Kapitel 36

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Tessa

Langsam öffne ich die Tür meines Zimmers und steige die Treppe hinunter. Sofort sehe ich, dass schon fast alle Gäste hier sind und mich anstarren. Am liebsten würde ich sofort wieder verschwinden, aber das geht jetzt nicht mehr. Ich wurde schon gesehen.

Also hebe ich das Kinn ein Stück, lasse meine Schultern so weit hängen, dass ich gerade selbstbewusst genug wirke und steige dann die Treppe hinunter.

Regelrecht spüre ich wie mich die Leute von allen Seiten anstarren. Und merkwürdigerweise ist es mir jetzt gerade ziemlich unangenehm.

Ich lasse meinen Blick durch das wandern, was man regelrecht als Menge bezeichnen könnte. Die meisten Leute davon habe ich noch nie gesehen. Zur Familie gehören sie also definitiv nicht. Gesichter kann ich mir ziemlich gut einprägen und ich gehe einfach mal nicht davon aus, dass jemand Neues in letzter Zeit in die Familie eingeheiratet hat.

Unten angekommen, wenden sich glücklicherweise die meisten wieder ab und vertiefen sich in Gespräche. Elijah ist der Einzige, der mich weiterhin ansieht.

Schon jetzt ist dem ganzen Haus anzusehen, dass meine Mutter völlig übertrieben hat. Wie ich den Tag zwischen all diesen Leuten verbringen soll, ist mir bisher wirklich undurchsichtig.

Um in diesem überfüllten Raum nicht zu ersticken, verschwinde ich auf die Terrasse. Hier ist zwar auch etwas los, aber deutlich weniger.

Elijah

Mit einem festen Blick verfolge ich Tessa, als sie die Treppe hinuntersteigt. Sie sieht wunderschön aus. Zwar ist das Kleid nicht ganz ihr Stil, aber wunderschön ist sie trotzdem.

Mir fällt aber auf, dass sie versucht selbstbewusst zu wirken, doch ihr ist klar anzusehen, wie unwohl sie sich fühlt. Ich muss einfach mit ihr reden, sie beruhigen und sagen, dass sie wunderbar aussieht. Für mich ist das allein die Wahrheit. Allerdings ist sie verschwunden, bevor ich mich überhaupt zu ihr begeben kann. Wo sie hingeht, kann ich leider nicht sehen. Zu viele Menschen sind hier.

Ich nehme mir Kurzerhand einige Häppchen von einem Tablett und trete dann raus auf die Terrasse. Wo soll ich auch sonst hin? Das ganze Wohnzimmer wimmelt ja vor Leuten im mittleren Alter, von denen jeder einzelne meint besser zu sein als die anderen im Raum. Das nenne ich mal arrogant. Aber so läuft es wohl in diesem Metier.

Genau wie in der letzten Nacht stütze ich mich neben ihr auf das Geländer der Terrasse. "Na, willst du auch ein wenig frische Luft schnappen?", frage ich nach und betrachte das Glas Alkohol in ihrer Hand. Trinken um den Tag zu retten? Warum ist mir das nicht eingefallen?

"Ja", seufzt sie: "Am liebsten würde ich jetzt einfach von hier verschwinden und erst wiederkommen, wenn alle weg sind." Dass sie so unverfangen mit mir spricht, ist mir völlig neu. Sonst hätte sie mich wahrscheinlich einfach ignoriert oder irgendwie ironisch geantwortet. Deshalb überraschen mich ihre Worte aus so sehr. Sie scheint immer für eine Überraschung gut zu sein.

Eigentlich hatte ich gar nicht geplant, dass dieses Kapitel aus beiden Sichten sein wird. Ursprünglich war nur Elijah vorgehen. Allerdings habe ich mich verlesen und, na ja, das Ergebnis seht ihr ja hier. 

East Kids - Tessa & Elijah | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt