Kapitel 78

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Tessa

Wenige Sekunden nachdem die Verwandten eingetroffen sind, kommt meine Mutter aus der Küche. Wie gestresst sie ist, ist kaum zu übersehen. "Oh, ihr seid ja schon da", sie streicht sich nervös eine Strähne hinters Ohr. Sofort kommt meine Grandma auf Mom zu gewatschelt und schließt sie in ihre Arme: "Hayley! Schön dich endlich wiederzusehen. Wir haben uns ja schon so lange nicht mehr gesehen. Du hättest auch mal anrufen können, mein Kind."

Die Tatsache, dass sie irgendwie langsamer spricht als normale Menschen und jedes Wort stärker betont, macht ihren versteckten Tadel auch nicht gerade besser. Mir das Lachen zu verkneifen, wird dadurch aber nur noch schwerer als sonst. Zwar ist es generell immer lustig, wenn Grandma denkt, man würde nicht bemerken, wenn sie sowas versucht, aber das macht es definitiv noch besser.

"Ja, ich weiß. Ich verspreche, dass ich wieder öfter anrufen werde", ein freudiges Lächeln erscheint auf meinen Lippen: "Jetzt freue ich mich aber erst mal, dass ihr hier seid und mit uns feiert." "Das freut mich auch", erwidert meine Großmutter und löst sich von Mom wieder.

"Jetzt sollten wir uns aber schon mal an den Tisch setzen, sonst wird das Essen noch kalt", bittet meine Mutter die Gäste. Die Verwandten folgen ihr zu unserem Esstisch, den meine Mutter bis auf den letzten Zentimeter voll gestellt hat. Da braucht man sich gar nicht wundern, dass sie so gestresst ist, wenn sie so viel macht. Ich frage mich allerdings, wer das alles essen soll. Schließlich ähnelt das, was sich mir nun auf dem Tisch eröffnet einem regelrechten 'All you can eat' – Buffet.

Auf ihre Bitte hin, erhebe ich mich auch und mache Anstalten mich an den Tisch zu setzen. "Kannst du vielleicht Cole und Elijah holen, Schatz?", fragt meine Mutter mich. Allerdings klingt es weniger wie eine Frage und viel eher wie ein Befehl. Es nervt mich zwar total, dass meine Mutter immer auf perfekt tun muss, wenn wir Besuch haben, doch ich sage lieber nichts dagegen und komme ihrer Bitte. "Cole! Elijah! Wir essen!", rufe ich nach oben und hoffe, dass beide mich irgendwie gehört haben. "So habe ich das nicht gemeint", brummt Mom, lässt es aber auf sich beruhen.

Wenige Sekunden später ist zu hören wie sich zwei Türen öffnen und die Männer des Haushaltes heraustreten. Cole hat ein freundliches Grinsen auf den Lippen, während Elijahs Blick meinem ziemlich ähnlich ist. Schließlich hatte Elijah schon eine Begegnung mit der Familie und musste mich danach aus einer Bar tragen. Sowas wird heute aber auf keinen Fall geschehen. Ich habe mir nämlich vorgenommen dieses Mal keinen Streit anzufangen.

"Ah, die Gäste sind da", Cole schenkt diesen ein charmantes Lächeln. Meine Grandma lächelt ganz begeistert, als sie ihn erblickt. Ich lasse mich auf meinen Stammplatz fallen und warte darauf, dass wir mit dem Essen beginnen. Auch Cole und Elijah gesellen sich daraufhin zu uns. Zu meiner Freunde lässt sich Elijah neben mir nieder.

"Dann fangen wir mal an", verkündet meine Mutter: "In der Küche sind noch grüne Bohnen, wenn jemand daran Interesse hat." Ein paar Leute melden sich, was meine Mutter dazu verleitet erneut aufzustehen und in der Küche zu verschwinden. Unterdessen beginnen wir anderen uns den Teller zu füllen.

"Ich muss sagen, dass du wirklich gut in diesem Anzug aussiehst, Elijah", als ich Georginas Stimme vernehme, hebe ich langsam den Kopf und sehe sie skeptisch an. Was hat sie jetzt schon wieder vor? Sie schenkt mir ein triumphierendes Lächeln: "Ja, Tessa, ich weiß wie man einem Jungen Komplimente macht. Wenn du willst, kann ich dir das aber beibringen, damit du Typen auch mal für mehr als einen Tag bei dir halten kannst."

Ich schiebe meinen Unterkiefer vor, versuche die Wut, die in mir aufsteigt, allerdings zu verbergen. Um meinen Vorsatz nicht zu brechen, ziehe ich die Augenbrauen nur zweifelnd hoch und wende mich wieder dem Fleisch auf meinem Teller zu.

"Äh, danke", erwidert Elijah einfach nur darauf. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass er sich sofort wieder daran macht weiter zu essen und beruhige mich. Solange er nicht darauf eingeht, ist alles gut.

Sie scheint mit ihm aber noch nicht fertig zu sein: "Und wie findest du mein Kleid?" Er hebt den Kopf langsam und mustert sie kurz. Ich bemerke wie er zu mir hinüber linst. Auf seinem Gesicht ist einige Sekunden lange ein belustigter Ausdruck zu sehen. Ich deute ein Augenrollen an, schenke ihm aber einen ermutigenden Blick. Wenn er jetzt irgendwas Negatives sagt, wird am Abend ein riesiges Donnerwetter über ihn hereinbrechen. Das weiß er genauso gut wie ich selbst. Also antwortet er ihr "Ganz gut" und schenkt ihr ein gezwungenes Lächeln.

"Wusstest du eigentlich, dass mein letzter Freund mich betrogen hat?", ihr Gesicht wird kurz säuerlich, doch dann schenkt sie ihm einen vielsagenden Ausdruck: "Aber wenigstens bin ich dann jetzt wieder Single und frei für Dates und einen Neuen." Erneut kocht Wut in mir auf. Die ist ja noch direkter als ich.

An Elijahs Blick sehe ich genau, dass die ganze Situation ihm ganz und gar nicht gefällt. "Das tut mir echt leid", beginnt er und mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Er geht darauf doch nicht etwa ein! "Sowas geht gar nicht. Würde meine Freundin sowas machen, wäre auch sofort Schluss", während er spricht, linst er kurz vielsagend zu mir rüber. Ich schlucke. Traut er mir ernsthaft zu, dass ich ihm sowas antun würde.

"D-Du hast eine Freundin?", als ich das verblüffte Gesicht meiner Cousine erblicke, kann ich mich fast nicht mehr beherrsche. Sie wirkt total vor den Kopf gestoßen aus. "W-Wer ist sie?", fragt sie total überrascht weiter: "Es gibt sicher nur wenige Frauen, die dir ebenbürtig ist." Als ich das höre, könnte ich fast kotzen. Ihr Ego ist ja noch größer als meins.

"Sie ist die beste feste Freundin, die ich mir vorstellen könnte, obwohl sie wirklich stur sein kann", beginnt er. Unter dem Tisch greift er vorsichtig nach meiner Hand und verschränkt seine Finger in meinen: "Und sie ist mir mehr als nur ebenbürtig."

Mein Atem stockt und mein Herz schlägt schneller, als ich realisiere, dass er mich gerade zum ersten Mal als seine feste Freundin bezeichnet hat. Ich umklammere seine Hand fester und muss wirklich mit mir ringen, um mir meine Freunde nicht anmerken zu lassen.

"Und wann hast du sie kennengelernt?", schaltet sich nun auch meine Grandma ein. Scheinbar macht es Elijah Spaß davon zu erzählen, denn er beginnt sofort zu erzählen: "Ich war schon länger mit ihr auf einer Schule, aber wir haben uns nie gut verstanden. Ehrlich gesagt habe ich damals nicht wirklich viel von ihr gehalten und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Unsere Einstellung zueinander hat sich dann erst im neuen Schuljahr verändert." Ihn davon aus seiner Sicht erzählen zu hören, ist irgendwie faszinierend.

"Und wie habt ihr, dann angefangen einander zu mögen?", bohrt Georgina nun weiter nach. "Wir würden dazu gezwungen Zeit miteinander zu verbringen. Das hat dazu geführt, dass ich gemerkt habe, wie großartig sie ist und dass hinter ihrer Fassade mehr als das steckt, was sie in der Schule von sich zeigt. Er dadurch habe ich bemerkt wie wundervoll und perfekt sie ist", spricht er weiter. Ein fast verträumtes Lächeln macht sich auf meinen Lippen breit und ich muss mit mir kämpfen, um nicht das Gleiche zu tun.

East Kids - Tessa & Elijah | ✔️Where stories live. Discover now