Es ist ein richtiger, körperlicher Schmerz.

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Liam mustert mich eine Weile, ehe er nickt und dann aufsteht. Auffordernd sieht er mich an und deutet dann auf die Tür.
"Lass uns Mittagessen. Meinen Rat kann ich dir auch dort geben.".
Kurz schaue ich auf meinen Computer, sichere dann schnell meine Daten und greife nach meiner Jeansjacke. Jetzt, wo Liam das Wort Mittagessen erwähnt hat, bemerke ich auch wie hungrig ich eigentlich bin.

Wir entscheiden uns für einen kleinen Italiener, der nicht zu überfüllt ist. In einer Ecke bekommen wir einen Tisch und recht schnell geben wir unsere Bestellungen auf.
Ich nehme eigentlich immer das Gleiche. Egal in welchem Restaurant ich hier bin, überall habe ich ein Gericht, welches ich immer nehme. In diesem Laden ist es die Pizza mit Spinat und Mandelblättern.
"Also", beginnt mein bester Freund und nimmt einen Schluck von seiner Cola.
"Was bedrückt dich?".
Augenblicklich werde ich nervös und greife nach meiner Servierte. Meine Finger beginnen wie von alleine daran herumzuknibbeln, während ich Liam Blick meide und stattdessen auf meine Finger starre.
"Ich liebe ihn, Liam.". Vorsichtig hebe ich nun doch meinen Kopf und begegne einem warmen Lächeln.
"Das sieht man. Selbst ein Blinder würde das sehen und er liebt dich auch.".
Leicht muss ich dabei lächeln und nicke.
"Ich habe noch nie jemanden so sehr geliebt. Ich wusste gar nicht, dass man solch starke Gefühle für jemanden entwickeln kann. Manchmal tut es schon weh, so sehr liebe ich diesen Mann."
Ich bin mir nicht sicher, ob Liam versteht was ich meine, doch als ich ihn erneut anschaue, nickt er lächelnd und legt seine Hand auf meine. Augenblicklich stoppen meine Finger in ihrer Bewegung und die Servierte wird für einen Moment verschont.
Doch dann senke ich wieder meinen Kopf, beiße mir auf meine Unterlippe.
"Die Entfernung ist schlimm. Wenn er nicht bei mir ist, fühle ich mich, als wenn ein Stück meines Körpers fehlt. Aber am Schlimmsten sind die Abschiede. Jedes Mal zerreißt mein Herz dabei ein kleines bisschen mehr und... und scheiße, es tut so weh, wenn wir am Flughafen stehen."
Liam drückt meine Hand, ich meide noch immer seinen Blick.
"Es ist dann nicht nur einfach dieses Vermissen, welches ich spüre. Es ist richtiger, körperlicher Schmerz. Ich kann förmlich spüren, wie ein Teil von meinem Herz abreißt.".
Wir werden unterbrochen, da die Kellnerin unser Essen bringt. Dankend nicke ich ihr zu, widme mich aber nicht meiner Pizza. Auch Liam schenkt seinen Nudeln keine Beachtung. Er hat noch immer seine Hand auf meiner und ich kann seinen Blick deutlich auf mir spüren.
Weitersprechen kann ich leider nicht. Mir fehlen einfach die Worte, dabei habe ich mir die ganze Nacht Gedanken darüber gemacht. Aber jetzt, wo ich es ausspreche, wird mir noch einmal mehr bewusst, wie beschissen diese Situation eigentlich ist.
Liams Hand verlässt die meine und am liebsten würde ich jetzt meine Arme um mich selbst schlingen.
"Du möchtest meine Erlaubnis haben, oder?".
Ich hebe meinen Kopf.
"Du möchtest meine Erlaubnis haben, nach New York zu gehen".
Sofort schüttele ich meinen Kopf und ein hektischen "Nein" verlässt meinen Mund. "Nein, ich...nein".
Mein bester Freund runzelt die Stirn.
"Ich...", leise seufze ich und senke dann wieder meinen Blick. "Wir müssen eine Lösung finden. Ich weiß nicht, wie lange mein Herz das noch mitmacht. Harry und ich müssen zusammenziehen, die Frage ist nur - wo?".

Kurz herrscht einen Moment Stille.
Doch dann ergreift Liam erneut meine Hand und als ich ihn wieder ansehe, sieht er mich liebevoll lächelnd an.
"Du wirst nach New York gehen."
Unsicher klemme ich meine Unterlippe zwischen meine Zähne.
"Lou... es ist doch eigentlich ganz klar, oder? Ich meine, du kannst von überall arbeiten. Harrys Jobs finden zum größten Teil in Amerika statt. Und es bringt ja eigentlich niemanden etwas, wenn er hier her zieht und dann trotzdem die meiste Zeit weg ist, da er in Amerika arbeiten muss. Dann habt ihr das gleiche Problem, nur das auf Harrys Ausweis eine andere Adresse steht und damit ist nun wirklich niemanden geholfen. Es ist also die einzig logische Entscheidung."
Er hat ja Recht. Genau diesen Gedanken hatte ich heute Nacht auch.
Selbst wenn wir uns entscheiden irgendwo anders zu leben, sei es Rom oder Paris, dann wird er die meiste Zeit nicht da sein und das ist dann nicht wirklich Zielführend.
"Und im Grunde hast du doch genau diese Entscheidung schon getroffen, oder?".
Ein unangenehmes Ziehen breitet sich in meiner Brust aus und als Liam dann meine Hände komplett umschließt, diese anhebt und einen liebevollen Kuss auf mein Handgelenk drückt, muss ich mich zusammenreißen hier nicht gleich loszuheulen.
Diese ganze Anspannung in mir scheint eine tickende Bombe zu sein und ich weiß nicht, wie lange ich diese noch im Schacht halten kann.
"Es ist okay, Lou. Ich merke doch, wie sehr er dir fehlt, wenn er nicht da ist und auch sehe ich, wie du strahlst, sobald er neben dir steht. Ich möchte einfach nur, dass du glücklich bist und wenn es heißt, dass du dafür nach New York gehen musst, dann ist das eben so.".
Mein Hals schnürt sich zu und ich merke diesen verräterischen Druck hinter meinen Augen.
"Aber...du...dann bist du so weit weg und...ihr...ihr werdet mir sicherlich schrecklich fehlen.", gestehe ich leise und schniefe die aufkommenden Tränen weg.
"Wir können telefonieren und Videoanrufe machen und hey, so haben Zayn und ich zumindest immer wieder einen Grund Urlaub zu machen. Dann verbringen wir unsere Urlaube eben bei euch in New York und ihr eure bei uns in London. Ganz einfach.".
So einfach und locker wie Liam das hier raushaut ist es dann doch nicht.
Als ich nicke und meine Kehle sich noch weiter zuschnürt, hebe ich meinen Blick und als ich Liams glasige Augen sehe, kann ich die verhassten Tränen einfach nicht mehr zurückhalten.
Und auch Liam schnieft, lächelt tapfer, aber auch er kann nach einem Schluchzer meinerseits seine Tränen nun auch nicht mehr zurückhalten.
"Du...du wirst mir fehlen", gestehe ich und entferne meine Hand aus Liams Händen. Schnell wische ich mir meine Tränen von der Wange, doch es kommen sofort neue.
"Du mir doch auch. Aber darum geht es nicht, Lou. Du bist nur glücklich mit Harry an deiner Seite und deshalb wirst du zu ihm nach New York ziehen."

Amor manet.Where stories live. Discover now