Kapitel 68

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Tessa

Am nächsten Tag werde ich von Elijah geweckt, der mich sanft an der Schulter zu schütteln beginnt. Langsam öffne ich die Augen und drehe mich zu ihm um. "Was ist?", murmele ich mit kratziger Stimme. Früh aufzustehen gehört nicht zu meinem Plan für den ersten Ferientag. "Wir sollten aufstehen", sanft zieht er mich an sich: "Heute ist ein wichtiger Tag."

Ich kneife meine Augen zusammen und brauche ein wenig, um mich daran zu erinnern, was wir für heute eigentlich geplant haben. Dann fällt es mir allerdings wieder ein und ich schlage mir die Hand vor den Kopf: "Erinnere mich nicht daran." "Irgendwann müssen wir es machen", er spielt mit einer meiner Strähnen. "Ich weiß", ich drücke meinen Kopf gegen seine Schulter: "Aber ich wünschte, wir könnten es noch ein wenig herauszögern." "Ich weiß, aber heute ist der richtige Tag und das weißt du auch genauso gut wie ich", sein Blick ist weich. "Ja, schon klar", ich lasse mich resigniert in die Kissen sinken.

"Also, wie packen wir das an?", fragt er mich: "Spricht jeder von uns einzeln mit seinem Elternteil oder reden wir gemeinsam mit beiden." Zwar bin ich in diesem Moment komplett überfragt, gebe mir aber Mühe kurz darüber nachzudenken und dann eine Entscheidung zu fällen. Da ich nicht glaube, irgendeine ordentliche Erklärung herausbringen zu können, wenn ich alleine mit meiner Mom rede, entscheide ich mich für die zweite Möglichkeit: "Gemeinsam mit beiden." "Gut, dann zusammen", er ergreift meine Hand und verschränkt seine Finger dann in meinen.

"Und jetzt stehen wir auf, gehen runter, wecken unsere Eltern und sagen es ihnen", er setzt sich auf und klettert schnell über mich. Dann zieht er mich ebenfalls auf die Füße und schleift mich regelrecht aus dem Zimmer.

***

"Also? Was gibt's?", meine Mutter sitzt aufrecht in ihrem Lieblingssessel. Sie hat sich bereits ihre normale Kleidung angezogen, ihre Haare gemacht und sich geschminkt. Hätte sie allerdings nicht so gehandelt, würde ich mich fragen, ob das wirklich meine Mutter ist. Sie hat ihre Beine überschlagen und die Arme auf die Lehnen links und rechts gelegt.

Nervös spiele ich mit meinen Fingern herum. Elijahs Hand liegt nur ein paar Zentimeter von meiner eigenen entfernt und ich muss wirklich mit mir ringen, um nicht danach zu greifen. Nur eine kleine Berührung von ihm würde mir Schutz und Kraft zu gleich bieten, doch ich kann sie nicht nehmen.

Also hebe ich einfach den Kopf und schaue zwischen Cole und meiner Mom hin und her, während mir mehr als hundert Arten einfallen, auf die meine Mutter mich von diesem Moment an hassen könnte.

"Komm schon, Leute, wir werden euch schon nicht den Kopf abreißen", schaltet sich nun auch Cole ein. Er lächelt uns beiden freundlich zu, doch Mut macht er mir da mit ganz und gar nicht.

"W-Wir müssen euch etwas sagen", beginne ich und versuche dabei Elijah nicht anzusehen. "Das sagtest du bereits", erwidert meine Mutter und schenkt mir einen zweifelnden Blick.

Vorsichtig legt mir Elijah eine Hand aufs Bein. Scheinbar ist es ihm egal, ob sie es bemerken, bevor wir es ihnen gesagt haben oder nicht. "Wir haben uns ineinander verliebt", trifft Elijah genau ins Schwarze: "Und wir wissen beide, dass das echt Scheiße ist, weil wir Stiefgeschwister werden, wenn ihr heiratet, aber wir können nichts dagegen tun. Liebe sucht sich ihren Weg ohne, dass man darauf Einfluss nehmen kann."

Für einen Moment herrscht Schweigen im ganzen Raum. Die Kinnlade meiner Mutter klappt nach unten und ihre Fingernägel graben sich in den Stoff des Sessels. Der Schock, der sie in diesen Sekunden durchzuckt, ist aus ihrem Gesicht klar abzulesen.

Cole reagiert allerdings ganz anders. Erst ist er auch schockiert, doch dann heben sich seine Mundwinkel wieder und er entspannt sich. Sanft greift er nach Moms Hand und streicht mit dem Daumen darüber: "Entspann dich, Hayley. Ist doch nicht so dramatisch."

"Nicht so dramatisch?", wiederholt meine Mutter mit piepsiger Stimme. "Ja, sie sind nicht blutsverwandt und deshalb ist es doch nichts Schlimmes. Wären wir nicht zusammen, wären sie doch auch nur zwei Jugendliche, die sich ineinander verliebt haben", versucht er es ihr zu erklären.

Ängstlich starre ich zwischen beiden hin und her, während ich Elijahs Blick auf mir spüre. "Ich freue mich für euch und denke, dass Hayley und ich gleich mal ein langes Gespräch zu führen haben", er steht auf und streckt besagter Frau die Hand hin: "Ihr könnt ja schonmal Frühstück machen."

Hinter mir seufzt Elijah gelangweilt, doch ich nicke und erhebe mich ebenfalls. Kochen kann ich zwar nicht so gut, aber für Frühstück wird es wohl reichen und mit Sicherheit schafft Cole es irgendwie meine Mutter davon zu überzeugen, dass die ganze Situation doch nicht so schlimm ist, wie es scheint.

East Kids - Tessa & Elijah | ✔️Where stories live. Discover now