Kapitel 41

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Tessa

Als ich endlich auf die Straße hinaus stolpere, habe ich das Gefühl endlich wieder durchatmen zu können. In unserem Appartement habe ich mich heute zum ersten Mal richtig unwohl gefühlt. Als hätte meine Mutter es darauf angelegt, dass mir der Kragen platzt, sodass ich mich selbst hier draußen auf der Straße mit all den fremden Menschen um mich herum wohler fühle, als zu Hause.

Kurz stütze ich mich mit den Händen auf den Knien auf und hole tief Luft. Dann hebe ich eine Hand, um mir ein Taxi anzuhalten. Wohin ich genau möchte, habe ich mir noch nicht überlegt. Bisher will ich einfach nur weg. Wahrscheinlich werde ich mich aber nachher sowieso in irgendeiner Bar wieder finden.

Das Taxi hält vor mir und ich stecke meinen Kopf durch eines der vorderen Fenster: "Hallo!" "Hallo", antwortet der Fahrer freundlich: "Was kann ich für Sie tun?" Irgendwie ist er mir schon jetzt sympathisch. "Das weiß ich noch nicht so genau", gebe ich zu und hoffe auf seine Hilfe: "Können Sie mir eine Bar empfehlen?" Normalerweise bin ich nie so spontan und muss genau wissen, wohin es geht, aber besondere Tage verlangen auch nach besonderen Ausnahmen.

Glücklicherweise kennt er tatsächlich eine Bar und berichtet mir sogar, dass er dort selbst oft mit seinen Kollegen nach Feierabend einen trinken geht. Also steige ich hinten an und schließe die Tür anschließend wieder hinter mir, bevor ich mich anschnalle. Als der Mann den Motor gerade startet, sehe ich aus dem Fenster und entdecke Elijah, der aus dem Gebäude, in dem ich lebe, kommt. Verfolgt er mich etwa?

In diesem Moment muss ich wieder an die Szene, die sich in meinem Zimmer abgespielt hat, denken. Dort hat es irgendwie so gewirkt, als würde er sich wirklich für mich interessieren und sich Sorgen machen. Zumal es mich sowieso überrascht hat, dass er mir überhaupt nachgegangen ist. Der Elijah, den zu kennen ich geglaubt habe, hätte das niemals getan.

Er war auf eine total ungewohnte Weise fürsorglich und sanft. Das hätte ich nie von ihm gedacht. Sonst schien es immer so, als würde er mich hassen oder wenigstens nicht ausstehen zu können, aber heute hatte es den Anschein, dass er sowas wie Sympathie für mich empfunden hat. Aber ich kann mich auch irren.

Der Fahrstil des Fahrers ist so übel, dass er mich völlig aus dem Konzept bringt. Augenblicklich wird mir schlecht und das bisschen Alkohol, das ich bisher zu mir genommen habe, macht es nicht besser.

Schnell konzentriere ich mich darauf nach vorne zu starren und darauf zu hoffen, dass mir irgendeine übernatürliche Kraft hilft und dem Mann am Steuer durch ein Wunder innerhalb von Sekunden das Fahren beibringt.

Glücklicherweise sind wir nach einigen weiteren, schrecklichen Minuten da und der Fahrer würgt den Motor so abrupt ab, dass er mir fast in der Seele weh tut. Schnell gebe ich ihm das Geld und springe dann regelrecht aus dem Auto. Obwohl der Taxifahrer freundlich war, war die Fahrt wohl die Schlimmste in meinem Leben. Zwar wird mir oft so oder so schlecht im Auto, aber das war der Horror.

Sobald das Taxi endlich weg ist, brachte ich das Gebäude, vor dem ich stehe, zum ersten Mal richtig. Es ist ein kleines Haus, das in diese hoch gebaute Stadt nicht zu passen scheint. Über der Tür flimmert ein rotes Neonschild. Allerdings funktionieren nur noch drei von fünf Buchstaben. Die anderen zwei flackern in unregelmäßigen Abständen auf. Die Wände sind an einigen Stellen schmutzig. Dieser Ort ist zwar anders als das, was ich sonst besuche, doch was soll's. Man soll ja eigentlich allem im Leben eine Chance geben. Zwar beherzige ich das im Leben nicht oft, aber heute ist eine Ausnahme.

Als trete ich nach einigen Sekunden, in denen ich mit mir selbst hadere, ein. Über der Tür klingelt eine Glocke, die mein Eintreten verkündet. Das Licht im Inneren ist ein wenig grünlich und flackert ein wenig unangenehm, doch wenn ich erst mal angetrunken bin, wird mich das erfahrungsgemäß auch nicht mehr stören.

Ich laufe an den hölzernen Tischen, die fast alle komplett besetzt sind, vorbei. An der Bar bleibe ich stehen. Scheinbar ist der Laden ganz gut besucht. Träge lasse ich mich auf einen Hocker sinken und stütze mich mit den Ellenbogen auf das Holz. Bisher bin ich die Einzige, die sich an die Bar gesetzt hat. Die anderen scheinen mehr Wert auf die Privatsphäre an den Einzeltischen zu geben.

Der Barkeeper kommt mit einem freundlichen Grinsen zu mir herüber: "Was kann ich für Sie tun, meine Dame?" Das bringt mich automatisch zum Grinsen. Als 'Dame' hat mich bisher noch keiner bezeichnet. "Ein ...", kurz überlege ich: " ...Wodka." Jetzt gerade brauche ich definitiv etwas Starkes. "Gerne, die Dame", dass er mich nicht nach meinem Ausweis fragt, verwundert mich zwar, obwohl ich sowieso alt genug bin, doch mir soll's recht sein.

Ich stütze den Kopf in die Hände und denke dabei weiterhin über den heutigen Tag nach, bis mir meine Bestellung serviert wird. Als ich an dem Rand meines Glases zu nippen beginne, schleicht sich der Gedanke, dass das bisher einzig schöne an diesem Tag der Tanz mit Elijah war.

Bei dem Gedanken daran beginnt etwas in meiner Magengrube zu kribbeln. Allerdings schiebe ich das erst mal nur auf den Alkohol, der sich nun in meinem Körper ausbreitet. An Elijah kann das nämlich nicht liegen.

Ohne zu merken, wie die Zeit vergeht und dass der Alkohol zu wirken beginnt, bestelle ich mir immer mehr Drinks und denke nach, über den Tag, das neue Schuljahr, Jil und meinen neuen Bruder. Ich muss wirklich zugeben, dass sich seit die Schule begonnen hat, ziemlich verändert hat. Nicht nur im Bezug auf meine Familie und die Schule, sondern auch im Bezug auf meine Freunde. Das habe ich echt nicht erwartet, als ich am ersten Schultag aus dem Bett gestiegen bin und hätte ich es gewusst, wäre ich wahrscheinlich niemals aufgestanden. Obwohl ich zugeben muss, dass gar nicht alles so schlecht ist, was ich erst als totaler Horror empfunden habe. Es scheint, als hätte ich gelernt, dass ich unbekannten Sachen nicht immer sofort mit Ablehnung begegnen sollte.

Da ich im letzten Kapitel vergessen habe mich für die 10K Reads zu bedanken, hole ich das jetzt nicht. Ich kann es wirklich kaum glauben. Ihr seid so großartig. Und ich wollte euch auch nochmal für eure Geduld danken. Schließlich dauert die Annäherung der beiden bisher ziemlich lange, aber ich will es auch irgendwie realistisch halten. Ich mag diese Bücher nicht, in denen sie sich erst hassen, nach zwei Kapitel Freunde sind, ein Kapitel später zusammen konnen. Und dann schwängert er sie drei Kapitel später und sie heiraten noch im selben Kapitel. Das ist mir einfach zu unrealistisch und sowas werdet ihr bei mir nicht finden. 

East Kids - Tessa & Elijah | ✔️Donde viven las historias. Descúbrelo ahora