70. Wie das Licht die Motte

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Sloan Dewayne

Jarrett stürzt auf seine Füße und verbirgt das Zittern seines Körpers, als der Arzt zu uns kommt. Auf ihn zugeht und seinen Blick durch die Runde gleiten lässt. Ich verstehe nicht was sie sagen, aber ich erkenne das der Arzt nach draußen nickt, Jarrett ihm folgt und uns weiterhin im dunkeln tappen lässt. Wieso sagt er es nicht einfach? Wieso spricht er es nicht einfach aus? Das Corey es nicht geschafft hat. Das er ... Selbst als ich dachte es geht nicht mehr, so stürzen neue Tränen über meine Wangen und lassen mich meine Finger in Calebs Arm bohren. Er nimmt es nicht einmal wahr. Er ist so auf die Tür fixiert, als würde sein Bruder gleich einfach um die Ecke biegen und uns erklären, dass das alles ein Scherz war. Weil er sowas gerne macht. Weil er uns alle gerne provoziert und bespaßt. Beschützt. Aber wir waren nicht da.

Ich wollte ihm hinterher, aber Caleb hielt mich auf – und da wird mir bewusst, dass nicht nur ich mich schuldig fühle, sondern Caleb ebenso.

Vor allem Caleb, weil er mich aufgehalten hat.

"Er hätte sich nicht von mir beruhigen lassen." Meine Stimme ist leise und doch so aufdringlich laut, dass die anderen ebenso ihre Köpfe heben und uns anschauen. Caleb ist der einzige der seinen Kopf nicht hebt. Stattdessen stützt er sein Gesicht in seinen Händen. Verbirgt es darin. Möchte seine Augen nicht öffnen. Möchte das alles nicht wahrnehmen. "Ich hätte mit ihm geredet und er hätte mich darum gebeten ihn dennoch alleine zu lassen. Du kennst Corey und du weißt das es so gewesen wäre." Meine Kehle schnürt sich fester zusammen, als meine Hand über seinen Rücken streicht und ich das Beben seines Körpers spüre. Spüre wie meine eigene Brust zuckt und bebt, weil ich so heftig schluchzen möchte. Weil ich so unbändig weinen möchte. Den Schmerz loslassen möchte.

Erneut presse ich meine Zähne aufeinander, um nicht laut aufzuschluchzen, allerdings verstummt selbst das lauteste Gebrüll in mir, als Jarrett sich in den Türrahmen lehnt und erschöpft über sein Gesicht streicht. Selbst wenn ich glaube meine Beine würden mich nicht halten, stehe ich auf und lasse damit selbst Calebs Kopf nach oben schnellen.

"Er lebt." Mein Onkel schaut mich an und schließlich seinen Sohn, ehe er mit fahrigen Schritten zu uns kommt und uns in seine Arme schließt. Caleb und ich schaffen es kaum uns beide an ihn zu klammern, weil keine Kraft mehr in unseren Körpern steckt, dafür aber umfasst Jarrett uns so fest, dass ich jedes Schluchzen in seiner Brust spüren kann. Jeder Muskel der erschüttert wird. Und er entlässt uns erst aus seinen Armen, als er sich soweit gefasst hat, dass er uns ins Gesicht schauen kann. Auf seinen Lippen liegt ein leichtes Lächeln, dass uns lediglich beruhigen soll, aber ich habe das Gefühl ich würde unter eine Art Schock stehen. Als würde ich es nicht begreifen, dass die Op irgendwie gut gelaufen ist. "Er ist auf der Intensivstation und wird bald aufwachen. Er lebt." Das letzte murmelt er mir zu, während er meine Haare hinter mein Ohr schiebt. Er sagt es mir, als würde er wissen, dass ich es nicht glaube. Es fühlt sich eigenartig vertraut zu meinem eigenen Vater an, sodass es mich tatsächlich beruhigt. "Ich werde hier bleiben und ihr fahrt nachhause und ruht euch aus. Bei der kleinsten Veränderung rufe ich euch an." In seiner Stimme liegt so viel Bestimmtheit, dass ich mich nicht einmal traue zu widersprechen, dafür aber Caleb, der vehement seinen Kopf schüttelt. "Ich bleibe, Dad."

"Es darf sowieso nur einer bei ihm sein, Caleb."

"Ich bleibe dennoch." Calebs Augen streifen mich. Wenn er bleibt, werde ich auch bleiben, allein weil er mich nicht alleine zuhause lassen würde. Aber ich bin müde, am Rand meiner Beherrschung, weil ich eigentlich nur noch in mein Zimmer möchte. Weil ich nur noch weinen möchte. Weil ich gehalten werden möchte. Weil ich nicht an Keaton denken möchte. Weil ich nicht an Corey denken möchte. Weil ich egoistisch sein möchte. Weil ich ihm hier einfach nicht helfen kann und weil ich sein Bild sowieso so schon nicht aus dem Kopf bekomme. Das wie er in dem weißen Bett liegt. Das wo ich ihn nicht einmal erkannt habe, weil da so viel ... Blut und Schwellungen waren. Das ... was immer wieder auftaucht, wenn ich meine Augen schließe.

Wenn wir schweigenWhere stories live. Discover now