsiertes oder gewinnendes, sondern ein Sanftes. Dann verschwindet er und schließt die Tür hinter sich.

Mich lässt er perplex zurück. Ich schlucke schwer. Er ist mir tatsächlich hinterher gegangen und hat mich dann sogar noch mit nach Hause genommen. Als wäre es ihm wichtig, dass es mir gut geht. Dieser Gedanke bringt mein Herz dazu plötzlich schneller zu schlagen, wofür ich es sofort zu hassen beginne. In letzter Zeit geschieht es für meinen Geschmack viel zu oft, dass mein Körper auf Elijah reagiert. Selbst, wenn ich nur an ihn denke, beginnt mein Bauch urplötzlich zu kribbeln. Und ich kann diese Reaktion nicht einmal richtig zuordnen. Was ist nur mit mir los?

Im Moment bin ich in einem richtigen Schreibflow, was dieses Buch angeht. Also wundert euch nicht, wenn viele Kapitel kommen. Obwohl das wahrscheinlich erst in den Ferien so richtig losgehen wird, da ich jetzt erst noch eine Woche in die Schule gehen muss und noch zwei Klausuren schreiben muss. Danach werde ich mich diesem Buch aber wieder intensiver zu wenden. 

East Kids - Tessa & Elijah | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt