Wirklich?

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Der nächste Tag beginnt ruhig. Zu meiner Überraschung habe ich relativ gut geschlafen. Hin und wieder war ich mal wach, was vermutlich am Jetleg liegt, aber im  großen Ganzen habe ich einige Stunden Schlaf bekommen.
Über Nacht hat es tatsächlich geschneit. Eine dicke Schneeschicht liegt auf den Dachfenstern über Harrys Bett und als wir runter in die Küche gehen, kann man erkennen, dass es draußen sicherlich an die zehn Zentimeter Neuschnee gibt.
Sehr zu meiner Freunde, schlägt Harry vor später einen Spaziergang zu machen. Ich stimme sofort zu und muss an meine Vorstellung eines verschneiten Central Parks denken.
Bis dahin machen wir es uns allerdings mit einem kleinen Frühstück auf der Couch bequem, schauen die Serie weiter und kuscheln uns aneinander.

Als wir mit der zweiten Staffel fertig sind, kann ich verstehen, warum Harry, Niall und Gemma die Serie mögen. Ich bin zwar jetzt nicht so fanatisch wie die drei, aber mir gefällt diese Serie und ich nehme mir vor, alle fünfzehn Staffeln zu schauen.
Wir beschließen, dass wir genug auf dem Sofa gelegen haben und machen uns fertig für den Spaziergang. Harry nimmt seinen Fotoapparat mit, meint, dass er bei diesem Wetter sicherlich einige tolle Motive findet und zwinkert mir dann zu. Ich ahne was er vor hat und noch immer mag ich es nicht fotografiert zu werden. Ich finde mich einfach nicht fotogen.

Kaum ein Mensch ist unterwegs, als wir im Central Park ankommen. Hier und da kommt uns mal jemand mit seinem Hund entgegen, oder ein hartgesottener Jogger kreuzt unseren Weg, ansonsten ist es ziemlich leer. Die Kinder sind noch in der Schule und die meisten Menschen arbeiten.
Wir schlendern eine Weile den Weg entlang, als ich mich dazu entschließe, die Initiative zu ergreifen. Ich greife nach Harrys Hand, verschränke unsere Finger miteinander und schaue dann krampfhaft nach vorne, damit ich seine Reaktion nicht sehe. Doch als Harrys Hand meine sanft drückt, muss ich doch meinen Blick heben und bekomme ein liebliches Lächeln vom hübschen Fotografen.
Mein Herz beginnt schneller zu schlagen und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.
Hand in Hand spazieren wir also weiter durch den Park, bewundern die Natur und unterhalten uns über die verschiedensten Dinge.
"Wir sollten uns etwas warmes zu Trinken kaufen".
Harry deutet auf eine kleine Verkaufsbude, an der man heißen Kakao bekommen kann. Ich lasse seine Hand los, steuere die Bude an und bestelle zwei Kakao, bezahle, wobei Harry protestiert und drücke ihn dann lächelnd einen Pappbecher in die Hand.
Wir laufen weiter Hand in Hand durch den Park, den heißen Kakao in der freien Hand und von Meter zu Meter wird dieses warme Glücksgefühl in mir immer mehr.
So habe ich es mir vorgestellt. So sieht ein perfekter Wintertag für mich aus.
"Ich wollte dich noch etwas fragen".
Harry bleibt stehen, ich ebenfalls. Unsere Finger sind noch immer ineinander verschränkt, doch der Fotograf scheint unsicher zu sein.
"Also mein Freund Akio hat morgen Geburtstag." Ich nicke, nehme einen Schluck Kakao und stelle fest, dass dieser schon kalt ist.
"Und...also er feiert im engsten Kreis. Er hat uns eingeladen. Es ist keine Party oder so, lediglich ein Essen unter guten Freunden."
Nervosität breitet sich in mir aus.
Fremde Menschen.
Ich kenne niemanden.
"Es wird wirklich nur der engste Kreis kommen. Niall und Gemma kommen auch und er kocht in seinem Restaurant für uns, wir trinken ein bisschen Wein und gehen dann wieder nach Hause. Also... es sei denn du möchtest nicht, dann sage ich ab."
Ich merke, wie der Gedanke an fremde Menschen mir die Kehle zuschnürt. Ich kann sowas eigentlich nicht. Meistens ist es dann doch so, dass der einzige Mensch, den man dort kennt, verschwindet und man steht dort alleine und kann mit niemanden ein Gespräch anfangen, weil man einfach nicht weiß, worüber man mit diesen fremden Menschen sprechen soll.
Allerdings sind es Harrys Freunde und er würde mich sicherlich nicht fragen, wenn es nur irgendwelche Bekannten wären. Zudem sind ja Niall und Gemma dort.
"Ich...okay."
Unwohl fühle ich mich noch immer bei dem Gedanken, aber ich möchte Harrys Freunde kennenlernen und irgendwie habe ich das Gefühl, dass ihm das viel bedeutet.
"Wirklich?".
Er sieht überrascht aus. Ich schenke ihm ein Lächeln und nicke. Zur Not muss ich mich an Niall und Gemma kletten, oder aber ich schließe mich auf der Toilette ein und warte, bis wir wieder nach Hause können.
Harry zieht mich in seine Arme, wobei ich fast meinen Kakao verschütte, so überrumpelt bin ich von dieser Geste. Fest drückt er mich an sich, so gut wie das mit einem Arm geht, denn auch Harry hat seinen Becher noch in der Hand. "Danke, Louis. Das bedeutet mir sehr viel."
Wir lösen uns voneinander und sind uns viel Näher, als ich gedacht habe. Ich kann Harrys Atem auf meinem Gesicht spüren und genieße dieses wohlige Kribbeln dabei in meinem Bauch.
"Du wirst sie mögen. Es sind tolle Menschen", haucht der Lockenkopf leise und sieht mir in die Augen.
Ich versinke in dem wundervollen Grün, lasse mich von deiner Ausstrahlung einlullen und merke, wie ich in dieser rosaroten Wolke gefangen werde. Wie könnte ich ihm sowas auch abschlagen? Vermutlich werde ich Harry niemals etwas abschlagen können.
Lächelnd entfernt sich der Fotograf dann aber wieder etwas von mir, nimmt wieder meine Hand und wir gehen weiter. Für einen kurzen Moment hatte ich gehofft, dass wir uns küssen. Doch ich bin einfach nicht mutig genug um das einfach zu tun, vielleicht auch noch zu unsicher.
Aber für den Anfang bin ich glücklich, dass er zumindest meine Hand hält und dieses liebevolle Lächeln auf seinen Lippen bedeutet mir mehr als jeder dumme Kuss.

Amor manet.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt