55. Keinen Verstand übrig

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Bruuuuh, ich hatte seit heute morgen noch Besuch da und kam deswegen nicht zum schreiben – aber hier ist eeeeees!

Es ist leider nicht besonders lang, aber es bringt die Handlung weiter voran.

Sloan Dewayne

Pochende Schläfen. Hämmernde Knochen. Pulsierende Schmerzen. Ich muss mich stark der Illusion entziehen, dass ich nicht von einem Auto erfasst worden bin oder dass nicht auf mich stundenlang eingeprügelt wurde, auch wenn es sich ganz so anfühlt. So unfassbar schwer und träge. Krampfhaft, um den Schwindel loszuwerden, beginne ich gegen die schwachen Sonnenstrahlen anzublinzeln, die sich unangenehm in meine Augen bohren.

Ich stelle sogleich fest, dass ich nicht in meinem, sondern in Calebs Zimmer bin und somit in seinem Bett liege.

Letztendlich möchte ich nicht einmal wissen, wie ich es nicht bemerken konnte, dass wir nicht die Stufen runter in den Keller, sondern hoch in sein Zimmer gegangen sind. Letztendlich möchte ich eigentlich gar nicht mal mehr denken und doch summt mir diese leise Stimme in mir zu, dass es ganz und gar nicht gut ist, dass ich hier in diesem Bett liege und eigentlich in der Schule sein müsste. Bei ihm. Keaton hat mich in der Nacht zwei Mal versucht zu erreichen, bis Corey mir das Handy aus der Hand zog und ich, mit großer Wahrscheinlichkeit, eine Explosion in ihm losgetreten habe. Eine weitere. Eine neue.

Neben der einen Stimme, herrscht allerdings ein ganz anderes Flüstern, dass nur Aspen gilt. Ich weiß das ich die ganze Nacht nur von diesem Bild geträumt habe und wie seine Wunden nun aussehen könnten, aber ich weiß nicht wie es wirklich bei ihm aussieht. Ich weiß nicht ob er noch an Ort und Stelle liegt oder ob er jemanden auftreiben konnte, der sich um ihn kümmert.

Mit verquollenen Augen schlage ich die dünne Decke von mir und bemerke, dass ich noch immer das Kleid trage. Es ist zerknittert, an meinem Körper hochgerutscht und wirkt wie eine Verhöhnung. Ich ziehe den Saum wieder runter und werfe beim hinausgehen einen Blick auf die Uhr. Wir haben bereits nach Mittag, doch trotz des umfangreichen Schlafes fühle ich mich noch immer nicht ausgeruht genug, um auch nur einer Person gegenüber zu treten.

Ich schäme mich wie das gestern abgelaufen ist. Das ich nicht nur Aspen nicht helfen konnte, sondern das ich mich Keaton so einfach hingegeben habe. Weil es in diesem Moment der einfachere Weg war. Weil es für mich einfacher war, weil ich eben nicht mehr denken und diesen Moment auch nicht mehr kämpfen wollte. Die Ruhe schien mir so unfassbar greifbar, dass ich mich darin verloren habe – und es Aspen habe sehen lassen.

Ganz zu meinem Unglück sitzt allerdings mein Dad an der Küchenzeile und liest genüsslich seine Zeitung. Jarrett muss auf der Arbeit sein und die Zwillinge bereits in der Uni. Das wir nun allerdings alleine sind behagt mir absolut nicht.

Mein Vater wirft mir einen musternden Blick zu, dann hebt sich seine Augenbraue und er legt die Zeitung weg. Ein ganz klares Zeichen, dass er mit mir reden möchte. Wir haben in der letzten Woche nicht viel miteinander unternommen und vor allem haben wir nicht nochmal darüber gesprochen, was mein Vorwurf ihm gegenüber zu bedeuten hatte. Immerhin wollte ich wissen ob er wieder rückfällig geworden ist. Ob er bereits eine Auswirkung von Keatons Worten gespürt hat.

"Ich mache mir sorgen, Sloan."

Meine Wangen pusten sich auf, während ich mir verkneife, dass ich sie mir selbst mache. Sorgen. Um mich, um ihn, um Aspen und Jamie, um die Zwillinge, meine Freunde, gar selbst um Keaton. Er befindet sich im freien Fall und zieht alle mit, die er noch zu greifen bekommt. Er möchte nicht alleine sein. Selbst dann nicht, wenn die größte Einsamkeit die Dunkelheit ist und man niemanden mehr auch nur sieht oder spürt. Er ist sein größtes Verderben und er ist unaufhaltbar.

"Alles gut, Dad." Beim näher kommen bemerke ich mein Handy auf der Küchenzeile, sodass ich es gleich ansteuere und einschalte. Ein wenig überrascht es mich sogar, dass es keinen Streit darum gibt und meine Cousins es mir so kommentarlos wieder überlassen. "Ich dachte zwischen dir und deinem Freund ist alles gut." Meine Lippen verziehen sich ungemütlich. Welcher Freund? Der der mich erpresst, damit ich bei ihm bleibe oder der der sich als Keaton ausgegeben hat?

Mein Display erhellt sich, ich gebe Code um Code ein um die Nachrichten zu empfangen – um Keatons Nachrichten zu bekommen, die sich in Massen in meinem Nachrichten Menü sammeln. Das meiste davon sind verpasste Anrufe, eine Drohung das er vorbeikommt, wenn ich mich nicht melde, eine weitere das ich es bereuen werde stumm zu bleiben.

Meine Kehle schnürt sich nur weiter zu, ehe ich zu meinem Vater schaue. Seine Augen liegen noch immer abwartend auf mir. "Dad, wie lange bleibst du hier noch?" Ich liebe ihn. Ich liebe es das er hier ist. Aber ich hasse es was er mit mir macht, wenn er hier ist. Das ich wieder angst haben muss. Ihn zu verlieren. Ihn sich selbst verlieren zu lassen. An die Drogen, so wie Keaton.

"Ich verstehe schon, Kleines." Er steht grob und träge von dem Stuhl auf, wodurch ich augenblicklich meine Augenbrauen zusammenziehe. "Nein, ich glaube nicht, aber–" Sein strenger Blick lässt mich verstummen. "Das hier ist dein Leben, nicht meins. Du hast dir das hier aufgebaut und ich kann verstehen, dass du mich nicht darin haben möchtest. Ich wusste immerhin das es das Risiko gibt, wenn ich dich woanders aufwachsen lasse." Ich möchte ihn so gerne unterbrechen. Ich möchte ihn so gerne korrigieren, gar anschreien, dass dem absolut nicht so ist, aber ich bin wie betäubt. Es ist als hätte ich selbst den letzten Gedanken hinter mir gelassen, darum zu kämpfen, mich zu verstehen. Keiner versteht mich, meine Handlung und meine Fragen und ich habe selbst keinen Verstand mehr, um mich ständig zu erklären und zu rechtfertigen.

Es macht mich müde und es lernt mich, mich selbst ein Stück mehr zu hassen, wenn ich in die trüben Augen meines Vaters schaue. Wenn ich die Trauer, die Enttäuschung, den Selbsthass darin erkenne.

Am liebsten würde ich selbst meine Finger in seinen Stoff graben, ihn daran aufhalten, als er mir einen Kuss auf die Stirn haucht, ihn an mich pressen, damit ich meinen Vater zeigen kann, dass ich es nicht so meine. Aber selbst hier rege ich mich nicht. Ich gebe mich dem Versagen einfach hin. Versagt als Freundin, als Cousine, als Tochter, als Mensch.

"Ich habe doch gesehen das ich nicht willkommen bin und ich wollte dich nie in eine unangenehme Position bringen, mein Schatz. Glaube mir das bitte." Wäre ich nicht schon zu einer Salzsäule erstarrt, dann würde ich nun spöttisch auflachen. Ich würde ihn auslachen dafür, dass er so denkt, wie er gerade denkt. Das er den Fehler bei sich sucht, wobei es einfach an dieser gottverdammten Welt liegt. Das es falsch ist. Das es ungerecht ist. Das man sich so schnell, so verloren fühlen kann. "Ich werde eine Runde spazieren gehen und dann meine Tasche packen, um wieder zurück zu fahren. Du bist übrigens für den Tag krank gemeldet." Er tippt liebevoll unter mein Kinn, lässt mich den brennenden Kloß in meinem Hals hinunterschlucken. Dann geht er einfach an mir vorbei und wirft die Haustür hinter sich zu.

Habe ich nun auch noch meinen Vater verloren, wobei ich ihn doch einfach nur schützen wollte? Ich wollte nie das es soweit geht oder das wir uns so sehr verlieren.

Und doch ist es irgendwie passiert.

Sloans Vater tut mir echt leid, aber irgendwie fühlt es sich ein bisschen sicherer an, ihn aus der Gefahrenzone zu bringen, wenn es dafür nicht schon zu spät ist.

Vor allem da wir langsam auf das Keaton-Finale zurollen, beziehungsweise auf die finale Keaton-Explosion. Immerhin hat der Gute keine Geduld mehr und dreht so langsam nun wirklich durch.

Schafft es Sloan da irgendwie unbeschadet raus oder wird Keaton die Kontrolle behalten?

Wenn wir schweigenWhere stories live. Discover now