Kapitel 40

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Elijah

Gerade begebe ich mich ans Buffet, da sehe, ich urplötzlich wie Tessa die Treppe hinauf stürmt. Ihr Gesicht kann ich zwar nicht komplett sehen, doch das ist auch nicht nötig. Dass ihr irgendwas über die Leber gelaufen sein muss, ist ihr auch so anzusehen. Auf einmal tut sie mir leid und ich verspüre das Bedürfnis sie zu beschützen. Schließlich schien es ihr den ganzen Tag schon nicht gut zu gehen und irgendwas scheint ihr den Rest gegeben zu haben.

Ich stelle meinen Teller wieder weg – essen kann ich auch später – und schiebe mich durch die regelrechte Menschenmenge, um zur Treppe zu gelangen. Innerlich hoffe ich nur, dass ich an ihrer schlechten Laune nicht Schuld bin. Mir hat das Tanzen mit ihr nämlich sehr gut gefallen und wenn ich ehrlich bin, hätte ich am liebsten niemals aufgehört.

Bevor ich allerdings überhaupt zur Treppe gelangen kann, stellt sich mir jemand in den Weg. Ein Mädchen mit ebenso schwarzem Haar und fast dem gleichen Kleid wie Tessa, steht plötzlich vor mir. Sehe ich etwa doppelt?

Es dauert zwar einige Sekunden, bis ich verstehe, dass das nicht der Fall ist, doch dann macht es Klick in meinem Kopf. Es muss irgendeine Verwandte von Tessa sein und nicht das Mädchen selbst. Denn während Tessa wunderschöne braune Augen hat, hat die Person, die vor mir steht, ganz andere. Und auch ihr Kleid ist an einigen Stellen anders gefärbt.

"Hallo", sofort fällt mir auf, dass auch ihre Stimme anders ist. "Hi", antworte ich ein wenig perplex. Was will die denn jetzt von mir? Ich muss zu Tessa, bevor sie irgendwas anstellt, was sie später bereuen wird. "Ich bin Georgina, die Cousine von Tessa", zwar trägt sie ein Lächeln auf den Lippen, doch es wirklich völlig gekünstelt: "Und? Wer bist du? Der One-Night-Stand von letzter Nacht."

Ich kneife die Augen zusammen und weiß echt nicht, was ich darauf antworten soll. Wie kommt dieses Mädchen darauf? Allerdings wird mir nun eins klar. Sie muss der Grund für Tessas schlechte Laune sein. Dass beide sich miteinander nicht verstehen, kann ich mir perfekt vorstellen. Wenn sie nämlich immer so unempathische Fragen stellt, kann ich mir vorstellen, dass Tessa und Georgina schnell aneinander geraten können. Schließlich habe ich Tessas Temperament ja mittlerweile am eigenen Leib erlebt und wenn das in der Familie liegt, dann sind die Familientreffen wahrscheinlich nicht sonderlich lustig.

"Nein, ich bin nicht ihr One-Night-Stand, sondern der sowas wie ihr Stiefbruder", ich versuch ein triumphierendes Gesicht zu machen, doch irgendwie fühlt sich das weniger gut an. Schließlich habe ich als Stiefbruder den Kürzeren gezogen. Das Gesicht das Mädchen färbt sich nahezu weiß: "Oh, das tut mir leid." "Jaja", versuche ich sie schnell abzuwimmeln: "Wenn du mich jetzt vorbeilassen würdest, würde ich jetzt zu Tessa gehen."

Zwar lässt sie mich auf die Bitte hin augenblicklich vorbei, doch während ich die Treppe hinuntersteige, höre ich ein leises "Von wegen Bruder" von Georgina.

Als ich das höre, beiße ich die Kiefer aufeinander, gehe aber weiter. Ihre Worte klingen jedoch in meinem Kopf wieder. Hat sie recht? Schließlich hat es mir schon irgendwie gefallen mit Tessa zu tanzen und so fühlt man doch normalerweise nicht für seine Schwester. Ich hatte noch keine Schwester. Wie soll, ich also wissen wie sich das normalerweise anfühlen soll?

Im oberen Stockwerk angekommen, klopfe ich vorsichtig an Tessas Tür: "Hey, kann ich reinkommen?" Darauf folgt nur ein "Was willst du, Elijah?" Regelrecht kann ich sehen, wie sie mit den Augen rollt. "Geht es dir gut?", frage ich weiter, ohne auf ihre Frage zu antworten. "Ja, warum sollte es mir nicht gut gehen?", ihr Ton ist kalt und die Wut ist ihr anzuhören. "Kann ich bitte reinkommen?", frage ich erneut. Es wird mir langsam einfach zu blöd mit ihr durch die Tür zu sprechen.

Als sie nicht antwortet, öffne ich die Tür einfach und trete ein. Glücklicherweise war die Tür nicht abgeschlossen.

Mein erster Blick fällt auf Tessas Kleid, das auf dem Bett liegt, und ich halte mir die Hand vor die Augen, um sie nicht in Verlegenheit zu bringen: "Hast du was an?" "Natürlich", sagt sie, als wäre das ersichtlich gewesen. Daraufhin nehme ich die Hand weg und sehe sie an.

Sie hat sich umgezogen. Ihr schwarzes Haar hat sie zu einem Zopf gebunden und wirkt nun wieder ganz so wie das Mädchen, das ich kenne. Sie trägt eine schwarze Lederjacke und darunter eine weiße Bluse, sowie eine schwarze Hose. Ihre Schuhe stecken zu meiner Überraschung allerdings in ebenso dunklen Turnschuhen. Ehrlich gesagt hätte ich mit High Heels gerechnet. Das würde den Look, den sie sonst in der Schule trägt, komplett machen. Sonst fand ich das immer ziemlich bitchig, aber jetzt gerade sieht es irgendwie gut aus. Sie weiß eben wie sie mit ihren Reizen spielen soll.

"Was hast du vor?", frage ich vorsichtig, während ich sie weiter mustert. Dabei nehme ich ein Kribbeln in der Magengrube wahr, dass ich vorher noch nie gefühlt habe. Besonders im Bezug auf sie.

"Das geht dich gar nichts an", erwidert sie nur knapp. Doch ich lasse mich nicht abschütteln. Viel eher zeigt mir diese Reaktion, dass sie mit allem um sie herum gerade ziemlich überfordert sein muss.

Langsam gehe ich auf die zu und stelle mich vor sie. Sanft streiche ich ihr eine Strähne hinters Ohr: "Hey, entspann dich. Ich will dir nur helfen." "Ich brauche keine Hilfe!" Dass sie mir weiterhin vehement widerspricht, macht mich zwar verrückt, da ich sowas nicht gewohnt bin, aber wenigstens ist ihre Stimme ruhiger.

"Gut, dann eben nicht", lenke ich ein: "Aber dann sag mir bitte wenigstens, was du vorhast." Als sie nichts sagt, füge ich noch ein Wort zu, dass für mich total untypisch ist: "Bitte!" Sie nimmt einen tiefen Atemzug und scheint so, als würde sie mir nun endlich antworten wollen. Sie öffnet den Mund, um etwas zu sagen, schließt diesen jedoch nach wenigen Sekunden wieder und nimmt ein wenig Abstand von mir: "Wie gesagt: Das geht dich nichts an!"

Perplex starre ich sie an. Was war das denn? Erst schien es so als würde sie sich öffnen wollen und dann verschließt sie sich wenige Sekunden später doch wieder. Ich verstehe dieses Mädchen echt nicht!

Schnell schiebt sie sich an mir vorbei und huscht aus dem Zimmer. Zwar versuche ich sie noch irgendwie aufzuhalten, doch meine Bemühungen sind umsonst. Wenn sie etwas will, wird sie scheinbar ziemlich stark.

"Warte doch, Tessa", schnell laufe ich ihr hinterher, kann sie allerdings nicht mehr dazu bringen anzuhalten. Zu viel Abstand hat sie zu mir schon gewonnen. Ich lasse mich aber nicht abschütteln. Selbst als sich die Aufzugtüren hinter ihr schließen, gebe ich nicht auf und drücke den Knopf des Aufzugs ebenfalls. Ich fühle mich verpflichtet aufzupassen, dass sie keinen Scheiß anstellt und dass ihr nicht nichts passiert.

East Kids - Tessa & Elijah | ✔️Where stories live. Discover now