Ich will das nicht.

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Während Liam den halben Flug schläft, bekomme ich kein Auge zu. Ich schaue mir einen Film nach dem Anderen an, aber die Müdigkeit will einfach nicht kommen, weswegen ich irgendwann einfach gedankenverloren aus dem Fenster schaue.
Irgendwann erreichen wir dann endlich London und als Liam und ich nach einiger Wartezeit unsere Koffer bekommen, könnte meine Laune nicht schlechter sein.
Natürlich weiß ich woran das liegt, aber ich zwinge mich den Gedanken an Harry zu verdrängen.
Er ist jetzt eine Urlaubserinnerung.
Mehr nicht.

"Na komm".
Liam sieht mich lächelnd an, versucht meine schlechte Laune zu ignorieren und schiebt mich durch die Türen vom Flughafen, wo Zayn schon freudestrahlend auf uns wartet.
Als er uns sieht, stürmt er sofort auf Liam zu, zieht seinen Freund in seine Arme und die Beiden sind binnen weniger Sekunden ein sich küssendes Etwas, was sich vermutlich niemals wieder loslassen wird.
Ich senke meinen Blick, starre auf meine Schuhe und frage mich unweigerlich, wie es Harry geht.
Was er wohl gerade macht?
Vielleicht ist er bei seiner Schwester. Oder er arbeitet.
"Louis". Grinsend zieht mich Zayn in seine Arme, ist anscheinend mit der wilden Knutschorgie fertig und klopft mir auf meinen Rücken.
"Schön dich wiederzusehen".
Ich nicke nur. Auf Sprechen habe ich keine Lust und ich will einfach nur noch nach Hause. Das scheint der Schwarzhaarige auch zu merken, denn er nimmt Liams Koffer und deutet dann auf den großen Parkplatz hinter uns.
"Dann lasst uns mal los".

Während der Fahrt unterhalten sich Liam und Zayn angeregt, während ich auf mein Handy starre. Ich weiß nicht was ich erwartet habe. Vielleicht eine Nachricht von Harry, vielleicht irgendetwas, aber...nun ja ich habe ihm ja mehr oder weniger gesagt, dass wir ab jetzt keinen Kontakt mehr haben sollten.
Vielleicht sollte ich ihm schreiben? Nur das ich gut gelandet bin.
Vielleicht - vielleicht später.
"Gut, da wären wir".
Erschrocken zucke ich zusammen und erkenne das Wohnhaus, in welchem sich meine Wohnung befindet. Der moderne Gebäudekomplex erscheint mir auf einmal alles andere als einladend und auch erscheint die weiße Außenfassade kalt und steril.
Anders als die Häuser in New York.

"Danke für das Abholen". Ich schnappe mir meinen Koffer und winke den Beiden zum Abschied, ehe ich eilig in meine Wohnung gehe.
Ich will nur noch in mein Bett.

Kalte, stickige Luft erfüllt meine Wohnung, sodass ich sofort die Fenster und die Balkontür aufreiße.
Ich lasse meinen Blick durch das Wohnzimmer schweifen.
Kalt, kahl und steril.
Vielleicht kann ich einige Bilder aufhängen. Vielleicht ein paar Blumen kaufen.
Meine Wohnung ist wirklich lieblos.

Meine Füße tragen mich in das Schlafzimmer. Mein Koffer landet auf dem Bett und ich beschließe zu Erst duschen zu gehen. Sicherlich fühle ich mich danach besser und dann schaffe ich es auch endlich zu schlafen.
Ich muss morgen fit sein.
Sicherlich ist einiges liegen geblieben und ich bin mir verdammt sicher, dass ich morgen ein paar Überstunden machen muss.
Theoretisch kann ich morgen auch noch zu Hause bleiben, aber Arbeit erscheint mir mehr als Recht. Ich muss mich ablenken, darf nicht mehr an diesen hübschen Lockenkopf denken, der sich schon wieder in meine Gedanken schleicht.
Verdammt.

Eine halbe Stunde später komme ich in einer Jogginghose und leider noch immer schlechter Laune aus dem Badezimmer. Bevor ich mich hinlege, sollte ich meinen Koffer zumindest noch ausräumen.
Zumindest die dreckige Wäsche in den Wäschekorb werfen.
Seufzend setzte ich mich also auf mein Bett, öffne den Hartschalenkoffer und hole den ersten Stapel Kleidung heraus. Einige Sachen habe ich gar nicht angehabt, trotzdem werde ich alles einmal durchwaschen. Durch den Koffer riecht alles verdammt muffig.
Plötzlich erweckt etwas meine Aufmerksamkeit.
Zwischen zwei Klamottenstapeln befindet sich ein fester Gegenstand. Stirnrunzelnd schiebe ich die Klamotten zur Seite und hole den Gegenstand hervor.
Ein Geschenk.
Es ist schmal, hat ein Din A 4 Format und ist in grünen Papier verpackt.
Sofort verschnellert sich mein Herzschlag. Es kann nur von Harry sein. Von wem sonst.
Zitternd löse ich die Klebestreifen und entferne dann vorsichtig das Papier, nicht wissend, was sich darunter verbirgt. Eine Karte fällt auf meinen Schoß, doch der kann ich keine Aufmerksamkeit schenken, als ich das Bild erkenne.
"Oh Harry", hauche ich, den Tränen nahe und betrachte das gerahmte Bild in meinen Händen. Es ist das Bild aus der Dunkelkammer. Die einsame Blume, die sich ihren Weg durch den Asphalt gesucht hat. Das Bild, welches es mir irgendwie angetan hat.
Schniefend versuche ich die Tränen zurückzuhalten und fahre mit meinem Zeigefinger über den Rahmen.
Es ist wunderschön.
Mir fällt die Karte wieder ein. Der Kloß in meinem Hals ist zurück und mein Herz hörte nicht auf zu rasen. Meine Hände sind nass und durch das starke Zittern, brauche ich einen Moment, um die Karte so ruhig halten zu können, damit ich sie lesen kann.

Mein geliebter Louis,
du fehlst mir jetzt schon, dabei liegst du in diesem Moment noch neben mir in meinem Bett. Du bist wunderschön, wenn du schläfst, weißt du das? Ach was sage ich da, du bist immer wunderschön.
Ich wollte dir ein Andenken schenken. Etwas, was dich an mich denken lässt.
Dieses Bild, es ist wie du. Wunderschön und voller Tatendrang.
Du hast mich verzaubert, Louis und auch wenn ich weiß, dass sich unsere Wege in wenigen Stunden trennen werden, hoffe ich, dass wir uns eines Tages wiedersehen.
Ich danke dir für die schönsten Tage meines Lebens.

All the Love, Harry xoxo

Nun kann ich meine Tränen nicht mehr zurück halten. Dieser Idiot. Ich will nicht wegen ihm weinen, will diesen Liebeskummer nicht haben, aber er löst mit seinen süßen Gesten einfach all das in mir aus. Was würde ich jetzt dafür geben, wenn er hier bei mir wäre.
Wenn ich ihn in meinen Armen halten könnte.
Aber leider muss eine Nachricht reichen. Ich könnte ihn auch anrufen, aber dann würde ich nur noch mehr weinen, da bin ich mir sicher. Seine Stimme zu hören würde alles nur noch schlimmer machen.
Tief atme ich einige Male ein und aus, ehe meine Sicht wieder etwas klarer wird und ich mir mein Handy nehme. Ich öffne den Chat zwischen Harry und mir und schlucke die Aufregung herunter.
Vier Versuche brauche ich, bis ich endlich die Nachricht abschicken kann. Vier Versuche, in denen ich mich Bedanke und dabei nicht zu weinerlich erschienen will, nicht zu förmlich, nicht zu kalt, aber auch nicht zu hoffnungsvoll.
Binnen weniger Sekunden erscheinen die blauen Haken.
Er hat auf meine Nachricht gewartet.
Mein Herz zieht sich zusammen und als ich sehe, dass Harry schreibt, stelle ich mein Handy schnell auf den Flugmodus, da ich mir sicher bin, dass seine Worte mich erneut zum weinen bringen.

Ich will das nicht.
Ich will das alles einfach nicht.

Amor manet.Where stories live. Discover now