Gleich zwei?

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"Ein Mann?", will Niall wissen und mustert mich. Ich hingegen nicke, sehe erneut das Gebäude hinauf. "Und er war nackt. Also...nicht direkt. Er hatte ein Handtuch um, aber...naja mehr nicht."
"Hm, Harry hat gar nichts davon gesagt, dass er Besuch hat".
Besuch. Der Typ meinte doch, er wohnt bei Harry. Also Besuch ist das nicht. Oder? Oder doch. Ich weiß nicht.
"Fragen wir ihn einfach gleich".
Mein Blick geht zurück zu Niall, der begeistert in seine Hände klatscht. "Okay, wie machen wir es? Wie überraschen wir Harry? Ich will dabei sein, Louis".
Ich komme gar nicht dazu irgendetwas zu antworten, als Niall einfach weiter sprich.
"Wir gehen jetzt erstmal zu uns und dann ordern wir Harry dazu. Er soll eh noch zu Gemma. Und dann kommt er ins Wohnzimmer und dort sitzt dann du. Hach, das Gesicht wird sicherlich göttlich".
Er lacht, doch ich habe diesen kleinen, nagenden Gedanken im Kopf.
Was ist, wenn er sich nicht freut?
Wenn er irgendwie ein geheimes Doppelleben führt und dieses Typen in seiner Wohnung, der nur ein Handtuch trägt, eigentlich gerade viel lieber um sich haben möchte?
Vielleicht hat er ihn ja auch erst gestern kennengelernt. Oder vorgestern.
"Louis! Du denkst zu viel über den Handtuchtypen nach. So ist Harry nicht. Er betrügt dich nicht."
Okay, vielleicht bin ich zu offensichtlich, dass Niall meine Gedanken lesen kann.
Ich beschließe, erstmal auf Harrys Antwort zu warten. Vermutlich hat Niall Recht. Sicherlich ist der Typ nur zu Besuch.

"Gemma! Ich habe eine Überraschung mitgebracht!".
Niall poltert mit mir im Schlepptau wenig später durch die Wohnungstür der Altbauwohnung. Keine Sekunde später ertönt die Stimme von Harrys Schwester.
"Niall, ich schwöre bei Gott, wenn du einen Hundewelpen mit angeschleppt hast, bringe ich dich um. Ich habe dir gesagt, dass wir uns keinen Hund holen werden!".
Ich höre Gemmas wütende Schritte, als sie um die Ecke biegt und schlagartig stehen bleibt.
Mit großen Augen sieht sie mich an, öffnet den Mund und sieht dann zu Niall, dann wieder zu mir.
"Louis?".
Unsicher lächele ich. "Überraschung?".
Ein kurzer Schrei entflieht ihrem Mund, als sie auf mich zustürmt und mich in ihre Arme zieht. Lächelnd erwidere ich die Umarmung, drücke sie dann aber von mir und lege meine Hände auf ihren Babybauch. Mittlerweile kann man die Kugel sehen und eine Schwangerschaft kann sie nicht mehr verheimlichen.
Ist etwa schon so viel Zeit vergangen?
Ich sehe meinen Freund wirklich viel zu selten.
Nun fühlen sich die acht Wochen bis Februar Anfang des Jahres und die weiteren Wochen des Wartens nur noch länger an. Wie habe ich es die ganze Zeit nur ausgehalten?
Stolz sieht Gemma an sich herab, legt ihre Hände auf meine und grinst von einem bis zum anderen Ohr. Auch Niall stellt sich dazu, legt seinen Arm um seine Freundin, pardon, Verlobte und steigt in das Grinsen mit ein.
"Es wird ein Mädchen", haucht Gemma leise und sieht mich an. "Harry weiß es noch nicht. Ich habe es heute morgen erfahren und ich will es ihm heute sagen".
"Das passt sich gut, denn Harry weiß auch nicht, dass Louis hier ist".
Gemmas Augen weiten sich ein weiteres Mal. "Du überrascht ihn?". Ich nicke und ein sanftes Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht. "Ist das romantisch. Der wird Augen machen".

Während Niall einen Kaffee kocht, schreibt Gemma ihrem Bruder, dass er bitte nach der Arbeit zu ihr kommen soll, da sie ihm etwas wichtiges sagen will. Eine Antwort bekommt sie nicht, aber sie versichert mir, dass er ihre Nachrichten nie ignoriert. Erst recht nicht, seitdem sie schwanger ist.
Manchmal haben sie und Niall das Gefühl, dass Harry viel aufgeregter ist und sich viel mehr auf dieses Baby freut, als sie selbst. Aber das kann ich mir nur zu gut vorstellen. Harry liebt Kinder. Wir haben eines nachts während eines FaceTime-Anrufes darüber gesprochen. Er wollte damals wissen, ob ich mal Kinder haben möchte und dann hat er mir von seinen Plänen erzählt.
Wenn es nach ihm geht, hat er später unendlich viele Kinder. Mir persönlich würden zwei reichen, vielleicht drei, aber wenn ich dann noch immer mit Harry zusammen bin, was ich sehr hoffe, glaube ich, dass ich eine kleine Fußballmannschaft zu hause haben werde.

Meine Gedanken schweifen während ich bei Gemma und Niall bin nicht mehr zu oft zu diesem Fremden. Ab und an flackert er in meinen Gedanken auf, aber die beiden lenken mich so sehr mit ihren Erzählungen über Kinderzimmer, Hebammen, Kreißsälen und Kindernamen ab, dass ich eigentlich keine Zeit habe mir darüber weiter Gedanken zu machen.
Plötzlich klingelt es und ein heftiges Kribbeln breitet sich in mir aus.
"Das ist Harry", höre ich Gemma unnötigerweise sagen, als sie auch schon die Tür ansteuert und ich aufstehe. Mein Herz klopft wie verrückt und das Kribbeln wird stärker. Gleich werde ich ihn endlich wieder sehen. Nach so vielen Wochen.
Ich höre, wie sich die Tür öffnen und einen Moment später kann ich ihn hören.
"Was gibt es denn so dringendes, Gems?". - "Ich habe zwei Überraschungen für dich".
Ich werde hibbelig und trete unruhig von einem Fuß auf den anderen. Niall quittiert mein Verhalten mit einem leisen lachen, aber das ist mir egal. Soll er mich auslachen.
"Gleich zwei?".
Schritte ertönen und als Harry in das Wohnzimmer tritt, kann ich mich nicht mehr halten. Ich renne auf ihn zu, genau in dem Moment, wo er mich erblickt. Sein überraschtes "Louis?", nehme ich nur nebenbei wahr. Schneller als er gucken kann, springe ich in seine Arme. Er fängt mich auf, Gott sei dank, und ich wickele meine Beine um ihn. Mir egal wie das hier aussieht, ich habe meinen Freund wieder.
Fest drücke ich mich an ihn und auch er schlingt seine Arme fester um mich. Mein Gesicht ist an seinem Hals, meine Nase nimmt das mir so bekannte Aftershave auf und ich fühle mich augenblicklich zu hause.
Und so stehen wir da, eine gefühlte Ewigkeit, halten uns in den Armen und lassen uns vorerst nicht mehr los.

Amor manet.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt