Kapitel 74

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Tessa

Am Weihnachtsmorgen wache ich bereits in den frühen Morgenstunden auf. Ich brauche zwar einige Minuten, um wach zu werden, und bleibe solange noch im Bett liegen.

Dann erhebe ich mich allerdings aus meinem warmen Bett und husche auf Zehenspitzen über meinen kalten Boden zur Sockenschublade. Heraus ziehe ich ein paar schlichte, schwarze Socken, die ich mir schnell überziehe. Dann verlasse ich mein Zimmer, steige die Treppe hinunter und gehe ins Wohnzimmer.

Zu meiner Verwunderung scheine ich aber die Einzige zu sein, die schon wach ist. Kurz spiele ich mit dem Gedanken loszugehen und jemanden zu wecken. Schnell verwerfe ich ihn aber wieder, weil das nicht fair wäre. Ich würde schließlich auch nicht geweckt werden wollen, wenn ich noch hätte länger schlafen können.

Also betrachte ich kurz die Geschenke, die bereits unterm Baum liegen, gehe dann aber in die Küche. Dort hole ich mir ein Glas aus den Oberschränken und fülle es mit Leitungswasser. Schluck für Schluck beginne ich zu trinken. Dabei muss ich an den gestrigen Tag danken.

Glücklicherweise war Elijah damit einverstanden, dass wir einander nichts schenken und stattdessen einfach schöne Sachen unternehmen. Erinnerungen sind sowieso viel mehr wert als irgendwelche materialistischen Geschenke. Wenn wir etwas wollen, können wir es und schließlich jederzeit selbst kaufen und brauchen den anderen dafür eigentlich nicht. Neue Erinnerungen können wir aber nur zusammen schaffen.

Als ich ausgetrunken habe, fasse ich den Entschluss etwas für die ganze Familie zu kochen. Dann muss meine Mutter nicht kochen und wir alle haben so wenig Stress wie möglich. Sie stürzt sich nämlich während der Feiertage immer kopfüber in sämtliche Vorbereitungen und kann die Festlichkeiten deshalb kaum genießen.

Ich öffne den Kühlschrank, um zu schauen, was wir noch haben und stelle fest, dass es für Pancakes noch reichen müsste. Also nehme ich die Zutaten heraus und hole eine Pfanne. Kochen kann ich zwar nicht wirklich gut, aber für Pancakes und Rührei reichen meine Fähigkeiten nämlich. Langsam fülle ich alle Sachen in eine Schüssel und verrühre sie konzentriert. Hoffentlich verpfusche ich nichts.

"Guten Morgen, Tessa", ertönt plötzlich die Stimme meiner Mutter neben mir. Prompt erschrecke ich mich und presse mir automatisch die Hand aufs Herz. Warum habe ich sie gar nicht kommen hören?

Erst überlege ich, ob ich einfach weitermachen und nicht auf sie eingehen soll, da ich wirklich keine Lust auf irgendwelche Vorwürfe habe, doch dann drehe ich mich doch zu ihr um: "Guten Morgen, Mom."

Langsam kommt meine Mutter auf mich zu und wirkt dabei fast so, als hätte sie Angst mich zu verschrecken. Neben mir bleibt sie stehen und streckt ihre Hände nach dem Rührgerät aus. Ich verstehe zwar nicht, warum sie weitermachen will, reiche ihr besagtes Gerät aber und entferne mich ein Stück. War ja klar, dass sie nicht auf mich zukommen würde, um mit mir zu reden. Stattdessen mache ich wahrscheinlich nur irgendwas falsch und sie will es korrigieren.

Zu meiner Verwunderung schaltet sie das Gerät jedoch aus und lässt den Teig einfach stehen. Automatisch hebe ich beide Augenbrauen. Habe ich mich etwa doch getäuscht?

"Was ist?", mein Misstrauen ist mir in der Stimme anzuhören. "Können wir kurz reden", ihr Blick ist sanft und bittend. Mit so einem Gesichtsausdruck hat sie mich noch nie oft angesehen. Je länger ich ihn ansehe, desto weicher werde ich: "Worüber willst du denn reden?"

"Über die Beziehung zwischen Elijah und dir", sie schaut fest auf den Boden. Ich schlucke schwer, unsicher, was mich erwartet. "O-Okay?", mein Herz beginnt schneller zu schlagen und ich werde immer nervöser.

"Können wir uns kurz hinsetzen?", bittet meine Mutter mich vorsichtig, doch ich schüttele den Kopf. Ich will es jetzt wissen und nicht Stunden lang um den heißen Brei herum reden.

Mom scheint zwar stark damit zu kämpfen zu haben nicht mit den Augen zu rollen, doch sie reißt sich zusammen und beschwert sich nicht über seine Sturheit: "Gut, dann nicht." Ich sehe sie erwartungsvoll an und weiß nicht, was ich sagen soll.

Als sie merkt, dass ich nicht vorzuhaben scheine etwas zu antworten, fährt sie fort: "Cole und ich haben uns nochmal über das Thema unterhalten und auch über die Ehe gesprochen. Wir beide waren uns einig, dass die Ehe etwas Heiliges ist, was wir beide nur einmal im Leben wollen. Das heißt, dass wir nicht nochmal heiraten, dafür aber irgendwann sicher zusammen ziehen werden. Für Elijah und dich bedeutet das, dass ihr keine Stiefgeschwister werdet, weshalb eure Beziehung kein Problem mehr ist. Verwandt seid ihr ja schließlich sowieso nicht."

Meine Kinnlade klappt vor Überraschung hinunter und ich weiß nicht, was ich sagen soll. Eine Reihe von Emotionen prasselt auf mich hinunter. Freude, Überraschung und Schock übermannen mich und ich muss mich erst mal auf der Theke aufzustützen. "Oh Shit", ist das Einzige, was ich in diesem Moment zustande bringe.

Niemals hätte ich damit gerechnet, dass meine Mutter sich für so etwas entscheiden würde. Als Elijah und ich es ihr gesagt haben, hat sie nämlich echt nicht gut reagiert und ich hatte wirklich Angst, dass sie mich jetzt für immer hassen würde. Dass ein Gespräch mit Cole jedoch so viel ändern kann, hätte ich niemals gedacht und in diesem Moment bin ich dem Mann dafür einfach nur dankbar.

"Freust du dich nicht", sie runzelt ziemlich verwundert die Stirn. "D-Doch", ich kriege den Mund gar nicht mehr zu: "Aber es ist so unerwartet." Sie grinst zufrieden. "Seid ihr euch auch sicher?", ich sehe sich unsicher an: "Woher wollte ihr denn wissen, dass ich in einem Jahr immer noch so denkt." "Hey, wir sind beide erwachsen und wir haben uns gemeinsam dazu entschieden", sie nimmt meine Hand vorsichtig: "Wir sind uns sicher."

Vor Freude kann ich nicht mehr klar denken und falle ihr einfach nur in die Arme. "Ich bin einfach froh, dass du endlich jemanden gefunden hast, der es schafft dein Herz zu erobern und wenn das Elijah sein soll, dann ist das eben so", sie drückt mich sanft gegen sie.

"Was läuft den hier?", ertönt Elijahs Stimme plötzlich und ich löse mich von meiner Mutter. "Etwas, was dir sicher gefallen wird", antwortet Cole auf seine Frage. Ich betrachte die beiden verschlafenen Männer. Ich schenke meiner Mutter ein letztes Lächeln und gehe dann auf Elijah zu: "Mom und Cole haben beschlossen nicht zu heiraten und das heißt, dass wir niemals Stiefgeschwister werden." Es dauert einige Sekunden bis er realisiert, was ich da gerade gesagt habe, doch dann schließt er mich fest in seine Arme und drückt mir einen Kuss auf die Stirn: "Ich liebe dich." "Ich liebe dich auch", antworte ich.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Cole meine Mutter in seine Arme zieht und ihr etwas zuflüstert, woraufhin sie zufrieden lächelt.

East Kids - Tessa & Elijah | ✔️Where stories live. Discover now