Wenn wir schweigen

52. Einsame und Unbarmherzige Welt

Update Tag 2: Ich habe wahrscheinlich insgesamt dreizig Minuten gelernt. Ich hasse Mathe – dafür aber, habe ich sehr schöne Lernzettel.

Das Kapitel heute ist ein bisschen länger, als üblich, hat dafür aber zwei sehr schöne Gespräche UND ein gutes Ende ... genannt ein mieser Cut :D

Sloan Dewayne

Mühselig zupfe ich an meinem Kleid herum – ziehe es immer wieder tiefer, nur damit es wieder höher rutscht und damit mehr von meinen Oberschenkeln freigibt, als mir lieb ist. Abgesehen von der Enge, die mich ständig nach Luft schnappen lässt, wirkt es mit der dunkelblauen, fast schwarzen Reflektion, wie eine Schuppe unter Wasser. Schön, aber dennoch nicht mein Geschmack. Zu wenig Stoff – zu viel Haut. Mein Dekolleté wird regelrecht in die Augen meines Gegenübers geschleudert, wodurch ich nicht einmal jemanden sauer sein kann, falls die Augen zu meinen Brüsten wandern. Lediglich Keaton nehme ich es übel, dass er betont auf dieses Kleid bestanden hat.

Ganz zu meinem Glück schwächt die zerrissen, schwarze Jeansjacke und meine schwarzen Sneakers die Wirkung des Kleides ab. Es ist der einzige Grund warum ich mich nicht gleich wieder unter meine Bettdecke verkrieche oder Keaton anrufe und nicht doch darum bitte, einfach bei ihm zuhause zu sein. Wenn er schon möchte, dass ich mich wie eine Schlampe anziehe, wieso also nicht diese sein?

Es ist nur eins der spöttischen und hasserfüllten Kommentare in meinem Kopf, die ich ihm jedes Mal am liebsten ins Gesicht schreien möchte, wenn er wieder etwas fordert. Wenn er mir wieder einen Seitenblick zuwirft, mich stumm warnt oder tadelt. Das heute in der Mittagspause hat mir nur wieder aufgezeigt, dass ich all das so lange sein lasse, bis ich wirklich einen Plan habe.

Einen Plan, den ich sowieso nicht umsetzten kann, da ich ständig beobachtet werde.

Außer Atem erklimme ich die letzte Stufe und schaue ins Wohnzimmer. Von meinem Dad fehlt jede Spur. Jarrett hingegen sitzt auf der Couch, scheint mich aber entweder nicht zu bemerken oder wegen meiner Bemerkung heute morgen zu ignorieren. Genauso wie ich den brennenden Schmerz in meinem Herzen ignoriere, als ich die Enttäuschung in Calebs Augen aufblitzen sehe.

Es ist aber nicht nur der Blick der mich erschüttert, sondern auch sein nacktes Handgelenk, an welchem eigentlich meine Uhr sitzen sollte. Seine Uhr – die ich ihm geschenkt habe. Ich habe ihn lange nicht mehr ohne sie gesehen, da er sie trägt wann immer er kann. Eigentlich bin ich sogar der festen Überzeugung, sie sei kaputt, aber jedes Mal wenn ich ihn gefragt habe, hat er lediglich mit seinen Schultern gezuckt und "Und wenn schon" gemurmelt.

Aber er trägt sie gerade nicht.

Er scheint meinen trüber werdenden Blick zu bemerken und nickt auf den Couchtisch, verliert aber nicht an Härte die er mir entgegen bringt. Er wirkt noch immer grimmig, noch immer missgelaunt, noch immer ... unsagbar traurig. Erst als ich die Uhr auf dem Tisch erkenne, bemerke ich das ich überhaupt die Luft angehalten habe.

Es ist nur eine Uhr, aber er hat so viel Bedeutung darein gelegt, dass ich sie selbst mit so viel mehr verknüpfe, als mit bloßem Schmuck.

"Ich werde wahrscheinlich bei Keaton schlafen." Murmle ich leise und erreiche damit auch Jarrett, der es lediglich abnickt. Caleb hingegen beginnt mit seinem Kiefer zu mahlen. Mir gefällt es ja selbst nicht, aber ... aber ich kann nicht länger ständig dagegen ansprechen, dass ich bei mir Zuhause schlafen möchte. Und muss. Ich kann ihn nicht weiter provozieren ohne mit einem Ausrastet zu rechnen. Die letzten liefen bereits schrecklich ab und mit jedem weiteren Mal, beginne ich mehr und mehr angst um mich selbst zu haben.

Da Calebs Meinung mich sowieso nicht umstimmen würde, gehe ich schließlich raus und erkenne Dallas, der mich heute anscheinend abholt. Meine Stirn legt sich in Falten, ehe ich auf die Beifahrerseite einsteige und er auch schon beginnt loszufahren. Es legt sich eine unangenehme Stimmung über uns, die mich zunehmend wütend macht.