Kapitel 10

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Tessa

Für einen Moment versuche ich meine Gedanken, von den Drogen weg, auf die Person zu richten, die ihre Arme um mich geschlungen hat. Ich will meinen Kopf dem Jungen zudrehen, doch dieser legt seine Finger unter mein Kinn und lässt so keinen Blick auf ihn zu.

Das reicht mir. Zwar mag ich es, wenn sich ein Typ zwischen durch mal traut Dominanz zu zeigen, doch in diesem Moment ist es einfach nur unpassend. "Kannst du mich bitte loslassen?", frage ich, immer noch freundlich nach, um der Person keinen zu harten Korb zu geben: "Ich habe gerade keine Zeit dafür."

Sanft fährt er mit seinem rauen Daumen über meinen Kiefer: "Ach komm schon, Tessa. Kannst du deine Pläne nicht auf später verschieben?"

Schon nach wenigen Sekunden wird mir klar, wer dort hinter mir steht. Erst fühlt es sich so an, als würde ich erstarren, doch fange ich mich wieder: "Sag mal, was ist eigentlich in dich gefahren?" Ich muss all meine Kraft aufbringen, um mich in seinen Armen herumzudrehen.

In dieser Position kann ich das triumphale Funkeln in seinen Augen sehen, welches sich in seinem frechen Grinsen widerspiegelt. Am liebsten würde ich mich in diesem Moment übergeben. Ich bin ihm so nah, dass ich sogar die Wärme seiner Brust spüren kann. Und das fühlt sich einfach nur falsch an. Automatisch läuft mir ein Schauer über den Rücken, der sich allerdings alles andere als wohlig anfühlt.

"Darf ich dich etwa nicht anfassen?", seine dunkelbraunen Augenbrauen wandern in die Höhe. "Nein, sicher nicht", trotzig starre ich ihn an und wünsche mir einfach nur, dass er mich endlich loslässt. Zwar ist sein Aussehen nicht hässlich, aber dafür sein Charakter.

Er weiß genau, dass die meisten Mädchen in der Schule auf ihn stehen und genauso benimmt er sich auch. Deshalb denkt er, dass er jede haben kann und tut so, als wäre er ein Superstar. Manchmal tun mir seine Freunde richtig leid. Ob er die wohl auch so oft wechselt wie seine Freundinnen?

"Warum denn nicht. Schließlich lässt du auch jeden anderen ran, wenn er dich darum bittet", er streicht mit zwei Fingern an meiner Seite hinauf und hinab. Zwar missfallen mir diese Berührungen nicht unbedingt, sondern nur die Tatsache, dass er es ist, der mich anfasst. Wäre es ein anderer Junge, würde ich ihn wahrscheinlich nicht so eiskalt abblitzen lassen, wie Elijah.

"Das stimmt nicht", ich starre ihn mit festem Blick an: "Ich bin hier immer noch diejenige, die entscheidet, wer mich anfassen darf und zu diesen Leuten zählst du sicher nicht." Meine Stimme ist kalt und hart. Er ist einer der einzigen Jungen, der mich nie interessiert hat. Viel zu früh habe ich den Fehler gemacht mit ihm reden und habe so seinen Charakter kennengelernt. Außerdem hält er mich für eine Schlampe, was ich zugegebenermaßen auch bin. Allerdings gibt ihm das noch lange nicht das Recht schlecht über mich zu reden. Im Grund genommen macht er nämlich exakt das Gleiche wie ich.

Die wesentlichen Unterschiede zwischen uns sind allerdings, dass ich mit den Menschen nicht schlafe, um sie später auf einer Liste abhaken zu können, sondern um dieser Person und auch mir selbst vergnügen zu bereiten. Ich brüste mich damit nicht, während er das nur zu gerne tut. Und dabei wird er von seinen Freunden auch noch als begehrter Womanizer gefeiert, während man mich als Schlampe tituliert.

"Warum denn nicht?", er zwinkert mir verschmitzt zu: "Ich war mir ziemlich sicher, dass es dir gefallen würde." Das reicht mir jetzt allemal! Ich habe wirklich wenig Lust mich jetzt mit ihm rum zu schlagen, da ich vor allem noch was anderes zu tun habe.

"Tja, falsch gedacht. Und jetzt lass mich bitte los", ich versuche ruhig zu klingen, obwohl er mich einfach nur nervt, während ich mich von ihm befreie.

Sobald ich endlich frei bin, mache ich einige Schritte von ihm weg. Mit dem Rücken stoße ich dabei gegen eine Kante der Bar. Sofort bin ich mir sicher, dass in wenigen Tagen ein kleiner, blauer Fleck auf meinem Rücken erscheinen wird, doch ich versuche mir nichts anmerken zu lassen. Stattdessen hebe ich das Kinn einfach nur ein Stück, um mich selbst selbstsicherer zu fühlen.

Er verdreht die Augen und dampft dann ohne ein weiteres Wort ab. Manchmal frage ich mich echt, ob seine Mutter ihn nach der Geburt fallen gelassen hat.

Ich folge ihm mit meinem Blick weiterhin, bis er in der Menge verschwunden ist, und sauge dann mehrmals scharf Luft ein. Warum ist es hier drinnen plötzlich so warm?

Weil ich Angst habe, dass die anderen sich bald fragen, wo ich bleibe, nehme ich beide Gläser in die Hände und mache mich auf den Rückweg zu den anderen. Hoffentlich hat keiner gesehen, was gerade passiert ist. Ich will nicht, dass irgendwer denkt, dass wir irgendwas haben. Auf solche Gerüchte habe ich nämlich wirklich keine Lust. Schließlich weiß jeder, dass Elijah der Letzte wäre, mit dem ich irgendwas anfangen würde. Jedenfalls jeder abgesehen von ihm selbst.

East Kids - Tessa & Elijah | ✔️Donde viven las historias. Descúbrelo ahora