6. Bella die Dobermann-Hündin

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Sloan Dewayne

Mein Blick streift durch den dichten und grünen Wald, der hin und wieder einige Sonnenstrahlen durchlässt und damit selbst die kleinsten, fliegenden Tierchen erkennbar macht. Es ist noch früher morgen und damit ist die Luft noch nicht drückend vor Hitze, sondern angenehm kühl und frisch. Man kann den Duft der Bäume, des Grases, selbst der feuchten Erde wahrnehmen und sich darin fast verirren.

Mir war es wesentlich lieber Caesar zu schnappen und mit ihm zu flüchten, bevor Caleb wach wurde und bereit war mich in ein Gespräch einzubinden. Ich habe nicht einmal was getrunken und er wird dennoch etwas finden, was ihn sicherlich gestört hat. Er findet immer was, wenn er was finden möchte. Um mir selbst mehr Zeit zu geben einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen- und vor allem um Haven und Willow vorzuschicken, damit sie seine Gemütslage entschärfen-, beschloss ich vor ihnen aufzustehen und zu unserer Nachbarin zu gehen. Wir besitzen den Schlüssel für ihr Haus, da sich Jarrett und sie freundschaftlich gut verstehen und ich oft Mals ihren kleinen Malteser ausführe, wenn ihre Tochter keine Zeit findet oder wenn ich Lust dazu habe, so wie jetzt. Letztes Jahr hatte sie einen schwerwiegenden Schlaganfall, seit dem ist sie in ihrer Motorik eingeschränkt und traut sich nicht mehr alleine mit ihrem Hund raus, aus Sorge nicht eingreifen zu können, wenn was ist. Dadurch springe ich gerne mal ein- vor allem an solchen Tagen, wo ich Stunden damit verbringen könnte spazieren zu gehen. Mein Handy ist ausgeschaltet, ich höre nichts außer der singenden Vögel und knackenden Bäume und genieße die gemächlichen Schritte, während Caesar vollkommen ruhig vor mir her läuft.

Dennoch nervt mich diese kleine Stimme in meinem Hinterkopf, die mir abermals vorhält, dass diese Ruhe nicht mehr lange anhalten wird. Calebs Laune war gestern wirklich auf dem Siedepunkt angekommen und das wird es mir nicht einfacher machen, glimpflich aus der Sache herauszukommen. Ich verstehe es einfach nicht- ich bin kein kleines Kind mehr, darf ihm dabei zuschauen wie er sich regelmäßig betrinkt, aber selbst nie einen Schluck bekommen ohne das es in einem Riesen Desaster endet. Dabei habe ich selbst nicht einmal das größte Bedürfnis danach, aber ein wenig Spaß wäre doch nicht so abwegig. Und dann kommt da immer die Sache mit Keaton und ihm. Wir sind lange genug zusammen, dass er sich eigentlich damit hätte abfinden müssen. Eigentlich. Denn Keaton hat ein wahres Talent zum provozieren und er lässt kein Haar aus um nicht jedem ungeschickt auf die Füße zu trampeln. Er wird dadurch sicherlich keine Freunde gewinnen- gewiss nicht, aber er setzt es gerne darauf an, dass er regelrecht gehasst wird. Sonst ist es mir auch egal, aber sein nicht vorhandenes Feingefühl sorgt andauernd nur für Stress - und das ist zum Haare ausreißen!

Als Caesar einen unzufriedenen Laut von sich gibt, senke ich meinen Blick und betrachte das Fletschen seiner kleinen Zähne. Es ist jedes Mal niedlich wie sich der zierliche, weiße, Teppichartige Malteser aufplustert um potentielle Gegner davon zu jagen. Dann jedoch senken sich meine Mundwinkel rapide, weil ich daran denke, dass er sich nur aufplustert um potentielle Gegner zu verjagen. Mein Blick gleitet nach vorne und lässt mich mit panischem Herzen innehalten, während sich meine Augen aufreißen.

Ich blende in diesem Moment selbst Caesar aus, als ich das Ungetüm an Monstrum auf der leichten Erhebung des Waldweges erkenne. Berglöwe, Coyote, Wolf? In meinem Kopf spielen sich die panischsten Situationen ab. Wenn es ein Berglöwe ist könnte ich mir nicht einmal Caesar greifen und auf einen Baum klettern. Zumal ich sowieso glaube das ich bei meinen fahrigen Händen hinunterfallen würde. Das schwarze Tier starrt mich unentwegt an- hat mich definitiv gesehen. Soll ich einfach langsam zurück gehen? Zeigen das ich es nicht bedrohe. Das ich nicht in sein Revier eindringe.

Ich setzte bereits einen Schritt nach hinten, was Caesar als Einladung sieht laut los zu kläffen. Meine Augen schließen sich gequält, um nicht noch weiter in Panik zu geraten. Soll ich ihn in sein Unglück rennen lassen und meiner Nachbarin sagen, dass er sich lieber seinem zweiten Leben als wandelnder Teppich zuwenden möchte oder soll ich ihn vorstoßen, weil er es ja nicht anders gewollt hatte? Was bellt er denn jetzt auch?! Ich kann die Räder in meinem Kopf förmlich rattern hören, bis zu dem Moment wo ich meine Augen wieder öffne und das Tier nach hinten schaut und mir damit sein Profil präsentiert. Es ist ein Hund. Ein Riesen Hund. Ein verfluchter Hund in einem Pferdekörper. Die zweite Last fällt von meinen Schultern als ich endlich einen Menschen sehe, dem der Hund scheinbar gehört.

Wenn wir schweigenWhere stories live. Discover now